Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger

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Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger

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      Ein anderes Mal wettete er angeheitert mit einem betrunkenen Bauern im Gasthaus, der behauptete, seine Kuh gäbe die meiste Milch im Dorf. Und als Sepp Tuider morgens in dessen Stall, lässig mit einer Pfeife im Mund, dies überprüfen wollte, warf dessen Frau ihm ihren Melkschemel entgegen und verletzte ihn, sodass er sich zu Viktor Ertl beschweren kam.

      Wie oft, meist nach dem Wutschi (Kirtag) oder Feuerwehrball hatte sich die Frau des Ortsbauernführers in der Gemeindestube bei ihm als Bürgermeister über die Untreue ihres Mannes beklagt, vom Streit erzählt und ihm ihre blauen Flecken gezeigt, wenn sie von ihrem Mann geschlagen wurde. Er war als Weiberheld verschrien. Ständig war Sepp Tuider in außereheliche Affären, Streit und Raufereien mit eifersüchtigen Ehemännern verwickelt.

      Wie oft hatte seine Frau ihm im Streit Vorhaltungen gemacht ob seiner Untreue und beim Streit blaue Flecken und Striemen von seiner Goasl (Peitsche) davongetragen.

      Wütend über Sepp Tuider stimmte Viktor Ertl auf dem Stimmzettel mit „Nein“ ab. Sepp Tuider kontrollierte seinen Stimmzettel und sagte höhnisch: „Du pfeifst eh schon aus dem letzten Loch, schau dass du richtig wählst, sonst kauf ich dich noch auf.“ Darauf erwiderte Viktor Ertl in Gedanken: „Ich wünsche dir einen grünen Hof.“ Was so viel bedeutete, als dass sein Hof tschari (zugrunde) gehen sollte.

      Bei der Volksabstimmung über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich am 10. April 1938 gab es im Burgenland 169 775 Ja-Stimmen und nur 63 Nein-Stimmen, in 297 von 324 Gemeinden, sogenannten Führergemeinden, gab es nur Ja-Stimmen. Während die Befürworter jubelten, flossen bei den Gegnern Tränen über den Verlust des Vaterlandes. Nur ein Staat der Welt, nämlich Mexiko, protestierte gegen die Aggression Hitler-Deutschlands.

      Mit dem Anschluss wurde das österreichische Recht durch deutsches Recht ersetzt, der Schilling mit einem Kurs von 1,5 Schilling für 1 RM umgewechselt und alle Devisen und Goldreserven abgezogen.

      Wie stolz Zwumpl war, als er bei der anschließend veranstalteten Siegesfeier nach der Volksabstimmung vor der Kaserne, wo die Soldaten des Bundesheeres jetzt auf Adolf Hitler vereidigt wurden, neben der Hitlerjugend, dem BdM (Bund deutscher Mädchen) staunend daneben stand.

      Bald würde auch er zu den Pimpfen gehören und Mitglied des Deutschen Jungvolkes sein.

      Auch Maria, Ritsch genannt, Karls ältere Schwester, damals noch nicht verheiratet, stand in der Reihe im BdM (Bund deutscher Mädchen) in ihrem dunkelblauem Rock, ihrer weißen Bluse, und Kniestrümpfen und schwarzem Halstuch, hinter ihrer Führerin. Wöchentlich trafen sich die Mädchen im BdM beim geselligen Beisammensein um Heimat- und Parteilieder zu singen, Nähen und Hauswirtschaft zu lernen, zu basteln, Sport, Gruppenspiele und Wanderungen zu unternehmen.

      Ritsch schaute verliebt auf ihren heimlichen feschen Bräutigam Franz Leitner, dem Sohn vom Krumpern-Sepp, wie er im Hausnamen genannt wurde, da er immer die schönsten Erdäpfel im Dorf hatte. Franz Leitner stand in der Reihe der HJ (Hitlerjugend) und blinzelte ihr verliebt zu.

      Wie gerne hätte sie sich für ihn geschminkt, aber Schminken, Schmuck tragen, war neben dem Rauchen beim BdM verboten.

      Befriedigt stellte sie nach kurzer Zeit fest, dass sich wie eine stillschweigende Allianz seine Blicke immer öfters mit ihren kreuzten, seine Augen ihre Bewegungen verfolgten und sie nicht losließen.

      Selbst in ihren schönsten Phantasien hatte sie sich nie vorstellen können, dass es eine so große Liebe überhaupt geben könnte. Franz unterschied sich von den anderen Männern, die sie bisher verehrten, um Welten.

      Sie hatten sich durch ihren Aufenthalt im BDM-Lager einige Zeit nicht gesehen. Hatte die Liebe diese erste Trennung überdauert? Unsicher schaute sie ihn an.

      Wie jedes Mal, wenn er in ihrer Nähe war, überkam sie eine Unruhe und ihre Beine und Hände zitterten vor Sehnsucht und unerfüllter Begierde. Sie fühlte seine scheuen Blicke wohltuend auf sie gerichtet und hoffte, er würde sie noch immer begehren.

      Er schickte ihr ein heimliches Busserl und so wusste sie, dass er abends wieder fensterln kommen würde. Und vielleicht würde er ihr wieder am Fenster schwören, dass er nur an sie denke, von ihr träume, sie heiraten wolle und ihr ein Busserl geben.

      Sie hatten sich einige Zeit vorher heimlich getroffen, aber geliebt hatten sie sich nicht. Zuerst hatte Ritsch von ihrem Tagesablauf im BDM-Lager, der um 6.00 morgens mit Weckruf begann, anschließendem Frühsport, Ankleiden und Bettenmachen, 7:00 Uhr Appell mit Hochziehen und Hissen der Fahne, Vortrag des Tagesspruches, Frühstück, Antreten zum Dienst, Ruhepause, Jause von 17:00–18:00 Uhr, dann Gespräch und Diskussion über die Tagesereignisse, ideologische Schulung, Rassenideologie und Führerglaube, um 18:30 Uhr Appell mit Einholen der Fahne, um 19:00 Uhr Abendessen erzählt. Um 20:00 Uhr, wenn dann der Tag durch das gesellige Beisammensein, das Singen von Heimat- und Parteiliedern, Nähen, Hauswirtschaft sich dem Ende neigte, war sie wie jeden Tag müde ins Bett gefallen und hatte ihm versichert, dass sie nur an ihn gedacht hätte.

      Ritsch freute es, dass sie dort ihre Nähkenntnisse verbessern konnte. Gleich darauf besah sie jede Einzelne von ihr genähte Uniform der Buben in der Hitlerjugend. Etliche Uniformen der Buben hatte sie im Austausch von Naturalien genäht, sodass sich die Hasen in ihrem Stall dadurch vermehrten. Meist brachten die Buben drei Hasen als Entgelt.

      Dann glitt ihr Blick zu den wehenden Reichskriegsflaggen, welche die bisherigen rotweißroten Fahnen ablösten. Ebenso wie andere Frauen hatte sie vor der Abstimmung viele Hakenkreuzfahnen genäht, denn erst nachher waren die ersten Originalfahnen ins Dorf gekommen. Dass diese von ihr gefertigten Fahnen noch lange – bis zum Ende des NS-Regimes – wehen würden und fortan die Bevölkerung an den nationalen Feiertagen ebenso am Führergeburtstag zum Beflaggen der Hakenkreuzfahne verpflichtet war, wusste sie zu diesem Zeitpunkt nicht.

      Noch nie hatten sie im Dorf eine solche Parade gesehen. Alles kam Zwumpl vor wie ein Traum, ein wunderbares, wahr gewordenes Märchen. Er bewunderte die mit aufgeklebten oder aufgemalten Hakenkreuzen und Fähnchen geschmückten Geschäftsportale und Auslagen. Dass die Ortsparteileitung der NSDAP die Geschäftsleute dazu zwang und bei Nichtbefolgung mit Boykott oder Geschäftsschließung drohte, viele aus Existenzangst die Anordnungen befolgten, wusste Zwumpl nicht. Die Nürnberger Gesetze verboten den Juden das Hissen der Hakenkreuzflagge. Dass er sich unter so vielen gleichgesinnten Uniformierten, die sich jetzt schon zu den Siegern, Richtern und Bezwingern über Regimegegner erhoben, befand, freute ihn. Und genau zu diesen wollte auch er zählen. Staunend betrachtete er die Gestapo (geheime Staatspolizei), welche bald mit ihrer hemmungslosen Verfolgungstätigkeit Angst und Schrecken verbreiten sollte. Als ein glühender Verehrer Hitlers wünschte sich Zwumpl, der Führer wäre persönlich hier. Wie gerne hätte er ihm die Hand gedrückt.

      Im Menschenheer zogen auch Viktor und Anna Ertl wie viele andere nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor Belästigungen und Verfolgungen mit Fackeln mit. Viktor Ertl sah etliche vormals illegale Anhänger der NSDAP, die vorher ihr Parteiabzeichen unterhalb ihres Reverskragens getragen hatten, sich jetzt stolz präsentierten und ihn siegessicher anlächelten. Förmlich vor den Augen eines jeden Betrachters blühten die Befürworter Hitlers auf. Sie hatten durch die Volksabstimmung ihre Bestätigung erhalten und gehörten zu den Siegern.

      Immer mehr Leute strömten zur Siegesfeier. Als die Worte der Redner vom Lautsprecher wie abgefeuerte Geschoße auf die eingeschüchterten Zuhörer niederprasselten, erschrak Anna Ertl.

      Als Resner in Uniform auf einem mit Hitlerbildern und Hakenkreuz geschmückten Rednerpult stehend bekanntgab, dass nur ein paar Neinstimmen im Dorf waren, brach frenetischer Jubel aus. Dann sprach er ergriffen von der großen Mutter Germania, deren Kinder sie nun alle geworden waren. Er brachte

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