Das Hospital. Benno von Bormann

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Das Hospital - Benno von Bormann

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ich, und sie und das Kind können sterben, wenn sie nicht schnellstens ärztlich versorgt und in die nächstgelegene Klinik geschafft werden. Ist das klar für Sie?“ Noch bevor er zu Ende war, hatte der Uniformierte seine Beine in die Hand genommen.

      Der dunkle Mann wendete sich nun wieder der jungen Frau zu. Er prüfte, dass der Kopf weich gelagert war und strich ihr über die Stirn, beruhigende Worte murmelnd. Erneut tastete er ihren Leib, verharrte mit den Händen sekundenlang, als suche er etwas. Das Ergebnis schien ihn zufriedenzustellen, denn er entspannte sich ein wenig in der unbequemen Hocke. Der Atem der Frau wurde gleichmäßiger. Sie versuchte den Oberkörper anzuheben, wurde von dem Dunklen jedoch mit einem festen, fürsorglichen Griff daran gehindert.

      „Ganz ruhig“, sagte er, „es wird alles gut, es passiert Euch nichts.“ Er sagte „Euch“ – die Anwesenden in der ersten Reihe hörten es deutlich. Die Menschen waren nun näher gerückt, als hätten sie sich besonnen und wollten irgendwie helfen.

      „Ich benötige Taschentücher“, sagte er und meinte die Umstehenden, obwohl er weder den Kopf hob noch die Stimme. Viele Hände streckten sich ihm entgegen. Viele Taschentücher. Alle Farben. Er nickte zufrieden und formte einen Kegel aus dem Stoff. Dann spreizte er die Oberschenkel der Frau, ohne ihre Seitenlage zu gefährden, und zerriss den Slip mit einer schnellen Bewegung. Geronnenes und frisches Blut quollen ihm entgegen. Der Mann presste die Taschentücher in ihren Schritt und wartete.

       2. Kapitel Städtisches Klinikum

      „Rein musser – zweiter Versuch!“ Frey grinste anzüglich unter der grünen Gesichtsmaske. Die Studentin schwitzte und hebelte den Griff des beleuchteten Metallspatels im Mund des Patienten mit beiden Händen. Der Patient hustete. Die künstliche Erschlaffung, herbeigeführt durch die intravenöse Gabe eines Relaxans, begann nachzulassen. Die Zunge quoll hervor und versperrte zusätzlich die Sicht in die Mundhöhle.

      Es war ihre dritte Intubation überhaupt, und die beiden ersten waren völlig problemlos verlaufen. Allerdings waren das stets ältere Patienten ohne Zähne gewesen. Da ließ sich der Kehlkopfeingang immer gut einstellen. Jetzt war die Situation anders. Der Patient, ein muskulöser junger Mann, vorgesehen für einen Eingriff wegen eines Hodentumors, verfügte über ein makelloses Gebiss. Das Laryngoskop musste gegen die oberen Schneidezähne gestützt werden, um die Zunge herunterzudrücken und die Sicht auf die Stimmritze mit den beiden Stimmbändern freizugeben.

      „Durch diese hohle Gasse muss er kommen“, war eine stereotype Floskel des anästhesiologischen Personals. Professor Peter Bekker, Chefarzt der anästhesiologischen Klinik, liebte literarische Zitate. Tatsächlich musste man in eine hohle Gasse: War die Zunge mittels Intubationsspatel aufgeladen, konnte man in der Regel ohne Zusatzmanöver die Stimmbänder sehen, zwischen denen der Beatmungstubus in die Luftröhre vorzuschieben war. Bei ausreichender medikamentöser Lähmung des Patienten, standen die Stimmbänder offen und das Einlegen des Tubus gestaltete sich problemlos. Wenn nicht, lagen sie dicht aneinander und der Tubus ließ sich nur unter Druck vorschieben. Nicht selten kam es bei solch einem rabiaten Vorgehen zu Verletzungen der Stimmbänder mit bleibenden Folgeschäden, von denen eine chronische Heiserkeit noch das Harmloseste war.

      Der Patient presste und bewegte die Schultern. Die Studentin stocherte hilflos in seinem Mund herum und blasiger Speichel, vermischt mit Blut, füllte inzwischen die gesamte Mundhöhle aus und rann aus einem Mundwinkel über sein Ohr.

      „Die Sauerstoffsättigung fällt ab“, sagte die Schwester gleichmütig, „dreiundneunzig Prozent.“ Sie war derartige Szenarien gewohnt.

      „Jetzt hör mal auf herumzufuhrwerken, Häschen!“ Frey war nun nicht mehr witzig. „Absaugen, Maske, Sauerstoff – subito!“ Alle waren auf einmal hellwach. Frey nahm der Studentin den Spatel aus der Hand und saugte zähen, blutigen Schleim aus dem Rachen des Patienten. Die Sättigung fiel während dieses Manövers weiter ab.

      „Fünfundsiebzig Prozent“, sagte die Schwester. Da war erstmals ein warnender Unterton. Frey blieb vollkommen ruhig. Alles schien Routine.

      „Maske!“ Der Brustkorb des Patienten hob und senkte sich unter der assistierten Beatmung mit reinem Sauerstoff; gleich darauf hustete und presste er und versuchte mit den Armen zu rudern. Die Halsvenen traten dick hervor, und die Haut verfärbte sich violett.

      „Der steht gleich auf und geht heim“, sagte Frey lakonisch. „Relaxieren, vierzig Esmeron, Trapanal zweihundertfünfzig. Gib Gas, wir haben alle Weihnachten noch was vor!“ Das Pressen ließ nach, der Patient erschlaffte zusehends. Die Sättigung war einhundert Prozent, die Gesichtshaut rosig. Frey drückte der Studentin die Beatmungsmaske in die Hand.

      „Next try, Madam, ich kann’s nämlich schon. Ganz ruhig, mit Gefühl.“ Die Studentin umklammerte die Maske mit beiden Händen, während Frey den Beatmungsbeutel drückte. Ihre Hände zitterten und die Knöchel traten weiß hervor. Da musste sie durch. Frey hielt nichts davon, mitten im Galopp die Pferde zu wechseln. Der Patient war zu keinem Zeitpunkt einem tatsächlichen Risiko ausgesetzt. Erfahrung konnte man nur vor Ort gewinnen – das war durch keine Art der Simulation zu ersetzen. Anästhesie war eine Mischung aus Langeweile und Stress, und den musste man trainieren.

      „Irgendwann stehst Du alleine da", dachte er, „sei froh für jede kritische Situation, in der noch einer hinter Dir steht. Auch wenn’s nicht der Herrgott ist."

      Jetzt stand er hinter ihr, registrierte das gleichmäßige Piepen des Monitors, beobachtete den Patienten und beobachtete sie. Er roch ihren Schweiß, ihr Parfüm. Das grüne OP-Hemd war am Rücken und unter den Achseln nass und klebte am Körper. Der Verschluss ihres BHs zeichnete sich deutlich ab. Frey hätte gerne die Hände auf ihre Hüften gelegt.

      Frey war altgedienter Oberarzt der anästhesiologischen Klinik, neunundfünfzig Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Er hatte im vergangenen Jahr sein dreißigjähriges Dienstjubiläum gefeiert. „Hat natürlich kein Schwein bemerkt“, moserte er abends in der Oberarztbesprechung, war aber tatsächlich etwas geknickt.

      „Ooch, armes Häschen“, Bekker war blitzartig aufgesprungen, um den Tisch herum gelaufen und hatte dem Überraschten einen Kuss auf die Halbglatze gedrückt. Anschließend übergab er ihm mit einer kleinen Rede eine Flasche Champagner mit Schleife.

      „No sex, we are British“, sagte Frey verlegen, aber trotzdem freute er sich, denn er spürte, wie’s gemeint war. So war er, der Chef.

      *

      Als Frey damals am städtischen Klinikum, ein Neubau mit immerhin 1000 Betten angefangen hatte, bestand die gesamte Anästhesieabteilung aus Chef, Oberarzt, zwei Assistentinnen auf Halbtagsstellen und siebzehn Anästhesieschwestern.

      „Da hat der Bekker noch in die Windeln geschissen“, sagte er manchmal scherzhaft zu den jüngeren Schwestern. Mit dieser Mannschaft wurden immerhin mehrere tausend Operationen jährlich abgewickelt, allerdings nicht die chirurgischen Exzesse von heute. Er kam mit nagelneuem Staatsexamen dazu, tatsächlich aber als ahnungsloser Neuer, der am Anfang immer nur im Weg stand und lästig war. Anästhesisten machten Narkosen, nichts sonst. Die Patienten sahen sie nur vor und nie nach der Operation. Die Intensivmedizin entwickelte sich gerade erst und war den großen Zentren vorbehalten.

      Seit damals hatte die Chirurgie eine rasante Entwicklung genommen und sich in viele spezialisierte Fachgebiete aufgeteilt. Was vor nicht so langer Zeit noch als riskantes Husarenstück galt, wie die Operation am offenen Herzen oder am Gehirn, war inzwischen Routine mit kalkulierbarem Risiko. Die Anästhesie hatte sich mitentwickelt und verfügte über ein breites klinisches Repertoire, um die operierten Patienten sicher durch den Eingriff und die unmittelbar postoperative Phase zu führen. Gestern

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