Taschengeld. Frank Habbe

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Taschengeld - Frank Habbe

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längst aufgegeben, darüber nachzugrübeln.

      Und auch an diesem Dienstag hatten sie sich mit Piet getroffen und die Schlüssel in Empfang genommen. Fahrt und Übergabe waren wie gewohnt verlaufen, allerdings mit einer Ausnahme: statt des üblichen Päckchens hatten sie dieses Mal einen schweren Aktenkoffer erhalten.

      Die Probleme hatten begonnen, als sie in Berlin auf die Kantstraße gebogen waren. Schon aus einiger Entfernung waren die vor Schlossers Geschäft wild auf dem Gehweg geparkten Polizeiwagen zu sehen gewesen. Natürlich war Andy am Laden vorbeigefahren und hatte erst zwei Straßen später geparkt. Malik erinnerte sich, wie er die Augen geschlossen und sich seufzend die Schläfen massiert hatte. Für einen Moment hatten sie schweigend dagesessen, bis Andy neben ihm hektisch begonnen hatte, mit seinem Handy zu hantieren. Aus halb geöffneten Lidern hatte sich Malik das angeschaut und seinem Freund dann energisch in den Arm gegriffen. „Wen willst du denn anrufen?“

      Andy hatte das Telefon sinken lassen. „Keine Ahnung. Schlosser. Oder Piet.“ Malik hatte daraufhin resigniert die Augen verdrehte. „Jetzt? Bist du so blöd? Sollen die Bullen gleich mithören?“

      „Was sollen wir denn sonst machen? Siehst du den Koffer da?“ Hektisch hatte er auf das Gepäckstück gezeigt, das zwischen seinen Füßen im Fußraum des BMW stand. Natürlich hatte Andy recht. Warum hatten sie bloß gerade heute diesen Koffer bekommen. Nach einigem nachdenken beschlossen sie, den Koffer am nächsten Tag vorbeizubringen. Malik würde ihn solange bei sich verstecken.

      Nachdem er Andy abgesetzt hatte, war er sofort zu Rania gefahren. Sie war verreist und wollte erst am nächsten Tag von ihrer Tante zurückkommen. Bei ihr schien es ihm sicherer. Da vermutete ihn niemand. Später hatte er einen Pizzaservice kommen lassen und erst nach dessen Abfahrt genervt bemerkt, dass er nicht an Bier gedacht hatte. Zwei, drei Flaschen hätten bestimmt geholfen, seine Nervosität zu lindern. Auf die Straße hatte er sich nicht mehr blicken lassen wollen.

      Den Abend hatte er zappend auf dem Bett verbracht, den Koffer dabei immer dicht neben sich. Eins ums andere Mal war sein Blick dabei gedankenverloren darüber gestrichen und irgendwann hatte seine Neugier gesiegt. Zu seinem Erstaunen fand er heraus, dass er nicht verriegelt gewesen war. Überrascht von so viel Nachlässigkeit seitens seiner Auftraggeber hatte Malik den Deckel angehoben.

      Der Anblick der säuberlich aufgereihten Bündel Fünfziger und Hunderter hatte ihn zusammenzucken lassen. Zögernd hatte er einen Packen hervorgezogen, ihn in der Hand gewogen und mit den Fingern darin herumgeblättert. Sie schienen echt zu sein. Er hatte sich ein Wasser geholt und dann mit großen Augen vor dem Koffer gesessen. Es musste sich um ein Vermögen handeln, das da offen vor ihm gelegen hatte. Um in Ruhe nachdenken zu können, hatte Malik den Koffer wieder zugeklappt. Der Anblick all des Geldes war zu verlockend gewesen.

      Ihm war klar, war, dass er sich dringend bei Schlosser melden musste, wenn er nicht ernste Probleme riskieren wollte. Wie aber konnte er ihn erreichen, wenn das Telefon ausfiel? Und mit dem Koffer zu ihm? Was, wenn die Polizei ihn vor Schlossers Büro durchsuchen würde? Den Koffer unbeaufsichtigt in Ranias Wohnung lassen und Schlosser ohne das Geld suchen? Bestimmt nicht! Dass Geld würde er nicht aus den Augen lassen, soviel war sicher. Am Ende war ihm nichts anderes eingefallen, als nichts zu tun und zu warten.

      Mehr aus Langeweile hatte er dann begonnen, die Geldbündel zu zählen. Sie waren ungleichmäßig gepackt und enthielten mal fünftausend, mal bis zu zehntausend Euro. Schnell war er neugierig geworden und hatte sich daran gemacht, jeden Packen einzeln durchzuzählen. Als er nach fünfundvierzig Stapeln durch war, hatte er sich erschöpft auf das Bett zurücksinken lassen und benommen an die Decke gestarrt.

       Zweihundertfünfundachtzigtausend Euro!

      Das Undenkbare hatte so nah wie die Euroscheine vor ihm gelegen und Malik mit einer stetig wachsenden Versuchung gepackt. Um sich abzulenken war er aufgestanden und unruhig durch Ranias Wohnung gelaufen. Irgendwann hatte er mit brummendem Schädel zum bestimmt zehnten Mal geprüft, ob die Wohnungstür richtig verschlossen war, sich ausgezogen und aufs Bett gelegt. Den Koffer hatte er dabei fest im Griff gehalten.

      Die Nacht war unruhig gewesen, an Schlaf nicht zu denken gewesen. Was hätte er für ein Sixpack Bier gegeben. Als er Morgens aus dem leichten Schlummer hochgeschreckt war, hatte sein erster Gedanke dem Koffer gegolten, der noch immer sicher neben ihm gelegen hatte. Dann hatte er auf seinem Handy die eingegangenen Nachrichten gecheckt. Fünf Anrufe - allesamt von Andy. Als er allerdings zurückrief, war die Leitung tot gewesen. Bestimmt schlief er noch.

      Nachdem er aufgestanden war, hatte Malik eilig geduscht, die Kleidung vom Vortag angezogen und die Wohnung verlassen. Er war in ein kleines, schräg gegenüber liegendes Café gegangen, hatte doppelten Espresso und einen Bagel bestellt. Mit beidem hatte er sich an einen der hinteren Tische gesetzt. Von hier aus hatte er Eingang und Straße im Blick, ohne dabei selbst von draußen gesehen zu werden. Es grenzte an Paranoia, aber er blieb lieber vorsichtig. Den Koffer hatte er zwischen seinen Beinen auf den Boden gestellt. Während er einen Schluck des heißen Kaffees nahm, hatte er nachgedacht. An die dreihunderttausend Euro, handlich verpackt - direkt vor ihm. Und welche Konsequenzen hatte er zu befürchten? Sicher, aus Berlin würde er verschwinden müssen War das ein Problem? Malik war nicht viel eingefallen, was dagegen sprach.

      Seine Eltern? Sie berührten ihn nicht weiter. Als Produkt einer verkorksten Beziehung war sein Stand in der Familie von Anfang an nicht der Beste gewesen. Ein Wunschkind? Nein, das nun wirklich nicht. Seine Mutter, damals gerade achtzehn, hatte seinen Vater Jonathan, einen zehn Jahre älteren Studenten aus Mosambik an der Berliner Universität kennengelernt, wo sie in der Wohnheim-Verwaltung gearbeitet hatte. Gerade erst der häuslichen Enge ihres Elternhauses in Spreewald entflohen, hatte der für sie so exotische Mann eine bisher nicht gekannte Leidenschaft in ihr entfacht, die auf direktem Wege zu ihrer Schwangerschaft mit Malik geführt hatte. Nach Maliks Geburt waren sie in eine kleine Wohnung in Uni-Nähe gezogen. Die ungewohnte Verbindung von Elternschaft, beengten Wohnverhältnissen und geballten Vorurteilen ihrer Umgebung wurde jedoch schon nach kurzer Zeitz zu einem schwer zu ertragenden Ballast. Endlose Streitereien zwischen den beiden folgten. Dazu kam für alle unerwartet eine zweite Schwangerschaft, die schließlich für das Scheitern ihrer kurzen Ehe sorgte. Ganze drei Monate nach Janas Geburt war Jonathan zurück nach Mosambik gegangen und überließ es der Mutter, für den Unterhalt der Kleinfamilie zu sorgen. Seine einzigen Zuwenden bestanden aus Postkarten, die er Malik zu den Geburtstagen schickte. Nachdem sie allerdings zweimal umgezogen waren, erreichten ihn auch diese nicht mehr. Ausgesprochen traurig war er nicht darüber gewesen. Was hatte er außer dem leicht dunklen Teint und der großen, schlaksigen Figur schon von ihm?

      Die markanten Gesichtszüge leider nicht. Stattdessen hatten die Kinder den zarten Ausdruck von ihrer Mutter geerbt. In Kombination mit den langen Haaren, die Malik als kleiner Junge tragen musste, hatte ihn das zum bevorzugten Gespött seiner Mitschüler gemacht. Mädchen hatte dabei noch zu den nettesten Schimpfworten gehört. Da von seiner Mutter keine Hilfe zu erwarten gewesen war, hatte er mit zehn begonnen, in einem Verein Kickboxen zu lernen. Die Hänseleien hörten kurz danach auf, dafür aber trafen vermehrt Beschwerden die Blessuren seiner Mitschüler ein. Die Reaktion seiner Mutter? Keine, an die er sich später erinnerte. Nach Jonathans Abgang zerschliss sie sich im Spagat zwischen Aushilfsjobs und der Erziehung zweier Kinder. Was an Liebe und Zuneigung übrig blieb, wurde ungleich verteilt. Malik blieb dabei nur die Rolle des ungewollten Erstgebornen. Er wollte seine Mutter nicht allein dafür verantwortlich machen, dass er später seinen eigenen Weg gewählt, von diversen Schulen geflogen und mit kleineren Gaunereien begonnen hatte. Aber einen Teil der Schuld schob er nur zu gern auf sie.

      Vor anderthalb Jahre war sie mit Jana aus Berlin fortgezogen. Sie hatte in einer Bar irgendeinen erfolgreichen Handelsvertreter kennengelernt, der nach viel hin und her für sie tatsächlich seine Ehefrau verlassen hatte. Nun wohnten sie in seinem kleinen Idyll, irgendwo auf Sylt. Seitdem hatten sie

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