Taschengeld. Frank Habbe

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Taschengeld - Frank Habbe

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der Mann den in der Manteltasche verborgenen Schlagring fester. Doch Faris, Ranias älterer Bruder, überhaupt etwas sagen konnte, hatte sich der Mann bereits wendig an ihm vorbei in Ranias Wohnung gedrückt. Mit wenigen Schritten gelangte durch den Flur in die Wohnküche. Dort saß ein weiterer, etwas jüngerer, dafür aber umso muskulöserer Mann am Tisch und blickte überrascht von einem Magazin zu ihm auf. Erdan, Bruder Nummer zwei

      In Anbetracht der beiden Schwergewichte verlor der Mann keine Zeit. Ehe Erdan zu dem vor ihm liegenden Brotmesser greifen konnte, war der Mann mit einem kurzen Satz bei ihm. Kurz blitze im Schein der hell leuchtenden Deckenlampe der Schlagring auf, bevor er krachend in Erdans linker Gesichtshälfte sein Ziel fand. Ein kurzes knirschen erklang, als die Faust Erdans Jochbein zertrümmerte. Der Getroffene heulte laut auf und stieß mit dem Kopf rücklings gegen die Wand. Faris, der ebenfalls in den Raum getreten war, hob beschwichtigend die Hände, als sich der Mann sich geschmeidig zu ihm wendete. Sein nächster Schlag erfolgte ebenfalls blitzschnell und schon krümmte sich auch Faris mit schmerzverzerrtem Gesicht. Hilflos keuchend schnappte er nach Luft, als der Mann ihm wortlos bedeutete, sich neben seinen Bruder an den Tisch zu setzen. Mit einem sorgenvollen Seitenblick auf das verletzte Gesicht seines Bruders folgte er der Aufforderung schwerfällig. Erdan schien durch den Schlag in einen Schockzustand versetzt worden zu sein, er gab keinen Laut von sich. Immerhin atmete er. Als sich jeder an seinem vorgesehenen Platz befand, schaute sich der Mann neugierig in dem Raum um. Es sah so anders als bei ihm aus. So bunt. Die Wände schimmerten in einer Mischung aus Orange- und Grüntönen, dazu hingen an jeder freien Stelle buntbemalte Seidentücher. Es hatte die Anmutung eines Korallenriffs.

      „Hol sie her.“ Zur Unterstreichung seiner Worte tätschelte der Mann Erdans rechte Wange.

      Widerstand schien Faris aussichtslos und so deutete er mit gesenktem Kopf in Richtung einer vom Flur abgehenden Tür. „Sie ist im Badezimmer.“

      Reglos blieb der Mann neben Erdan stehen. Dessen immer lauter erklingendes Wimmern zeugte allerdings davon, dass sein Peiniger den Druck seiner Hand auf die Wange verstärkt haben musste.

      Fügsam humpelte Faris der verschlossenen Badezimmertür. Noch vor Minuten hätte er jeden verlacht oder zu Boden geschlagen, der ihm ein derart demütiges Verhalten prophezeit hätte. Die Durchschlagskraft des Unbekannten hatte ihn jedoch eines Besseren belehrt und so leistete er stumm der Aufforderung des Eindringlings Folge.

      „Wohin ist er gefahren?“

      Verängstigt blickte Rania vom Sofa aus zu dem Mann hinüber. Sie hatte nur einen kurzen Blick auf Erdans blutendes Gesicht werfen können, als der Fremde die beiden Brüder in das Badezimmer geschlossen hatte. Rücken an Rücken hatte er sie auf den Fliesenboden gesetzt und mit Kabelbindern ihre Daumen zusammengebunden. Erdan hatte schlimm ausgesehen und sie war sicher, dass er rasch einen Arzt brauchte. Was hatte Malik nur wieder angestellt, dass ein derartiger Racheengel über sie hergefallen war? Sofort musste sie an das Geld denken, dass er bei sich gehabt hatte. Unbewusst huschte ihr Blick zu der Kommode, in die sie die beiden Bündel gestopft hatte, um sie vor ihren Brüdern zu verstecken. Einen kurzen Moment nur verweilte sie mit ihren Augen auf der obersten Schublade. Er reichte jedoch aus, denn ihr Gegenüber drehte sich, ihren Blick auffangend und verlängernd in Richtung Tür. Ruhig stand er auf und trat an die Kommode. Er fand die Scheine sofort.

      Nachdenklich wog er die Bündel in der Hand. Fünf bis zehntausend Euro, schätzte er. Leider ein deutliches Zeichen, dass es sich nicht mehr um eine bloße Verkettung unglücklicher Zufälle handelte. Dieser Malik schien das Geld tatsächlich an sich genommen zu haben. Was ihn wiederum zu seinem Kunden machte.

      Der Mann schob das Geld in die Tasche seines Mantels Er strich sich nachdenklich über das Kinn, als er sich wieder dem Mädchen zuwandte. Rania drehte sich von ihm weg, aber er hatte die bläuliche Verfärbung an ihrer Lippe bereits bemerkt. Er beugte sich zu ihr hinunter und zog ihren Kopf mit einem Ruck zu sich. Keine zwanzig Zentimeter trennten sie mehr von seinen eisgrauen Augen. „Dein Freund Malik hat ein Problem. Und“, vage deutete er dabei auf die Badezimmertür hinter sich, „je schneller du mir sagst, wo er ist, desto besser für deinen Bruder.“ Ruhig kamen ihm die Worte von den Lippen, dabei hielt er ihr Kinn fest zwischen Zeigefinger und Daumen.

      Das Leder seines Handschuhs verströmte einen eigentümlichen, altmodischen Geruch, der Rania an ihre Kindheit in Izmir denken ließ. Sein stechender Blick verdrängte die Erinnerung jedoch schnell. Es hatte keinen Sinn, zu lügen. Außerdem machte sie sich Sorgen um Erdan. „Ich weiß nicht, wohin er wollte. Er ist in den Wagen gestiegen und weggefahren.“

      Mit unbewegtem Gesichtsausdruck schaute ihr der Mann in die Augen. Seine Finger verstärkten den Druck auf ihr Kinn. „Deine Lippe sieht böse aus. Aber,“ und dabei nickte er in Richtung Bad, „du siehst ja, was noch alles passieren kann. Ich würde ungern wiederkommen.“

      Mit angsterfüllt aufgerissenen Augen schüttelte Rania den Kopf.

      „Okay. Welchen Wagen hat er genommen?“

      „Irgendeinen Kombi.“

      „War er allein?“

      Nach kurzem Zögern antwortete sie. „Andy war bei ihm.“

      „Siehst du, geht doch.“ Der Mann ließ sie los und ging zur Tür, wo er sich noch einmal zu ihr umdrehte. „Sag den beiden da, dass sie die Sache vergessen sollen. Sie würden mich nur stören.“

      Damit verließ er die Wohnung.

      04:06:03

      Als der Mann auf die Straße trat empfing ihn ein kräftiger Windstoß, der Reste welker Blätter von den Ästen riss. Er schaute zum Himmel empor. Ein einziges, regenschweres grau hing über der Stadt. Fast wäre er mit dem Obdachlosen zusammengestoßen, der sich neben ihm von seinem Lager aufrappelte und mit einer über Kopf und Schultern gehüllten Plastikdecke schutzsuchend nach einem trockeneren Platz umschaute. Sein Geruch ließ den Mann abrupt ausweichen. Eilig ging er zu seinem Wagen.

      Das Geld beunruhigte ihn. Nicht, weil er die vor ihm liegende Arbeit scheute oder Furcht verspürte. Er hatte nur gehofft, dass es sich bei dem letzten Einsatz um einen einfacheren Job handeln würde. Schlosser würde nicht erfreut über die Neuigkeiten sein, dachte der Mann, als er in den Ford stieg.

      04:05:40

      Die Geschichte hatte von Beginn an unter keinem guten Stern gestanden, aber bei Rania waren die Dinge endgültig aus dem Ruder gelaufen. Dabei hatte Andys Anruf am Montagabend ganz harmlos geklungen. Nur eine weitere Übergabe, die sie am nächsten Tag für Schlosser organisieren sollten. Ein einfacher Job, der jedes Mal nach dem gleichen Muster ablief: Sie bekamen von Piet die Schlüssel und Papiere eines Autos, das sie irgendwo im westlichen Stadtgebiet abzuholen hatten. Mit diesem fuhr dann einer von über die B1 achtzig Kilometer in die Gegend von Seelow. Der andere folgte in einem ihrer eigenem Wagen bis zum Ziel, den verwaisten Ruinen einer aufgegebenen LPG. Es waren keine besonderen Fahrzeuge, die sie durch die Landschaft chauffierten. Mittelklasse, niemals neu. Das außergewöhnlichste war einmal ein Jaguar gewesen, der allerdings im Innenraum penetrant nach nassem Hund gestunken hatte. Ihre Kontaktleute kamen meist etwas später. Es waren fast immer dieselben Männer, und so hatte sich während ihrer wiederholten Treffen eine professionelle Routine gebildet. Geredet wurde nie viel. Sie stiegen aus dem Wagen, wo sie Schlüssel und Papiere zurück ließen. Einer der Männer übergab ihnen daraufhin einen verschlossenen Umschlag oder ein kleines Paket, setzte sich in den überbrachten Wagen und fuhr los. Seine Partner folgten. Danach hatten Andy und Malik die Sendung unverzüglich nach Berlin zu Schlosser ins Büro zu bringen. Natürlich erzählte er ihnen nie,

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