Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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style="font-size:15px;">      „Die Leber tut’s auch nicht mehr lange, sämtliche Syntheseparameter sind pathologisch. Das sieht schlecht aus.“

      Was nach einer vorschnellen saloppen Prognose aussah, war nichts weiter als das Resultat logischen Denkens, weshalb Bekker nicht weiter kommentierte. Sie hatte völlig recht. Die Patientin war in seinen Augen bereits mausetot, auch wenn sie noch lebte. Sie lag dort mit ihren Schläuchen und Verbänden, ihrem aufgequollenen Gesicht und diesem unverwechselbaren Verwesungsgeruch als Ergebnis einer Medizin, die Bekker, der das alles schließlich anordnete, im tiefsten Inneren als pervers und unmenschlich empfand. Statt im Kreis von Menschen, die ihr nahestanden, in Würde zu sterben, lag sie hier als vermodertes Kunstprodukt therapeutischen Aberwitzes.

      „Aha“, sagte Bekker. Nichts sonst. Obwohl er gern und gut redete, bevorzugte er gelegentlich die schweigsame Variante.

      „Das größte Problem bei der Frau aber ist der Bauch, totenstill, maximal gebläht und hart wie Stein. Der ist nicht wirklich saniert. Was wir hier machen ist rein symptomatisch.“ Bekker war vollkommen ihrer Meinung, dennoch fragte er, „Was sagen die Chirurgen?“ Die Frage war rhetorisch.

      „Na ja“, die Assistentin neigte den Kopf zur Seite, „die sind natürlich auch nicht glücklich. Aber eine weitere Operation scheidet aus. Technisch unmöglich. Andererseits wollen sie natürlich, dass wir volle Pulle weitermachen. Wahrscheinlich hoffen sie, dass die Lunge endgültig einbricht und wir eine nichtchirurgische Todesursache haben.“

      Sie hatte Recht, und dennoch war ihr Urteil vorschnell. Operationen konnten schief gehen, gerade bei Tumorpatienten und gerade am Dickdarm. Andererseits, kein Operateur mit Blut in den Adern gibt gerne einen Patienten auf; mögen die Fakten noch so eindeutig sein.

      Sie setzten die Visite fort. Außer einem jungen Mann, der gegen ein Uhr nachts mit einer Messerstichverletzung eingeliefert und sofort operiert worden war, kannte Bekker die restlichen Patienten. Alle Betten waren belegt, und es galt auszuwählen, wer verlegt werden konnte, um Platz zu schaffen für den akuten Tagesbedarf des operativen Betriebes.

      4. Kapitel

      Universitätsklinik

      Jürgen Menzel hatte allein zu Abend gegessen. Er war wegen des Handballtrainings später nach Hause gekommen, aber seine Frau hatte ohnehin eine Verabredung mit ihren Freundinnen. An Weiberfastnacht zog sie wie immer mit den anderen ‚Möhnen’ um die Häuser. Früher als Single war das auch für ihn ein Festtag gewesen – nirgends gab es einen besseren Aufriss. Aber heute? Viel zu mühsam! Außerdem war er verheiratet und treu, auch wenn seine Kumpel, die sahen, wie ihn die Frauen anschmachteten, ihm nicht glaubten.

      Menzel war in der Tat ein Frauentyp, ein athletischer Mann von vierunddreißig Jahren, gelernter Schreiner, der sich mit seiner Frau und einem Freund zusammen eine kleine Firma als Zulieferer für die Hersteller von Fertighäusern aufgebaut hatte. Das Unternehmen war überaus erfolgreich, was vor allem mit Menzels besonderer Begabung zusammenhing, komplexe Probleme von Statik und Design zu erfassen und überraschende Lösungen zu finden.

      Sport hatte bei ihm immer eine besondere Rolle gespielt. Schon in der Schule gab es kaum eine Disziplin, in der er nicht der Beste war oder in der Spitzengruppe. Seine eigentliche Leidenschaft aber war die Leichtathletik, und hier der Zehnkampf. Inzwischen fehlte dafür längst die Zeit. Geblieben waren der Hallenhandball und das Laufen. Meistens lief er vor dem Frühstück und traf sich dazu sehr früh mit seinem Freund Peter Bekker, der ebenfalls Frühaufsteher war und ehemaliger Leistungssportler wie er. Das Handballspiel ließ sich mit der Beanspruchung des Alltags vereinbaren. Trainiert wurde abends; die Ligaspiele fanden ausschließlich Sonntags statt.

      In letzter Zeit litt er öfters unter Kopfschmerzen, die sich unvermittelt und ohne jede Ankündigung einstellten. Am letzten Sonntag war ein merkwürdiger Schwindel hinzugekommen, sodass er sich während des Spiels hatte auswechseln lassen müssen. Ruth, seine Frau, drängte ihn zum Arzt zu gehen, aber er wehrte sich. Außerdem, wann sollte er das machen? Es wusste doch jeder, wie lange man in den Wartezimmern der Doktoren herumsaß. Menzel sah kurz in seinen Computer, um die Aufträge für morgen abzuchecken. Die Firma lief rund, sie hatten gut zu tun. Kurz darauf ging er zu Bett und schlief sofort ein.

      Es war fünf Uhr morgens, und gerade hatte die Turmuhr der nahegelegenen Kirche geschlagen, als er erwachte. Er tastete nach dem Schalter und machte das Licht an, kniff geblendet die Augen zusammen und suchte nach den Kapseln auf dem Nachttisch. Die Kopfschmerzen waren unerträglich. Das Licht, die Bewegungen, selbst das Atmen schienen den Druck in seinem Schädel zu vergrößern und mit ihm die wellenförmigen Schmerzattacken, die sich ungebremst direkt ins Gehirn fortsetzten, als wollten sie es von innen zum Bersten bringen. Er stöhnte, fasste mit immer noch geschlossenen Augen nach dem Medikament und drückte die Kapsel mit dem Daumen durch die Folie. Durch seinen linken Arm lief ein schwaches Kribbeln, gefolgt vom einem merkwürdigen Taubheitsgefühl. Die Finger verloren ihre Kraft, und die Tablette fiel auf den Boden.

      „Verdammt“, sein Arm gehorchte ihm nun gar nicht mehr. Die Schmerzen paralysierten ihn und trieben ihm Tränen in die Augen. Hilflos ließ er sich zurückfallen. Er atmete flach, in der Hoffnung, es werde vorübergehen. Seine Frau hatte sich herumgedreht, aber nicht aufgerichtet; die Augen waren geschlossen. Auf Ihrer rosigen Wange war das Muster des Kissenbezugs abgebildet.

      „Ruth?“ Ein Wispern. Kaum mehr. „Bitte Schatz, wach auf.“ Er lallte jetzt, aus dem Mundwinkel lief unkontrolliert Speichel. Seine Frau öffnete die Augen, blieb aber immer noch liegen.

      „Was denn?“ murmelte sie, kurz davor, wieder einzunicken, „wieder die blöden Kopfschmerzen?“ Sie rührte sich noch immer nicht. Drehte lediglich ihren Kopf mühsam nach oben, sodass ihr Blick sich peu à peu an dem halb sitzenden Mann emporzog. Sie blickte ihm ins Gesicht, setzte sich ruckartig auf und fasste den Röchelnden bei den Schultern.

      „Jürgen, um Gottes Willen, was ist denn? – Jürgen!" Sie versuchte ihn an sich zu ziehen wie ein Kind, das man trösten möchte, aber er stöhnte nur, versuchte zu sprechen.

      Alles, was er herausbrachte, war „Aua, Aua“, tatsächlich wie ein Kind. Gleichzeitig versteifte sich sein Oberkörper, entwand sich ihrer hilflosen Umarmung.

      „Deine Tabletten“, sie sprang aus dem Bett, lief herum zu seiner Seite und fand die offene Packung. Ein Glas Wasser hatte er nachts immer an seiner Seite stehen, und sie versuchte nun, ihm die Tablette mit etwa Flüssigkeit einzuflößen. Sein rechter Mundwinkel hing schlaff herab und gehorchte nicht, sodass ein Teil der Flüssigkeit aus dem Mund auf das Kissen lief. Er versuchte die Tablette zu schlucken, geriet jedoch in einen quälenden Hustenanfall und spuckte dabei das Medikament wieder aus. Der Kopfschmerz war nun unerträglich. Vor seinen Augen begann es zu flimmern. Er würgte grüne Galle hervor. Das Stöhnen ging in ein Keuchen über, dann in ein unkontrolliertes Schluchzen. Ruth rannte zum Telefon auf dem Flur.

      „Ich ruf den Krankenwagen, Schatz.“ Er rührte sich nicht, in seinem Kopf tobte ein vernichtender Schmerz. Seine Frau kehrte aus dem Flur zurück und kniete nun vor seinem Bett, während der kräftige junge Mann, überwältigt von Schmerz und Angst, zusammengekauert auf der Seite lag und weinte. Wenig später verließ der Notarztwagen die Straße Richtung Universitätsklinik. Nichts würde je wieder so sein, wie es einmal war.

       5. Kapitel Universitätsklinik

      „Notfall... bei den Nussknackern... privat!“, schrie Zerres über den Flur und versuchte damit das Getöse von herumlaufenden Patienten, Schwestern, Besuchern und umher geschobenen Betten zu übertönen. Bekker, Oberarzt und zuständig für die Neurochirurgie, nickte zum Zeichen, dass er verstanden

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