Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger

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Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger

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Wie zur Selbstbestätigung ergänzte er im Sinne des neuen NS-System: „Endlich ist die Not vorbei, jetzt wird alles besser.“ Dabei klopfte er Viktor Ertl aufmunternd auf die Schultern.

      Mitzi hatte ihrem Mann mit leuchtenden Augen zugehört. Wie klug und redegewandt er war. Wie immer, wenn er begeistert über die Errungenschaften und den Fortschritt des NS-System sprach, zog er alle in seinen Bann. In seiner Euphorie für Hitler lief er zur Höchstform auf. Er hatte schon immer für dieses System geworben und vorausblickend erkannt, dass der Fortschritt kommen würde. Sein nie enden wollender Einsatz für das neue NS-System hatte sich gelohnt und nun profitierten alle davon. Er war ihr Held. Dass er für seinen Einsatz so wenig Dank und Anerkennung bekam, kränkte sie insgeheim.

      Sie nickte stumm und bekräftigte, dass sich Vieles durch die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) verbessert hätte.

      „Nie werde ich die schöne Fahrt vergessen.“ In Gedanken versunken, erinnerte sie sich an die Fahrt im März 1938, welche durch eine Aktion durch die „Kraft durch Freude“ unter großem Propagandaaufwand, begleitet von der Presse, stattgefunden hatte.

      Durch die „Urlaubsaktionen der Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ wurde mit anderen Kindern auch ihr kleiner Bruder ausgewählt und durfte einen mehrwöchigen Erholungsaufenthalt im „Altreich“ verbringen.

      Danach waren alle zum Maibaumaufstellen auf den Dorfplatz gegangen, wo sich schon einige Leute versammelt hatten.

      Auch Sepp Tuider mit seiner Frau war da. Frau Tuider stand etwas abseits unter einem Nussbaum. Wie hatte sie auf ihren Mann hereinfallen können, sinnierte sie. Gewiss, er war ein hübscher, stattlicher Mann. Sein Hitlerbart stand ihm gut. Er hatte ihr Treue und die große Liebe geschworen, aber bald nach der Heirat hatte sie erkennen müssen, wie sehr sie sich in ihm getäuscht hatte und wie er gleich einem Jagdfieber immer auf der Suche nach Frauen war und für wie unwiderstehlich er sich hielt. Besonders die schwer zu erobernden Frauen reizten ihn. Denn wenn es ihm gelang, eine als unerreichbar geltende Frau zu erobern, stieg sein Selbstbewusstsein und die Erkenntnis, als Liebhaber allen anderen überlegen und einzigartig zu sein. Desto mehr er sich bestätigt fühlte durch seine Eroberungen und sich darin sonnte, desto hilfloser und schwächer wurde sie neben ihm. Wie oft stritten sie und jedes Mal bestritt er sie zu betrügen. Sie wusste, dass er log. Denn gutgemeinte Freunde hatten ihr vertraulich zugeflüstert, wie sehr er sich im Gasthaus prahlte, er könne jede Frau haben und hätte hinter jedem Heuhäufel eine Frau geliebt. Ihm könne keine Frau widerstehen.

      Jetzt beobachte sie ihn, wie er nach einem neuen Objekt seiner Begierde suchte. Seine vor Begierde lechzenden Augen schienen jede Frau im Geiste auszuziehen und zu verschlingen. Mit Abscheu erinnerte sie sich an seine vielen Affären und an ihr Entsetzen, wenn sie feststellen musste, dass zuhause Naturalien fehlten, welche sie schwer erarbeitete, und er diese zu seiner jeweiligen Geliebten gebracht hatte.

      Er war jetzt immer wenig zu Hause und begründete dies mit seiner wichtigen Funktion als Ortsbauernführer. Nebenbei hörte er sich um, wer Vieh zu verkaufen hätte und verständigte die Viehhändler. Seit seiner Machtzuweisung fühlte er sich in seinem Tun bestärkt, als hätte er Narrenfreiheit.

      Wie oft hatte sie ihn beobachtet, wenn seine Hände verstohlen zwischen den Schenkeln der Frauen in ihren für ihn aufreizenden glitschigen (rutschigen), boascherten (bauschigen) Kirtagskleidern strichen. Wie oft hatte sie mitleidige Blicke auf sich gefühlt und Schwiegermütter hinter sich tuscheln gehört, dass das Fensterbrett zu ihren Schwiegertöchtern morgens kotig gewesen wäre und jeder wusste, dass ihr Mann dort gewesen war. Jeden Samstagabend war Sepp Tuider wie ein brunftiges Tier unterwegs, um seine tierischen Triebe zu befriedigen, während er zuhause vorgab jagen zu gehen. Spähend schlich er sich an Häuser heran, um zu erkunden, ob die Hunde mit ihren Besitzern auf der Jagd waren. Lüstern freute er sich darauf, die nackten Frauen beim Baden zu beobachten. Er wusste, dass sie dann das Wasserschaff in die Küche trugen, um sich mit warmem Wasser in der warmen Küche zu baden. Nachdem an den Fenstern die untere Hälfte mit Vorhängen verdeckt war, musste er immer auf davor stehende Bäume klettern, um die nackten Frauen zu sehen. Und so kannte er auch in den umliegenden Dörfern jede Frau im nackten Zustand.

      Schmerzlich musste Frau Tuider durch eigene Beobachtungen feststellen, wenn sie ihm öfters nachts in den Wäldern und Äckern heimlich gefolgt war, wie er junge Mädchen traf und wie ounlassig (zudringlich) er war. Am nächsten Tag sah sie aber auch hin und wieder die blutigen Spuren der Abwehr an seinem Gesicht.

      Um sich abzulenken, glitt ihr Blick zum Maibaum. Inzwischen wurde der Maibaum mit Girlanden aus geflochtenem Immergrün und verschiedenfarbigen Blumen aus Krepppapier, in flüssiges Wachs getaucht, geschmückt. Es wurden Wurst und Weinflaschen aufgehängt und der Maibaum aufgestellt. Zur allgemeinen Volksbelustigung wurden Spiele durchgeführt, wobei der Maibaum erklettert wurde, um die aufgehängten Festgaben zu erreichen.

      Als nun Zwumpl auf den Maibaum kletterte und sein verletzter Fuß zum Vorschein kam, sah Sepp Tuider, dass er frott (offen) am Fuß war und wusste sofort, dass er in der vergangenen Nacht der Missetäter war, als er den Hund auf ihn hetzte, und jagte ihn erbost davon, während alle anderen tanzten.

      Karl lächelte insgeheim. Wie glücklich und unbeschwert sie damals waren, als der lang herbeigesehnte Fortschritt eintraf. Niemand konnte damals ahnen, welches Ungemach auf sie wartete. Aber als die ersten Schattenseiten des neuen NS-Systems auftraten und mit der Sudetenkrise im Sommer 1938 die Masseneinberufungen stattfanden, begann für viele die Angst vor Einberufungen ihrer geliebten Söhne, Brüder und Väter.

      Karl sah die Einkerbungen auf dem Holzstab und sogleich wanderten seine Gedanken wie von selbst gesteuert zu Martha und jenen verhängnisvollen, heißen Sommer im Jahre 1938, als der Geid im Müliplitschler-Haus beim Dreschen half und ebenso für jeden geernteten Sack Getreide in einen Holzstab eine Einkerbung hineinritzte.

      Flimmernd fielen die heißen Sonnenstrahlen in diesen schwülen Tagen auf die sonnengereiften Getreidefelder, welche bald geerntet werden mussten. Die roten Mohnblüten zwischen den Burgunderfeldern wogten im leisen Windsäuseln hin und her, welches einem Kopfschütteln der Menschen glich, als wären sie genauso unschlüssig was die Zeit bringen wird wie den Menschen.

      In diesem Sommer zeigte sich für die Geidensleute, dass nicht alles Gold war, was glänzte, und sich hinter der schönen Fassade das Böse versteckte. Die Goatl hatte abergläubisch Schlimmes geahnt, nachdem das Storchenpaar in diesem Jahr wie ein böses Omen ausgeblieben war. Dadurch verstand sie es als einen Wink des Himmels, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte und nicht ohne Folgen bleiben würde. Trotzdem sie sich zur Abwehr öfters bekreuzigte, um das Böse abzuwenden, sollte sich das als erfolglos herausstellen.

      Vor dem Schnitt mussten die Sensen und Sicheln auf dem Dengelstuhl gedengelt (geschärft) werden und der mit Erde ausgestattete Dachboden für das Aufschütten der Frucht hergerichtet werden. Die Mäuselöcher wurden mit nasser Erde und Stroh verschmiert und dann der ganze Dachboden mit einem Gemisch aus warmem Kuhdung und Wasser mit einem alten, ausgedienten Weißwodl (Schrubber) und Peimpstl (Pinsel) aufglent (aufgetragen). Einen Tag vorher hatte Zwumpl die Fußböden im Haus und auf der Gredn (Vorraum) aufglent (frisch überzogen), während seine Mutter die Säcke flickte.

      Wie immer, wurde im Schnitt das angebaute zeitige (reife) Getreide gefechst (geerntet). Die Männer mähten mit dem Sengstrechel und schärften diesen mit einem Wetzstein. Die Frauen banden die Garben und stellten je neun Garben zu einem Fruchtmandl zum Trocknen auf. Anschließend wurde das Feld zwischen den aufgestellten Fruchtmandln mit einem Holmirechen abgestreift, damit keine Ähre verloren ging. Die kleinen Kinder lagen währenddessen in der Hitze oft unter einem Bleinkert (Decke) in der Fuhring (Mulde) oder spielten mit Erdbrocken oder Insekten und aßen Erde. Beim Gehen war es wax, sodass ihre Fußsohlen schmerzten.

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