Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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trotzdem und Schmerzensgeld erhalten, was Bekker als recht und billig empfand. Seitdem gab es eine Anweisung, dass für die Anlage eines Peridural-Katheters immer ein dritter Helfer anwesend sein musste, der keine andere Aufgabe hatte, als den Patienten festzuhalten. Das Auftauchen der Studentin passte. Sie würde heute der dritte Mann sein. Der Patient wurde nun mit vereinten Kräften hingesetzt, so dass er in der Lage war, seine Wirbelsäule maximal zu beugen. Stefanie Kahle hielt ihn fest, konnte aber seitlich über seine Schulter sehen, sodass ihr nichts entging.

      „Das ist ein Service, Herr Kreß“, Bekker behielt den leichten Plauderton bei, denn das Hantieren und Pieksen an der Wirbelsäule machte gelegentlich auch starke Männer schwach, „bereits morgens in den Armen schöner junger Frauen liegen, so gut hätte ich’s auch gerne.“ Stefanie Kahle spürte, wie sie unter der Gesichtsmaske errötete. Sie hatte den Unterton in Bekkers Stimme deutlich wahrgenommen.

      „So, dann wollen wir mal.“ Bekker begann mit der üblichen Prozedur. Dabei erklärte er Schritt für Schritt jeden Handgriff, bis der Katheter lag, festgenäht und verbunden worden war.

      „Sehen sie Herr Kreß, das war doch keine Hexerei und damit haben sie das Schlimmste eigentlich schon hinter sich.“ Immer noch nutzte Bekker jede Möglichkeit, von der bevorstehenden Operation abzulenken, denn die war wahrhaftig keine Kleinigkeit.

      Erstaunlicherweise fürchteten die meisten Patienten vor allem die Narkose, weniger den operativen Eingriff. Narkosen hatten für den Laien etwas Mystisches. Es war sicherlich das unterschwellige Unbehagen vor dem absoluten Kontrollverlust und die damit verbundene Sorge, nicht mehr aufzuwachen. Jeder hatte schon einmal irgendeine Gruselgeschichte über eine zu ‘schwere‘ oder ‘falsche‘ Narkose gehört oder gelesen. Die Medien nutzten die Angst der potentiellen Patienten, und das war genau genommen Jeder, um angebliche oder tatsächliche Fehler von Narkoseärzten auflagesteigernd auszuschlachten.

      Bekker war stets aufs Neue erstaunt aber auch frustriert, wenn er mit derartigen Ängsten konfrontiert wurde, unabhängig davon, dass er die individuelle Situation verstand und ernst nahm. Alle sprachen vom mündigen Bürger, vom aufgeklärten Patienten. Das Internet war voll mit einer Fülle medizinischer Informationen für jede Gelegenheit.

      Es gab Patientenschutzbünde und Medienkampagnen; dazu Fernsehsendungen noch und nöcher. Alles wurde breit getreten. Kurioserweise aber herrschten über moderne Narkoseverfahren, selbst bei differenzierten Patienten Vorstellungen wie in der Steinzeit. Tatsache war, dass der Patient, wenn, in der Regel an den Folgen des operativen Eingriffs starb und nicht durch die Narkose. Das wiederum hatte in den meisten Fällen mit dem Gesamtzustand des Patienten oder der Grundkrankheit zu tun, die letztendlich limitierend waren, ob ein operativer Eingriff verkraftet wurde. So sah Bekker es als seine Aufgabe an, die Patienten stets aufs Neue darüber aufzuklären, wie schonend und sicher die heutigen Narkoseverfahren waren, und dass gerade die Narkose und das damit verbundene Monitoring sie vor vermeidbaren Komplikationen schützte.

      Der Patient schlief. Alle Katheter und Sonden waren gelegt, das umfangreiche Monitoring angeschlossen. Wie auf ein Stichwort betrat wenige Augenblicke später Dr. Herbert Bach, leitender Oberarzt der allgemeinchirurgischen Klinik, den Operationssaal. Er sagte freundlich guten Morgen in die Runde und begrüßte Bekker mit Handschlag, „Können wir?“

      Bekker nickte, ebenso die instrumentierende OP-Schwester, die auf speziellen Tischen die sterilen Instrumente fein säuberlich aufgebaut und sortiert hatte. Bach würde mit der Operation beginnen und, wenn alles sauber präpariert und vorbereitet war, seinen Chef, Professor Kunze, hinzu rufen. Er ging in den Waschraum, um mit dem Ritual der Händedesinfektion zu beginnen. Bach war ein hochaufgeschossener, etwas fülliger Mann in den späten Vierzigern, der stets ein wenig nach vorn gebeugt war, weshalb er, um nicht zu kippen, das Gewicht auf die Fersen verlagerte, was ihm einen schwankenden Gang gab. Er war ein freundlicher, stets verbindlicher Mensch, der sich bemühte, die wenig angenehme Atmosphäre, die zwischen Anästhesie und Allgemeinchirurgie herrschte, zu entkrampfen. Bekker und sein Chef verstanden sich nicht besonders gut, was sich auf das interdisziplinäre Klima auswirkte.

      *

      Als Bekker seinerzeit die Chefarztposition am städtischen Klinikum antrat, war Kunze bereits seit mehr als vier Jahren in Amt und Würden. Er war ein Chirurg vom alten Schlage, der erwartete, dass der Anästhesist Männchen machte und parierte. Von der Universitätsklinik, an der er sich habilitiert hatte, war er es so gewohnt.

      Bekker hatte Erfahrung mit diesen Typen. Kunze war ein Choleriker, aber er konnte operieren, und das zählte mehr als Punkte auf der Charmetabelle. Es lag an Bekker die Grenzen abzustecken; das tat er ohne Theater und die an deutschen Krankenhäusern üblichen Muskelspiele. Konflikte löste man nicht im Dauerclinch mit albernem Rumgebrülle und beleidigenden Briefen, sondern mit Arbeiten auf höchstem Niveau, permanenter Kooperationsbereitschaft und einer klaren fachlichen Strategie. Erst wenn sein Fachgebiet seine Unverzichtbarkeit in der täglichen Arbeit unter Beweis stellte, konnte es Respekt von anderen erwarten.

      Den Mitarbeitern schärfte er ein, „Es geht um Patienten und nicht um unsere Befindlichkeit. Natürlich ist man irgendwann zermürbt von der mangelnden Wertschätzung und den Sticheleien, aber vor dem Jammern kommt die Leistung. Wenn Sie Leistung bringen, dann können Sie sich beschweren“.

      Dennoch verging im ersten Jahr kaum eine Woche ohne Eklat. Kunze versuchte Bekker zu traktieren und zu schikanieren, wo immer sich eine Gelegenheit bot. Der direkten Konfrontation wich er aus. Seine Visiten auf der operativen Intensivstation waren berüchtigt, denn er brüllte ohne Ansatz und ohne wirklichen Grund. Es genügten ein fehlender Laborwert, eine zu volle Drainage oder auch eine fachliche Frage, die ihm nicht passte oder die er nicht beantworten konnte. Die von Bekker für die Intensivstation eingesetzten Ärzte, ein Oberarzt und ein Assistent, bereiteten die chirurgischen Visiten stets mit besonderer Akribie vor. Auch blieben Sie sachlich und höflich, wie eisig die Atmosphäre auch sein mochte. Einschüchtern allerdings und beschimpfen, wie vor Bekkers Zeit, ließen sie sich nicht. Sie wussten, dass Bekker sie deckte, solange sie sich korrekt verhielten und kompetent arbeiteten.

      Es war typisch für Kunze, den die Visite moderierenden Anästhesisten von einem Moment zum anderen zu ignorieren als wäre er Luft, wenn ihm etwas nicht passte. Obwohl seine Mitarbeiter nicht über alles informiert sein konnten, sprach er nur noch mit ihnen. Dabei äußerte er sich, meist in abfälliger Form, auch über den anästhesiologischen Kollegen, während dieser daneben stand, achtete jedoch darauf, dass Bekker außer Reichweite war. Stellte dieser ihn zur Rede, schickte Kunze mit Vorliebe andere vor.

      „Aber Herr Bekker“, hieß es dann verschwörerisch, und es hätte nur noch gefehlt, dass er Bekker den Arm um die Schulter legte, „Sie müssen nicht alles glauben. Sie wissen doch, wie die Mitarbeiter sind. Denen können Sie nicht trauen. Die wollen uns doch nur gegeneinander ausspielen. Aber ich werd’ mir den“, er nannte den Namen einer seiner Mitarbeiter, „mal richtig vorknöpfen.“ In so einem Moment verfluchte sich Bekker für seine Vorwürfe, denn nun würde es ein vollkommen Unbeteiligter ausbaden. Nach einem Jahr gab Kunze auf. Die Zusammenarbeit war zwar weiterhin von vielen Nickelichkeiten geprägt, aber die gezielten Manöver gegen die anästhesiologische Klinik unterblieben.

      *

      Bekker hatte begonnen, das Anästhesie-Protokoll vorzubereiten. Jegliche Veränderung der relevanten Parameter, Blutdruck, Herzfrequenz, Beschaffenheit des EKGs, EEG, Drucke des sogenannten kleinen Kreislaufs, Urinproduktion und etliches mehr wurde im Fünf-Minuten-Takt registriert und dokumentiert. Ein sauber und nachvollziehbar angefertigtes Protokoll konnte, wenn’s zum Schwur kam, die Karriere retten. Gutachter hatten meistens nicht mehr zur Hand, als die Dokumentation. Bekker versuchte das seinen Mitarbeitern immer wieder einzubleuen, vor allem denen mit „Sauklaue“, deren Protokolle zwar vollkommen korrekt angelegt, jedoch für einen Dritten nicht lesbar waren.

      „Das kann

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