Taschengeld. Frank Habbe

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Taschengeld - Frank Habbe

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      Achtlos warf er die leere Hülle des ersten Snickers’ auf den leeren Beifahrersitz, als er in Richtung Stadtautobahn bog.

      * * *

      Nachdem er Andy von dem fehlenden Geld erzählt hatte, war der die ersten Minuten absolut still gewesen. Malik hatte sich bereits gefragt, wie lange der Schockzustand seines Mitfahrers andauern würde, als der sich an einer roten Ampel aus seiner Starre befreit und mit einem Ruck die Handbremse gezogen hatte. Verbunden mit einem „Du bist vollkommen durchgeknallt! Ich regle das jetzt!“ hatte er sich aus dem Auto geschwungen und war zur Heckklappe gegangen. Wie versteinert war Malik am Steuer sitzengeblieben, bis die Ampel auf grün umgesprungen war. Die Autos hinter ihm hatten zu hupen begonnen, aber Andy hatte die Heckklappe noch immer nicht aufbekommen. Sie hatte gehakt, mal wieder. Laut fluchend hatte Andy sich abgemüht, als Malik reflexartig die Handbremse gelöst und vehement aufs Gaspedal getreten hatte. Im Rückspiegel war der überraschte und wild gestikulierende Andy, der in seiner Wut gegen den Kotflügel des hinter ihnen wartenden Autos getreten hatte, immer kleiner geworden. Den weiteren Fortgang dieser Szene konnte Malik nicht mehr sehen. Er war bereits zu weit weg gewesen.

      04:07:00

      Genau eine Stunde nach dem Telefonat erreichte der Mann Schlossers Geschäft. Es befand sich im Erdgeschoss eines schmutzig grau verputzten Nachkriegsbaus und erschien an diesem herbstlichen Nachmittag abweisend und dunkel. Augenscheinlich war das Geschäft nicht dazu gedacht, Kundschaft in seine Räume zu ziehen. Kein Schild wies werbend auf Sinn und Zweck der Unternehmung hin, was offensichtlich ganz im Sinne des Betreibers war.

      Der dichter gewordene Regen tropfte beständig herab und trotz Schutz durch Mütze und Mantel durchdrang den Mann eine unangenehm kühle Nässe. Ohne an der Tür zu halten, ging er an dem Geschäft vorbei und bog rechts in die nächste Querstraße ein. Nach hundert Metern war zu seiner Rechten eine Toreinfahrt, in der er nach einem prüfendem Blick über die Schulter verschwand. Sie öffnete sich zu einem großen, mit alten Bäumen bestandenen Innenhof, der von tristen Wohnhäusern aus den Sechzigern umrahmt wurde. Zügig durchschritt der Mann den Hof, an dessen rechter Diagonalseite ein unscheinbarer, durch Abfallcontainer verdeckter weiterer Durchgang sichtbar wurde. Dieser war mit einem Stahlgitter versehen, welches der Mann unverschlossen vorfand. Nachdem er hindurch geschlüpft war, stand er in einem kleineren, dunklen Hof, der fast gänzlich mit älteren Autos zugeparkt war. Bis auf das Gurren der Tauben war es totenstill. Der Mann bahnte sich einen Weg durch das Autolabyrinth und stand schließlich vor einer gusseisernen, halb geöffneten Tür. Leise trat er hinein, ging durch einen kurzen, mit dunklem, abgewetztem Linoleum ausgelegten Flur. Von dort aus gelangte er in Schlossers Geschäft, an dem er vor wenigen Minuten draußen vorbeigegangen war.

      Der Raum war übersichtlich, maß vielleicht drei mal fünf Meter und beherbergte außer einem schweren Holzschreibtisch nur zwei altersschwache Bürostühle. An der Wand hinter dem Schreibtisch hing ein im Laufe der Jahre und unter Einfluss unzähliger Zigaretten vergilbtes Plakat mit technischen Zeichnungen von Automotoren.

      Ein untersetzter, pausbäckiger Mann mit breitem Schnauzbart und Mönchsglatze erhob sich von einem der Stühle. Sein azurblaues Hemd spannte ich über einen imposanten Bauch. Mit einer Geschwindigkeit, die zu seiner gewichtigen Statur scheinbar im Widerspruch stand, kam Schlosser auf den Mann zugeschossen und begrüßte ihn mit einem markanten Händedruck. Viele der so Beehrten waren schon unter dieser Kraft in die Knie gegangen, er aber war aus Erfahrung vorbereitet. Ruhig blickte er zu Schlosser hinunter.

      „Und?“ Im Austausch von Small Talk war er ungeübt, es lag ihm auch nichts daran. Er wolle die Sache hinter sich bringen. Anerkennend tippte ihm Schlosser mit dem Zeigefinger auf die Brust.

      „Das mag ich an dir. Gleich zum Wesentlichen kommen. Lass uns nach oben gehen.“ Dabei deutete er auf die neben der Tür befindliche Treppe. Der Mann ließ Schlosser den Vortritt, der rasch die Stufen in den ersten Stock erklomm. Es herrschte allgemeine Unordnung, überall lagen Papiere und zerfledderte Ordner auf dem Boden verstreut.

      „Entschuldige das Chaos, aber die Herren haben es leider nicht für nötig befunden, nach ihrem Besuch aufzuräumen.“ Schlosser drehte sich zu dem auf einer Kommode stehenden Radio und mit einem Mal wurde der Raum mit wummernder, trompetengesättigter Musik beschallt. Schlosser hob nur entschuldigend die Schultern und zeigte augenzwinkernd auf ein neben dem Radio stehendes Plastkfigürchen. Ein Playmobil-Polizist. Dann winkte er den Mann zu sich und begann ihm ins Ohr zu flüstern. „Bei Marschmusik sollen sie angeblich am wenigsten verstehen. Naja, glaube ich das mal.“ Belustigt zuckte er mit den Schultern.

      Der Mann beugte sich etwas weiter herunter. Bei der lauten Musik war es schwer, den betont leise sprechenden Schlosser zu verstehen.

      „Mir ist gestern eine meiner Sendungen abhanden gekommen. Sie ist irgendwo da draußen.“ Er machte eine Pause, verbunden mit einer unbestimmten Armbewegung in Richtung Fenster. „Also habe ich dich gerufen. Schließlich lieferst du immer zuverlässig.“

      „Zum letzten Mal.“

      „Ich weiß, ich weiß. Aber das ist es wert. Es geht um fast dreihunderttausend Euro!“ Nachdenklich schaute Schlosser durch das Fenster hinauf in den wolkenverhangenen Himmel, fuhr sich mit der Hand über die Glatze „Dabei konnte ich mich bisher immer auf die beiden verlassen. Gut, wir hatten gestern ein paar Probleme mit den Männern in Grün. Vielleicht sind sie deshalb nicht gekommen. Aber, seitdem sind die Jungs verschwunden. Nicht auffindbar!“ Schlosser seufzte. „Es gibt da allerdings eine Möglichkeit. Malik, einer der beiden, hat eine Freundin, in die er ganz vernarrt ist. Jedenfalls hat er immer erzählt, was für tolle Sachen er ihr kauft von dem Geld, das er bei mir verdient.“ Bedeutungsvoll sah Schlosser zu dem Mann hinauf.

      „Sie heißt Rania.“ Schlosser ging zu seinem Schreibtisch und schrieb die Adresse auf einen Notizzettel, riss diesen vom Block und schob ihn herüber. Der Mann nahm das Blatt, warf einen kurzen Blick darauf, faltete es sorgsam zu einem Viertel und steckte es in die Brusttasche seines Mantels.

      „Nimm einen von meinen Wagen. Piet wird Dir die Papiere fertigmachen. Und, ruf hier nicht an. Ich warte noch auf ein neues Telefon. Mit der neuen Nummer melde ich mich dann bei dir.“

      Der Mann nickte und ging zur Tür. Er war schon fast draußen, als ihm Schlosser noch hinterher rief.

      „Bin froh, dass du den Job machst!“

      Dieses eine Mal noch, dachte der Mann. Ein lächeln umspielte seine Lippen. Zum ersten Mal seit dem Anruf.

      Piet stand bereits am Fuße der Treppe und schaute ernst zu dem Mann herauf. Von der kleinen und breiten Statur her ähnelte er seinem Chef. In seinem ölverschmierten Arbeitsoverall und der speckigen Rollrandmütze sah er allerdings eher wie ein Mechaniker aus. „Der Wagen steht auf dem Hof. Ein gebrauchter Mondeo. Nichts Besonderes. So wie du es magst. Die Papiere liegen in der Ablage.“ Damit überreichte er ihm die Schlüssel und trat beiseite, um ihn vorbei zu lassen. Wortlos nahm der Mann den Schlüssel und ging hinaus. Es regnete noch immer.

      Der Ford sah gut aus. Ein älteres Modell, dunkelblaue Farbe, kein Metallic und nicht frisch gewaschen. Ein Wagen, an den sich später niemand würde erinnern können. Perfekt.

      04:06:29

      Seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass auch vermeintlich einfache Jobs ihre Komplikationen mit sich bringen konnten. Also steckte der Mann für den Besuch bei Maliks Freundin Messer und Schlagring ein.

      Schon an ihrer Tür erkannte der Mann,

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