Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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sehr viel Hoffnung gesetzt habe.“

      ‚Das wird sie kaum trösten, was für ein Scheißanfang‘, dachte er im gleichen Moment, fuhr aber fort, da er ihren irritierten Blick bemerkt hatte, „andererseits musste“, er betonte das letzte Wort, „musste man diesen Eingriff wagen, sonst wäre er bereits tot. Früher hat man bei dieser Erkrankung immer operiert, und die Patienten sind alle gestorben. Deshalb wird heute immer konservativ vorgegangen und nur im äußersten Notfall chirurgisch. Aber das ist und bleibt eigentlich nie mehr als ein verzweifelter Versuch. Ihr Sohn lebt nur noch, weil er jung ist und Reserven hat.“

      All das hatte er bereits etliche Male erklärt, aber hier tat er es gern. Gleichzeitig fühlte er, dass das Gespräch nun forciert werden musste, da nach seiner Einschätzung der Tod des jungen Mannes nur noch eine Frage von Stunden war.

      „Sehen sie, Frau Steinmeier, es ist ja nicht nur die Bauchspeicheldrüse, es sind inzwischen beinahe alle lebenswichtigen Organe mehr oder weniger stark angegriffen und geschädigt.“ Sie nickte, und ihre Schultern sackten noch ein wenig tiefer.

      „Sie wissen ja, wie es losging, Frau Steinmeier. Die schrecklichen Leibschmerzen, das Erbrechen. Der Grund dafür war die entzündete Bauchspeicheldrüse, Pankreatitis sagen wir dazu – damit’s keiner versteht“, fügte er mit dem hilflosen Versuch eines Scherzes hinzu.

      „Die Bauchspeicheldrüse sorgt mit ihren Sekreten und Enzymen, also den ganzen Säften, die sie in den Darm absondert, dafür, dass die Speisen verdaut werden. Diese Säfte sind sehr aggressiv, wie Salzsäure müssen sie sich das vorstellen. Im Darm ist das okay. Der ist geschützt und die Nahrung kann nur so verdaut werden. Bei Ihrem Norbert ist nun in dieser Drüse ein Schaden entstanden, wie wenn ein Heizungsrohr platzt und das Wasser in die Wand läuft. Hier laufen die aggressiven Säfte in das Drüsengewebe, so dass sich das Organ praktisch selbst angedaut hat und die Sekrete in die Umgebung gelaufen sind. Dadurch wurden andere Organe schwer geschädigt, vor allem der Darm und das Bauchfell. Sie müssen sich das wie eine innere Verbrennung vorstellen.“ Bekker hielt kurz inne, der Vergleich passte. Das würde die Frau verstehen.

      „Der Körper kommt dabei in eine Art Schockzustand. Der Darm hört auf zu arbeiten, das heißt, er bewegt sich nicht, ist wie gelähmt. Speisen und Sekrete werden nicht mehr transportiert und verarbeitet. Die Massen verschiedener Bakterien, die normalerweise das Essen zersetzen, vermehren sich auf das Zigfache und beginnen durch die Darmwände in andere Organe einzuwandern, vor allem in Lunge und Bauchfell. Diese Infektionen sind ihrerseits lebensbedrohlich. Das Krankheitsbild wird also potenziert und für die Ärzte beginnt ein Kampf an vielen Fronten. Leider gewinnen wir diesen Kampf nur selten.“ Ehrlicher wäre gewesen zu sagen, ‚…gewinnen wir nie’. Bekker erinnerte sich an keinen vergleichbaren Fall, wo der Patient überlebt hätte.

      „Wegen der Beteiligung der Lunge hat es bei ihrem Sohn von Anfang an so große Probleme mit der Luft gegeben, Sie erinnern sich?“

      Die alte Frau nickte langsam. Sie hatte lange nicht verstanden, warum eine Erkrankung im Bauch zu einer so schweren Atemnot führen kann.

      „Na ja, zwischendurch sah’s ja mal beinahe gut aus. Wir hatten Hoffnung, die Krankheit in den Griff zu bekommen.“ Das war erneut gelogen. Bekker hatte zu keinem Zeitpunkt eine solche Hoffnung gehabt. Er schwieg einen Moment. Beide dachten dasselbe. Nach schwerstem Krankheitsverlauf, wochenlangem Fieber, Beatmung, Dekompensation von Herz und Kreislauf war es überraschend zu einer Stabilisierung gekommen. Man hatte die Beatmung erfolgreich beendet, das Loch im Hals einfach zugeklebt, so dass der junge Mann wieder sprechen konnte. Die Mutter war an diesem Tag länger geblieben als sonst. Sie saß am Bett des Sohnes und hörte nicht auf, seine Hand zu streicheln. Als Bekker wie stets gegen sieben Uhr abends seine Spätvisite machte, saß sie noch immer da.

      „Na, Frau Steinmeier“, hatte er gefragt, „immer noch da? Wann fährt eigentlich ihr letzter Zug?“ Es war mehr eine Floskel. Sie blickte auf, etwas bestürzt, „Mein Gott, wie spät ist es denn?“ „Gleich halb acht“, sagte Bekker.

      „Ojemine“, sie erhob sich schwerfällig, bemüht, leise zu sein, um ihren schlafenden Sohn nicht zu wecken, „da ist der letzte Zug längst weg“, sie sprach mehr zu sich selbst, „na ja, nehm ich ein Taxi.“ Bekker begleitete sie in den Vorraum, wo ihr abgewetzter Mantel hing. Das Taxi würde mindestens hundert Euro kosten. Er half ihr in den Mantel, und sie sprachen noch ein paar belanglose Sätze und verabschiedeten sich voneinander. Irgendwie fühlte er sich elend. Er wollte gerade auf die Station zurückkehren und hatte die Tür schon halb geöffnet, als er auf dem Absatz kehrtmachte.

      „Bin weg“, rief er durch die zufallende Tür in die Station und hastete die Treppe hinunter in den langen Gang, der den operativen Bereich mit den Normalstationen verband. Von dort erreichte man die große Eingangshalle des Krankenhauses, vor der bis in den späten Abend immer ein paar Taxen auf Fahrgäste warteten. Die alte Frau war noch nicht sehr weit gekommen. Er rannte hinterher und blieb atemlos neben ihr stehen. Bevor sie etwas sagen konnte, platzte er heraus,

      „Es ist nichts passiert, Ihrem Sohn geht’s gut, aber ich bin ein alter Trottel“, er japste nach Luft, und sie sah ihn erstaunt von unten an, „wie heißt der Ort, wo Sie wohnen?“

      Sie sagte es ihm.

      „Mein Gott, das ist doch ganz in der Nähe von“, er nannte den Namen einer Stadt, die ihm gerade einfiel und die in der Nähe ihres Heimatortes lag, denn er wusste ganz genau, wo sie wohnte, „ich halte dort heute abend einen Vortrag über Bluttransfusionen.“ Er führte das Thema weiter aus, um glaubwürdig zu wirken, denn er wollte die alte Frau nicht beschämen.

      „Ich kann Sie zu Hause absetzen, ist so gut wie kein Umweg.“ Sie wollte protestieren, sagte aber nur,

      „Sie haben ja noch Ihren Kittel an, Herr Professor.“ Sie gingen in sein Büro zurück und von dort zu seinem Wagen. Er redete unaufhörlich, um ihr die Situation zu erleichtern. Sie sagte nichts. Sie wusste, dass er log. Die alte Frau war nicht gebildet, aber sie konnte unterscheiden zwischen Gefälligkeiten, die man ablehnt und solchen, die man annimmt.

      „Leider hat die Lunge dann erneut Probleme gemacht“, fuhr Bekker fort. Genaugenommen hatte die szirrhotische Leber endgültig ihren Geist aufgegeben, das Lungenversagen war nur die logische Folge des allgemeinen Verfalls. Bekker hatte die vorgeschädigte Leber in ihren Gesprächen stets taktvoll ausgespart. Der junge Mann hatte nicht nur exzessive Mengen Alkohol, sondern auch allerlei Drogen konsumiert und das Organ dadurch ruiniert. Aber was machte es für einen Sinn, auf solchen Details herumzureiten und der alten Frau das Herz noch schwerer zu machen? Als Folge eines zunehmenden Mangels an immunologischen Abwehrstoffen entwickelte sich eine generelle Entzündungsreaktion, die man als Sepsis bezeichnete. Die Therapie in den letzten Wochen war rein symptomatisch gewesen.

      Der Patient verdaute sich praktisch selbst. Nach Bekkers Überzeugung hätte man längst aufhören können. Aufhören müssen. Aber das durfte man in Deutschland, dem Kernland der Pharisäer und Bedenkenträger nicht einmal andeuten. Der Patient war jung und er hielt noch eine ganze Weile durch. Vor zwei Tagen wurde der Zustand so kritisch, dass Bekker und der Chefarzt der chirurgischen Klinik darüber debattierten, die Therapie einzustellen. Schließlich entschloss man sich wegen des jugendlichen Alters, ihn gegen alle wissenschaftliche Vernunft zu operieren. Genau genommen setzte der Chirurg sich durch. Das in solchen Fällen allgegenwärtige Totschlagargument mit der berühmten ‚letzten Chance, die der Patient verdient hat’ wurde bemüht. Bekker war ausdrücklich dagegen, musste jedoch nachgeben. Es war ein chirurgischer Patient und der Chirurg hatte das letzte Wort.

      „Wir wollen versuchen, das ganze verdaute und zerstörte Gewebe, mit dem der Bauch voll ist, und die Wundflüssigkeit zu entfernen und Drainagen zu legen, damit das in Zukunft besser abfließen kann“, wurde der Mutter erklärt. Als der Bauch auf

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