Taschengeld. Frank Habbe

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Taschengeld - Frank Habbe

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der Mann das Gaspedal nur mit minimalem Druck bearbeitete, drehten die Räder pausenlos durch, während sie mühsam den schlammigen Parcours über den unbefestigten Feldweg bewältigten. Den Blick starr geradeaus auf den menschenleeren Weg gerichtet, fuhr der Mann langsam weiter. Nur Offroad-Freaks würden sich auf diese Piste trauen und der Mann erwartete nicht, bei dem schlechten Wetter auf welche zu treffen. Er lauschte nach hinten, vernahm jedoch keine Geräusche aus dem Kofferraum. Leise summte er eine Melodie, die er seit der Abfahrt von der Autobahn auf den Lippen hatte. Eine zusammengefaltete Landkarte lag neben ihm auf dem Beifahrersitz. Parallel zu ihnen, in etwa zwei Kilometer Entfernung verlief die alte Landstraße. In einer guten Stunde würde Piet dort auf einem kleinen Rastplatz halten und ihn aufnehmen.

      Nach mehreren Minuten weiteren Schlitterns und Stockens bog er auf einen Pfad, der ihn tiefer in den Wald hineinführen würde. Alles verlief nach Plan, bis der Wagen nach wenigen Metern mit einem dumpfen Schlag auf einem bemoosten Baumstumpf aufsetzte. Während der stramm sitzende Gurt bei dem Mann Schlimmeres verhinderte, hörte er aus dem Kofferraum ein lautes Rumpeln. Von einem letzten Stottern begleitet erstarb der Motor.

      Mit der Hand fasste sich der Mann an das unter dem Gurt liegende, schmerzende Schlüsselbein und hielt einen Moment fluchend inne. Bis auf die Laute des auf die Windschutzscheibe tropfenden Regens war es totenstill. Vorsichtig öffnete er die Fahrertür und schaute auf den matschigen Boden. Er drehte sich um und griff nach den auf der Rückbank liegenden Gummistiefeln. Nachdem er seine Halbschuhe ausgezogen und in eine Plastiktüte gestopft hatte, griff er sich das dunkelgraue Regencape und eine Taschenlampe. Damit stieg er aus und blickte nach oben, wo die dicht geballten Wolken die einsetzende Dämmerung noch verstärkten. Um ihn herum ragte schwarz eine Reihe Tannen in den Himmel. Es roch nach nassem Holz und modernden Blättern. Der Platz war optimal. Wegen des Regens würde er nur etwas mehr Benzin benötigen.

      Sorgsam einen Fuß vor den anderen setzend ging er zum Kofferraum. Er drückte auf den Verschluss, aber die Klappe öffnete sich nicht. Sie musste sich bei dem Aufprall verzogen haben. Erst nachdem er heftig an dem Blech rüttelte, öffnete sie sich mit einem metallischen Knirschen. Der Mann trat einen Schritt zurück und leuchtete mit der Taschenlampe in den dunklen Innenraum.

      Der an Knöcheln und Handgelenken gefesselte Andy lag regungslos auf dem Rücken. Vorsichtig beugte sich der Mann näher und stieß ihn prüfend mit dem Ende der Mag-Lite in den Bauch. Nichts. Er richtete den Strahl der Lampe auf den Kopf des Jungen, der in einem grotesken Winkel auf seinem Hals saß. Der Schein traf Andys halboffene Augen, die ihn leblos anblickten. Aus einer Wunde unter dem Haaransatz sickerte Blut auf das unverkleidete Blech. Der Mann legte seine Finger auf die Halsschlagader. Er fühlte keinen Puls. Der Junge musste sich beim Aufprall das Genick gebrochen haben. Nein, geplant war das nicht! Er zuckte mit den Schultern, richtete sich auf und stieß sich dabei den Kopf an der halboffenen Klappe. Der ursprünglicher Plan war gewesen, Andy eine ordentliche Abreibung zu verpassen und ihn im Licht des brennenden Autos an einen der Baumstämme gefesselt zurückzulassen. Als Warnung an ihn und Malik. Und jetzt? Jetzt hatte er eine Leiche. Kopfschüttelnd stieß er die Klappe wieder zu. Dann ging er zur Beifahrertür und rüttelte an ihr. Sie hatte sich nicht verzogen, ließ sich problemlos öffnen. Er nahm die Tüte mit seinen Schuhen und vergewisserte sich, dass nichts mehr von ihm im Wagen lag. Dann folgte er ein paar Schritte der Reifenspur und legte die Tüte auf einem im Matsch liegenden toten Baumstamm ab. Verlassen stand der Peugeot da und kurz überlegte der Mann, die Tüte zu nehmen und einfach zu gehen. Schnell verwarf er den Gedanke wieder. Stattdessen schritt er entschlossen zurück und griff nach dem Kanister.

      Gurgelnd ergoss sich das Benzin auf Polster und Armaturenbrett, dann über Dach, Motorhaube und Kofferraum. Nachdem er ein Handtuch mit dem Treibstoff getränkt hatte, warf der Mann den dreiviertelleeren Kanister auf die Rückbank, trat zurück und griff nach einem Feuerzeug. Lodernd flammte der Lappen auf und mit einer Drehbewegung der Hand warf er ihn durch die offen stehende Tür. Die Handschuhe zog er aus, warf sie hinterher und eilte, so rasch es die klobigen Gummistiefel zuließen, zu dem Stamm. Von dort aus sah er zurück. Die Flammen hatten inzwischen die Karosserie erfasst. In nicht zu langer Zeit würden Kanister und Tank explodieren. Er griff nach der Tüte und wandte sich zum gehen. Er würde sich beeilen müssen, wenn er es rechtzeitig zu Piet schaffen wollte.

      Auf dem Weg über den matschigen Waldboden beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Der Job stand unter keinem guten Stern. Erst das Geld bei dem Mädchen, dann die Polizei und nun der Junge. Er gab sich nicht der Illusion hin, dass Andy das letzte Opfer bei diesem Auftrag war. Damit hatte er kein Problem. Er wünschte bloß, dass er die ganze Angelegenheit rasch hinter sich bringen und er aus Schlossers Dunstkreis verschwinden konnte.

      Er wollte endlich seine Ruhe.

      Es war nicht so, dass er das Alter spürte. Bis auf seine miserablen Schussübungen war er mit seiner Fitness und Koordination durchaus zufrieden. Auch Furcht kannte er nicht. Es war nur so, dass ihn seit geraumer Zeit die Erinnerungen an seine Klienten noch lange nach Beendigung der Aufträge verfolgten. Früher war ihm das nie passiert.

      Seinen trüben Gedanken nachhängend schritt er zügig weiter und hätte dabei fast die Abzweigung zur Landstraße verpasst. Als er den Treffpunkt erreichte, fuhr ein Wagen auf den kleinen Parkplatz. Vom Laufen war ihm warm unter dem Cape geworden. Der Regen hatte inzwischen fast aufgehört, deshalb zog er es aus und stopfte es in die Tüte. Eine Mischung aus Benzin und Rauch stieg im in die Nase. Im Schutz eines Baumes wartete er eine weitere Minuten. Kein Wagen fuhr vorbei, weit und breit waren keine herannahenden Scheinwerfer zu sehen. Piet schien niemand gefolgt zu sein. Beruhigt trat der Mann aus dem Schatten.

      03:20:00

      Die der Wohnung gegenüberliegende Kirchturmuhr schlug bereits zehn, als der Mann zu Hause ankam und müde die Tür aufschloss. Das Wetter, Baustellen und ein Unfall auf der A10 hatten dazu geführt, dass sie beinahe drei Stunden bis nach Charlottenburg gebraucht hatten. Nachdem er eingetreten war, schloss er die Tür hinter sich und legte die Kette vor. Für einen Moment lehnte er sich im Flur seufzend gegen die Wand. Das Malik aus Berlin verschwunden war, stand für den Mann fest. Außer Rania hatte er niemanden in der Stadt. Und die schien Geschichte zu sein. Wieder auf Start, dachte er verärgert. Und dazu hatte der Junge einen halben Tag Vorsprung. Trotzdem zweifelte der Mann keine Sekunde, dass er ihn finden würde. Zu routiniert war er im Aufspüren seiner Kunden. Maliks Erfahrungen waren hingegen begrenzt. Bald würde er den ersten Fehler machen, das schien dem Mann sicher. Aus dem Kühlschrank holte er sich ein Wasser und ging zu seinem Sessel. Dort griff er nach dem Blackberry und richtete eine Ortungsabfrage für Maliks Handy ein. Während die App nach dem Gerät suchte, betrachtete er sinnend das Smartphone. Eine der wenigen technischen Neuerungen, die er gern nutzte.

      Keine Ortung möglich. Der Junge musste sein Handy abgeschaltet haben. Stirnrunzelnd legte er Mann das Gerät beiseite und ging ins Bad.

      Auf den ersten Blick sah die Fugenmasse zwischen den Kacheln überall gleich aus und der Mann zögerte, bevor er den Schraubenzieher auf halber Höhe der Badewanne ansetzte. Mit leichtem Druck presste er den Stahlstift in das Dichtungsmaterial zwischen zwei grasgrün gefärbte Kacheln. Nachdem die hauchdünne, wasserabweisende Isolierschicht durchbrochen war, kratzte er die bröselige Masse aus Zahnpasta und Kalk aus den Fugen. Schnell hatte er die erste Kachel so weit gelockert, dass er sie vorsichtig aus ihrer losen Verankerung ziehen konnte. Behutsam legte er sie auf dem am Boden drapierten Handtuch ab und machte sich an der nächsten Kachel zu schaffen. Kurz darauf, als auch diese gelöst und aus der Wand genommen war, fasste er tastend in den freigelegten Hohlraum. Mit wenigen Handgriffen hatte er die drei in Ölpapier eingewickelten Päckchen hervorgeholt und auf dem Handtuch abgelegt.

      Mithilfe eines Klebebands befestigte er die Kacheln notdürftig an ihrer alten Stelle und begutachtete kritisch sein Werk. Falls jemand die Wohnung durchsuchen sollte, würde er das Versteck schnell finden. Auch sein Vermieter würde nicht begeistert über das

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