Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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gelbem oder hochrotem reaktivem Gewebe überzogen, die Darmschlingen grotesk auf das Vielfache ihres normalen Kalibers aufgebläht und so verklebt, dass man sie nicht mehr voneinander lösen konnte, ohne sie zu zerreißen. Alle am Tisch wussten, was das bedeutete. Bekker war nicht sonderlich überrascht. Als der Patient auf die Intensivstation zurück transportiert wurde, war sein Zustand schlimmer denn je.

      Die alte Frau war über Nacht geblieben. Die Schwestern der Nachtschicht hatten sie gegen zwei Uhr morgens resolut in ein freies Bett verfrachtet mit dem Versprechen, sie bei der kleinsten Verschlechterung sofort zu wecken. Dort hatte Bekker sie morgens bei seiner Frühvisite gegen halb sechs in tiefem, erschöpftem Schlaf vorgefunden.

      „Er wird sterben, Herr Professor, nicht wahr?“ Es war das erste Mal, dass sie es aussprach, und es war eine Feststellung, keine Frage. Sie hatte bis zuletzt gegen jede Vernunft gehofft, erwartete von Bekker aber nun, keine Zeit zu vergeuden, die sie ihrem sterbenden Kind noch geben wollte.

      „Ja“, sagte er. In seinem Hals war ein Kloß, „sehr bald“, das wollte sie schließlich von ihm wissen, „sehr bald“, wiederholte er und wünschte, er wäre ganz woanders.

      Sie straffte sich. Nie war sie ihm so zierlich vorgekommen und so zerbrechlich. Er ging zu ihr und nahm ihren Arm, um ihr aufzuhelfen. Sie sah ihn lange an.

      „Das war ein langer Weg, nicht wahr, Herr Professor?“, sagte sie leise.

      ‚Verflucht, was machst Du mit mir?‘, dachte Bekker. Er spürte, dass sie dabei waren, die Rollen zu tauschen. Er war plötzlich schwach, und sie war so stark, wie er es nie sein würde. Er wusste nicht, was er sagen sollte, obwohl sein Herz überquoll vor tiefer Sympathie und vor Mitgefühl für diese schlichte, kleine Frau, die gerade das Liebste verlor, das sie noch hatte.

      „Meinen Sie, ich könnte mit meinem Sohn allein sein, wenn“, sie stockte und konnte nicht weitersprechen.

      „Natürlich, selbstverständlich“, Bekker machte einen Schritt auf die Tür zu, um mit ihr nach oben zu gehen und alles zu arrangieren.

      „Vielleicht können sie das von hier organisieren, wenn das nicht zu mühsam ist.“

      ‚Mein Gott, was sollte denn mühsam sein. Oben stirbt Dein Kind und Du sorgst Dich um meine Mühe‘, dachte Bekker wild.

      „Ich möchte mich gerne hier von Ihnen verabschieden, Herr Professor Bekker.“ Sie sprach mit einer fremd anmutenden Förmlichkeit.

      „Ich möchte mich bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern bedanken für alles, was sie für meinen Jungen getan haben“, nach einer kurzen Pause, „und für mich. Ich bin ein einfacher Mensch und das Reden nicht gewohnt“, sie nestelte ein Taschentuch aus ihrer Manteltasche, um sich die Nase zu schnäuzen.

      ‚Du bist mehr als die meisten mit Titeln und Fürstentümern‘, dachte Bekker. Er war aufgewühlt bis in die tiefsten Tiefen seiner Seele.

      „Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob Sie ein guter Arzt sind, aber ich weiß, dass Sie ein guter Mensch sind, und das ist in Ihrem Beruf vielleicht das Wichtigste.“ Die letzten Worte hatte sie nur noch geflüstert. Sie gaben sich förmlich die Hand. Bekker verzichtete auf Beileids- oder Betroffenheitsfloskeln. Es war alles gesagt. In der Tür drehte sie sich noch einmal um und sah ihn mit dem Anflug eines spitzbübischen Lächelns an.

      „Ich weiß, dass sie geschwindelt haben, damals“, sagte sie, „sie hatten gar keinen Vortrag.“ Sie ging hinaus.

      Er setzte sich und dachte nach. Er dachte an den sterbenden jungen Mann, einen Riesenkerl, mit seinen Schläuchen und Monitoren und der Mutter, die seine Hand streichelte. Bekker hatte in den zurückliegenden Wochen viel über ihn erfahren, aber wenig Positives. Er war ein schwerer Trinker, gewalttätig und arbeitsscheu. Das Geld, das seine Mutter von ihrer kleinen Rente abzweigte und ihm zusteckte, nahm er, und wenn sie nicht hinschaute, bestahl er sie. Aber Liebe fragt nicht nach Wert und Unwert, nach Warum und Wieso, nach Rang und Verdiensten. Konnte ein Mensch wirklich schlecht sein, der so geliebt wurde? Bekker stand auf und fuhr sich durchs Haar.

       7. Kapitel Universitätsklinik

      Bekker war bereits auf dem Weg zur Umkleide, als sein Funk piepte. Sein Gespräch mit Professor Fritsche hatte etwas länger gedauert. Fritsche kam gelegentlich ins Schwafeln. Meist ging es um irgendwelche ehrgeizigen Forschungsprojekte, manchmal aber auch nur um banalen Kliniktratsch, denn Fritsche war immer begierig zu erfahren, was an der Basis passierte und über wen was geredet wurde. Bekker war allerdings für beide Bereiche der falsche Ansprechpartner. Die Eifersüchteleien und Affären in der Klinik scherten ihn wenig. Seine Habilitationsschrift hatte er abgegeben, nachdem Fritsche sie kritisch durchgesehen und für gut befunden hatte. Das interessierte ihn derzeit am meisten. Die zustimmenden Gutachten lagen vor. Auch die ersten vier von insgesamt fünf Sachverständigen hatten sich durchweg positiv geäußert. Grundlagenforschung und ehrgeizige wissenschaftliche Projekte waren nicht sein Ding. Das hatte er Fritsche mehrfach klargemacht, auch wenn der es nicht wirklich akzeptierte. Er hielt Bekker für eine Art ungeschliffenen Diamanten, und da er noch keinen seiner leitenden Mitarbeiter auf einen Lehrstuhl hatte hieven können, hegte er große Hoffnungen, dass es mit diesem nun endlich gelingen könnte. Bekker jedoch strebte eindeutig keine Universitätskarriere an, und es tat ihm manchmal ein wenig leid für Fritsche, dessen Intentionen niemandem verborgen bleiben konnten.

      Dabei hätte Bekker einige gute Voraussetzungen zur Besetzung eines Lehrstuhls mitgebracht. Er war ein glänzender Organisator, hatte unbestrittene Führungsqualitäten, konnte motivieren, war eloquent und breit gebildet, hatte ein hohes Maß an Teamgeist und durchaus auch wissenschaftliche Interessen. Sein Manko war, dass er keine politischen Talente hatte. Mit den typischen Mechanismen des deutschen Universitätsbetriebs konnte er sich nicht anfreunden. Er wollte sein Leben nicht mit Ränkespielen und langatmigen Konferenzen vergeuden, sondern Patienten betreuen. Aber trotz dieser Gegensätze schätzte er Fritsche außerordentlich, auch wenn dieser den klassischen Hochschullehrer schlechthin verkörperte.

      Bekker nahm ein Telefon im Flur ab und wählte die in seinem Funk angezeigte Nummer. Es war Zerres.

      „Wann kommen Sie denn endlich? Ich habe Konzertkarten, und außerdem hat der alte Sack schon mehrfach süffisant gefragt, ob denn mein Chef heute nicht im Hause wäre, oder wenigstens der Herr Oberarzt Bekker. Betonung auf ‘Ober‘, im Gegensatz zu ‘Unter‘, wie unsereiner. Ich hab’ auch den Eindruck, dass der Operateur zunehmend den Überblick verliert. Er hat als erste Hand nur den Weiss, diese Knallcharge, und was der kann, wissen wir doch beide.“

      „Wo ist denn das Problem?“, fragte Bekker schnell.

      „Na ja, das Aneurysma hat er ausgeschaltet, aber bei seinem üblichen tatterigen Herumgefuhrwerke mit der Pinzette muss er in der Tiefe ein Gefäß verletzt haben, das er jetzt nicht mehr findet. Jedenfalls blutet es wie Sau. Also geben Sie Gas, ich muss auflegen.“

      „Bin so gut wie da“, sagte Bekker, aber Zerres hatte schon eingehängt. Die junge Frau, die einige Meter weiter vor der OP-Schleuse auf und ab ging, sah er erst im letzten Moment.

      „Ruth, Mensch, was machst denn Du hier im Haus des Handwerks?“ Im gleichen Moment war ihm klar, dass der jungen Frau, auf die er mit wenigen Schritten zugetreten war, nicht zum Scherzen zumute war.

      „Peter, Gott sei Dank, dass ich Dich treffe!“ Sie fing an zu weinen und konnte nicht weitersprechen. Bekker nahm sie in die Arme, und nun heulte sie richtig los. Unfähig, einen Satz herauszubringen. Er ließ sie einen Moment vollkommen in Ruhe, aber eine böse Ahnung stieg in ihm auf. Der Patient im neurochirurgischen

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