Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger

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Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger

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als freie Bauern und Selbstversorger, welche von ihrem eigenen Grund und ihrer fleißigen Hände lebten, sich unterwerfen sollten. Gleichzeitig befand sie sich in einem Gewissenskonflikt. Dass sie nun einerseits den rechten Arm heben und die Worte „Heil Hitler“ anstatt „Grüß Gott“ als Begrüßung verwenden musste, sah sie als heidnisch an, als Gotteslästerung, als eine Sünde, die von Gott bestraft werden würde. Den Herrn Pfarrer begrüßte sie nach wie vor mit „Gelobt sei Jesus Christus“, er antwortete „Von nun an bis in Ewigkeit“ und sie erwiderte „Amen“.

      Ebenso widerstrebte es ihr, dass sie als Eltern nun eine Erklärung unterschreiben mussten, dass ihre schulpflichtigen Kinder freiwillig zur Religionsstunde in die Sakristei der Kirche gehen mussten und nicht wie bisher in die Schule.

      Als gläubige Christin sah sie es aber als ihre Pflicht, die Worte der katholischen Bischöfe, welche den Anschluss an Deutschland befürworteten – Evangelische tendierten nach Deutschland, um dem katholischen Österreich den Rücken zu kehren –, zu befolgen.

      Als aber ihr geliebter Herr Pfarrer verhaftet wurde, war sie bis aufs Mark erschüttert darüber, dass ihr Pfarrer als ein Stellvertreter Gottes auf Erden, nach dessen Geboten und Verboten sie bisher gelebt und welche ihr gesamtes Leben bestimmt hatten, dessen irdische Macht für sie unantastbar war, wie ein Verbrecher abgeführt und durch eine andere Macht beherrscht und bezwungen wurde. Er hatte bisher allen Sündern die Ohrenbeichte abgenommen und ihnen Buße auferlegt, mit der ewigen Verdammnis im Fegefeuer und der Hölle gedroht. Er war bisher die Richtschnur für ihr Leben gewesen.

      Wer hatte ihn angezeigt und warum? Wie oft hatte sie mit dem Herrn Hochwürden sowohl als Vorbeterin des Rosenkranzvereins als auch bei Taufen, Hochzeiten, Begräbnissen zu tun. Jeden Sonntagnachmittag, wenn sich die Männer zur Feuerwehrversammlung trafen, betete sie mit den Mitgliedern des Rosenkranzvereins, wobei Lorenz Schmid vor seinem unfreiwilligen Weggang immer orgelte. Auch ging sie immer zum Herrn Pfarrer, damit er die Briefe ihrer Schwester aus Amerika vorlas und sie beantwortete, so wie er auch sonstige Briefe für seine Schäfchen schrieb oder beantwortete.

      Bei jedem Wutschi (Kirtag) lud sie den Pfarrer, nachdem er die von ihr bestellte Messe gelesen hatte, zum Mittagessen nach Hause ein. Wie oft lobte er sie wegen des guten Essens, wenn sie ihm Hendlsuppe mit selbst zubereiteten Suppennudeln, gekochtes Hendlfleisch mit Semmelkren, Backhendl mit Erdäpfelsalat u. a. kredenzte. Besonders wegen ihrer Hobelschoartn (süßer Germteig in Fett herausgebacken) und der Biachlkropfn oder Schmerkropfn (Butterkrapfen, Blätterteig), welche sie mit der Schmer (Bauchfett) des Schweines mit der größten Sorgfalt zubereitete, lobte er sie. Im Sommer musste sie den Blätterteig in den Brunnen, im Winter in den Schnee zum Kühlen geben, während des mehrmaligen Auswalkens und Klopfens.

      Wenn er sie auch bei der nächsten Predigt von der Kanzel herunter tadelte, sie hätte die Suppe während des Tischgebetes serviert, so ärgerte sie das, aber bald vergaß sie es wieder.

      Wie oft hatte sie ihm ein paar Münzen zugesteckt, damit er nach der heiligen Messe für sie und ihre Lieben betete. Die Frauen kontrollierten genau, wie viel Münzen die anderen gaben und erhöhten die Spende immer wieder.

      Jeden Sonntag saß sie zusammen mit der Gvatterin (Goatl), der Mutter von Martha Janisch, in derselben Kirchenbank. Niemals hätte sich Anna Ertl in die erste Kirchenbank gesetzt. Böse Zungen behaupteten, in den ersten Kirchenbänken würden die alten Kommandore und Wirtschaftsräte (alte Frauen) sitzen, um sich den nächsten Tratsch zu holen. Die Goatl sagte immer, die Gebete kriechen in den Himmel, der Gesang fliegt in den Himmel. Bevor die heilige Messe anfing, flogen die Köpfe in der ersten Reihe neugierig hin und her und mokierten sich darüber, dass die jungen Frauen bloßkopfert (ohne Kopftuch) gingen, durchsichtige Strümpfe oder sündhafte, weit ausgeschnittene, enge Kleider anhatten und sogar weiße Kleider trugen, was für verheiratete Frauen unschicklich war, da sie nicht mehr unbefleckt wären. „Das ist kein Ghea’tsi (es gehört sich nicht), zu unserer Zeit hätte es so etwas nicht gegeben“, raunte die eine der anderen verächtlich zu. Oder sie musterten die Kinder, ob sie ihren Vätern oder anderen Männern ähnlich sahen.

      Im Dorf wusste keiner, warum ihr Pfarrer weg und wohin er gekommen war. Hinter vorgehaltener Hand wurde gerätselt, ob er sich gegen den neuen Hitler-Gruß geäußert und immer mit Grüß Gott geantwortet hätte. Andere behaupteten, er hätte die Jugendlichen ermuntert, lieber in die Kirche anstatt zu den Parteikundgebungen zu gehen, gegen den Nationalsozialismus gewettert und die Beflaggungsvorschriften nicht eingehalten.

      Anna Ertl war äußerst beunruhigt nicht zu wissen, weshalb und wohin der Herr Pfarrer gekommen war. Und sie wusste auch nicht, ob und wann er wiederkommen würde.

      Ständig und unermüdlich redeten Toni, Zwumpl und auch Stefan Resner den Eheleuten Ertl zu, bei der Volksabstimmung mit „Ja“, für die Vereinigung zu stimmen, denn unter den Deutschen würde es ihnen gutgehen.

      Toni bedrängte seine Eltern ständig, für den Anschluss zu stimmen. Er betonte ununterbrochen, dass sich seine Hoffnung auf mehr Arbeitsplätze und einen Wirtschaftsaufschwung nur mit Hitler erfüllen ließe, da es auch den Deutschen seit Adolf Hitler gutgehe.

      Jedes Mal, wenn Toni Ertl seinem Vater zuredete, bei der Volksabstimmung mit „Ja“ zu stimmen, antwortete Viktor Ertl, dass er durch das neue NS-Regime sowohl sein Bürgermeisteramt als auch seine beste Einkommensquelle beim Juden verloren hätte. Und Toni Ertl antwortete jedes Mal, dass dies das kleinere Übel sei.

      „Wenn ich genug Geld in Deutschland verdient habe, komme ich mit einem Volkswagen heim und werde euch ausführen“, prahlte er.

      Seine Eltern zeigten sich davon unbeeindruckt. Toni wusste, dass er seiner Mutter mit einem Auto nicht imponieren konnte. Sie hätte es als Teufelswerk verdonnert. Ebenso schenkte sie dem Hokuspokus der Propaganda keinen Glauben.

      In ihren Augen zählten nur die Arbeit und das, was sie fechsten (ernteten). Alle technischen Hilfsmittel verteufelte sie.

      Wenn Stefan Resner die Eheleute Ertl bedrängte, Parteimitglied zu werden und für den Anschluss zu stimmen, verschwiegen sie vorsichtshalber ihre Gesinnung, um abzuwarten. Nie hätten sich die Eheleute Ertl getraut, gegenüber Stefan Resner sich ablehnend zu Hitlers NS-System zu zeigen, aus Angst vor den Folgen.

      Ebenso lag Zwumpl seinen Eltern ständig in die Ohren. Zwumpl wurde durch den neuen NS-Lehrer ein neues Bewusstsein eingetrichtert, wie wichtig die Jugend wäre und wie wichtig es sei, große Taten zu vollbringen.

      Wie gut er schon Marschieren gelernt hatte und wie viele neue Lehrmittel in die Schule gekommen waren, er konnte nur Vorteile für ihn sehen. Mit Begeisterung verfolgte er aufgeregt die Propaganda und sah seine Aufgabe darin, die Welt zu verändern und Gutes für sein Vaterland zu tun. Zuhause löcherte er, genauso wie seine Schulfreunde ihre Eltern, ob sie reinrassig, Arier, wären. Der Ahnenpass wurde ein wichtiges Dokument.

      Zwumpls Begeisterung hatte auch einen anderen persönlichen Beweggrund. Insgeheim war er, so wie viele andere Schüler froh, dass der strenge Herr Pfarrer mit seinen sadistischen Neigungen durch das NS-System weggekommen war, vor dem er so viel Angst hatte. Wie oft musste Zwumpl unter diesem strengen Herrn Pfarrer als Strafe 100-mal schreiben „Die Kirche ist wichtiger als die Kuh“, wenn er anstatt in die heilige Messe „Halten“ (die Kühe auf die Wiese treiben) musste. Ebenso wurde er bestraft, wenn er die heilige Messe an einem anderen Ort besuchte und von dem dortigen Priester keine Bestätigung hierfür brachte. Die drakonischen Strafen des Pfarrers waren gefürchtet. Er schrieb alles in Kurrentschrift an die Tafel und die Kinder sollten es abschreiben. Nachdem sie die Kurrentschrift nicht lesen konnten, schrieben sie etwas anderes in ihr Heft. Dann schlug er ihnen mit dem mitgebrachten Staberl auf die Fingerspitzen, sodass sie überhaupt nicht schreiben konnten, und aus Angst und Schmerzen nässten, er

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