Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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und die durften durchaus langbeinig, jung und blond sein. Man dichtete ihm daher des Öfteren diese oder jene junge Dame als Affäre an – ob’s stimmte, wusste allerdings keiner. Seine Frau hätte ihn dafür ohne Frage standrechtlich erschossen.

      Ünal war Türke, lebte seit über fünfundzwanzig Jahren in Deutschland und war an der Anästhesie-Abteilung des städtischen Klinikums bereits Oberarzt gewesen, als Bekker Chefarzt wurde. Ünal war ihm vom ersten Tag an mit größter Hilfsbereitschaft und Loyalität entgegengekommen, ohne je unterwürfig zu sein, und das hatte Bekker ihm niemals vergessen. Alle liebten Ünal. Er hatte eine Herzlichkeit und eine Wärme, wie sie das deutsche Naturell in dieser Offenheit selten hervorbringt. Dennoch wusste er genau, was er wollte, und ließ sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen. Er organisierte den gesamten operativen Betrieb in enger Zusammenarbeit mit der leitenden OP-Schwester und war im Klinikum eine unantastbare Institution geworden, wozu auch Bekker maßgeblich beigetragen hatte.

      „Musst Du ja wissen“, wandte er sich kurz an die junge Frau und grinste verschmitzt, „okay, in diesem Fall ist es mir also tatsächlich gelungen, die Frau zu beruhigen. Die Wehen kamen auch nur noch spärlich und nicht mehr so heftig. Als der Notarztwagen eintraf, war alles stabil. Ich habe lediglich die Blutung komprimiert. Den Rest kennt ihr ja alle. Sie ist ja dann hier gleich notfallmäßig sektioniert worden. Da weiß die Regina besser Bescheid.“ Er deutete auf Regina Seelmann, eine hübsche Frau, Anfang vierzig, mit dunklem Pagenkopf, zu dem zwei strahlend hellblaue Augen kontrastierten. Regina Seelmann war Oberärztin und, wie ihr Name schon sagte, tatsächlich die Seele der Abteilung. Sie hatte ein natürliches, fröhliches und freundliches Wesen, war aber gleichzeitig äußerst kompetent in ihrem Fachgebiet und von einer Durchsetzungsfähigkeit, wie dies nur Frauen gegeben ist.

      „Wären alle Menschen wie sie, gäbe es keine Kriege“, sagte Bekker öfters und meinte damit keineswegs nur ihr freundliches Wesen, sondern vor allem, dass man bei ihr immer wusste, woran man war. Die Angesprochene räusperte sich. Sie hatte gerade an ihrem Kaffee genippt, um damit den Rest der Frühstückssemmel herunter zu spülen.

      „Wir waren durch Euch bereits auf dem Laufenden“, Sie blickte zu Ünal, „Vom Kreislauf und der Atmung kam die ganz stabil hier an. Die Kinder, es waren also tatsächlich Zwillinge, Respekt Ahmet, hast Du messerscharf erkannt“, erneut anerkennendes Gemurmel, „waren auch stabil. Zwei Mädchen. Nur...tja...es muss halt auch Frauen geben.“ Sie blickte mit freundlichem Sarkasmus in die Runde.

      „Die Babys hatten vernünftige Apgarwerte, acht und neun, und nach fünf Minuten schon zweimal zehn. Es hat allerdings, nachdem die Kinder draußen waren, ziemlich geblutet. Der Uterus hat sich trotz Stimulierung nicht sofort kontrahiert, und Kotschinsky war einige Minuten ganz schön am Rudern. Ist aber alles gutgegangen.“ Gemurmel. Alle nickten.

      Bei einem Kaiserschnitt wurden der Bauch und dann sofort der Uterus aufgeschnitten. Das ganze musste schnell gehen, wenige Minuten in der Regel, damit die Kinder nicht zu viel Narkose abbekamen und nicht in einen Sauerstoffmangel gerieten. Deshalb fand die Blutstillung erst nach der Abnabelung statt. War die Nabelschnur abgeklemmt, verabreichte man eine Substanz, die dafür sorgte, dass der Uterus sich zusammenzog, womit die Blutung automatisch still stand. In seltenen Fällen reagierte der Uterus nicht oder verzögert. Dann konnte es zu dramatischen, manchmal sogar tödlichen Blutungen kommen. Von den Anwesenden hatten die wenigsten so etwas selbst erlebt.

      „Wie viel hat sie denn verloren?“, fragte Bekker, mehr rhetorisch, „und, ach ja, bevor ich’s vergesse, die Frau heißt doch Liebchen, oder? Manuela Liebchen! Das müsste die Frau von dem Krankenhausdezernenten Dr. Liebchen sein. Na prima.“ Die letzte Bemerkung war eher ein Stoßseufzer. Bekker hatte sogenannte VIPs nicht so gern als Patienten, und Kommunalpolitiker oder deren Angehörige schon gar nicht. Je mehr sie in ihren Sonntagsreden das klassenlose Krankenhaus beschworen und das Unwesen mit den Privatpatienten geißelten, desto größer waren die Extrawürste, die sie als Patienten beanspruchten.

      „Etwa zweieinhalb Liter reiner Blutverlust, schätze ich“, antwortete Frau Seelmann, „wir hatten leider keine Autotransfusionsmaschine im Kreißsaal, aber sie ist auch so bisher ohne Fremdblut ausgekommen.“

      „Gut“, sagte Bekker, „dann werden wir ja wohl ausnahmsweise mal wieder gelobt. Gebe Gott, dass keine Nachblutung auftritt. Sie wissen ja, der Teufel ist ein Eichhörnchen. Zum Tagesgeschäft. Wir haben drei freie Intensivbetten. Wie sieht’s mit den Begehrlichkeiten aus?“ Sein Blick ging in die Runde. Alle Patienten des Operationsprogramms waren am Vortag gesehen und untersucht worden. Dabei wurde festgelegt, wer nach Beendigung des Eingriffs nicht auf eine Normalstation gelegt werden konnte, sondern die erste Nacht oder auch mehrere Tage auf der operativen Intensivstation überwacht und behandelt werden musste. Bekker stand auf, um in sein Büro zu gehen. In der Tür des Besprechungszimmers blieb er kurz stehen.

      „Herr Ünal, sind Sie so gut und sagen mir Bescheid, wenn mein Patient da ist, ich komme dann sofort hoch. Bis gleich.“ Ünal nickte und die Mannschaft schwärmte aus Richtung Zentral-OP, um mit der täglichen Arbeit zu beginnen, damit die Patienten pünktlich zum geplanten OP-Beginn vorbereitet waren und in Narkose lagen.

      Wenige Minuten später betrat Bekker den OP eins der allgemeinchirurgischen Klinik. Der Patient war soeben eingeschleust, auf dem OP-Tisch gelagert und in den Saal gefahren worden.

      „Guten Morgen, Herr Kreß“, sagte Bekker freundlich. Er hatte die grüne Gesichtsmaske noch nicht vor das Gesicht geknüpft, um dem Patienten das Gefühl der Anonymität und des Ausgeliefertseins zu nehmen.

      „Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen und das Frühstück hat geschmeckt.“ Das letzte war als Scherz gemeint und kam auch fast immer so an. Nur einige wenige Patienten reagierten verstört. Andere wiederum antworteten, „Ja, mit Spiegeleiern und Schinken“.

      Auch das war eines von mehreren kleinen Ablenkungsmanövern, um den Patienten die Angst zu nehmen, was auch meistens gelang. Bekker registrierte wohlwollend, dass die Studentin, die seine Frühvisite auf der Intensivstation mitgemacht hatte, tatsächlich im OP erschienen war. Er wandte sich ihr kurz zu.

      „Sehen sie sich alles genau an. Was Sie in der Anästhesie lernen, können Sie immer gebrauchen, ganz gleich, in welcher Spezialdisziplin Sie einmal landen.“ Irgendwie klang das ein wenig abschätzig, obwohl Bekker keine besondere Fachrichtung erwähnt hatte.

      „Also ganz von vorne. Als erstes wird immer ein großlumiger venöser Zugang gelegt, das, was der Laie ehrfurchtsvoll ‚Tropf‘ nennt. Großlumig, damit etwas durchgeht, wenn’s nötig sein sollte. Außerdem ein Katheter in die Arterie am Handgelenk zur Druckmessung. Dann der rückenmarksnahe Schmerzkatheter. Das ist eine essentielle Maßnahme, mit der wir die Phase nach der Operation für den Patienten erheblich erleichtern und damit letztendlich den Krankheitsverlauf verbessern und verkürzen.“ Die Studentin nickte. Sie hielt ehrfurchtsvollen Abstand zum Geschehen. Bekker winkte sie heran.

      „Ein bisschen helfen müssen sie uns aber schon. Hier wird jeder beschäftigt.“ Wieder zum Patienten:

      „Wir haben ja gestern alles soweit besprochen. Ich sage Ihnen jetzt Schritt für Schritt, was wir machen. Es gibt keine Überfälle, versprochen.“

      „Ich weiß Bescheid“, sagte der Patient, „Sie müssen an meinen Rücken.“ Er wollte sich aufzusetzen.

      „Moment!“ Bekker hielt ihn an der Schulter fest. Der Patient hatte auf seine Anordnung hin vor etwa dreißig Minuten eine Beruhigungstablette eingenommen. Davon schlief man zwar nicht ein, aber das Reaktionsvermögen war deutlich eingeschränkt. Seitdem in Bekkers Gegenwart einmal eine vierzigjährige Frau bei dem gleichen Manöver aus sitzender Position mit einem Kreislaufkollaps vom Operationstisch gefallen war, hatte er einen tiefsitzenden Respekt vor ähnlichen Vorfällen.

      Der

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