Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger

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Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger

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in das Gasthaus, damit die Propagandareden des Führers gehört werden konnten.

      Als Redner bei den Parteikundgebungen wurden die neuen NS-Machthaber, Stefan Resner und Toni Ertl, nicht müde, für den Anschluss zu werben. Stefan Resner betonte: „Bei uns wird es ohne Hitler keinen Aufschwung, keinen Fortschritt, keine Arbeitsplätze geben, ohne ihn werden wir immer arm bleiben. Österreich kann alleine nicht bestehen und ist nicht lebensfähig.“ Er sprach sowohl von den Segnungen der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), welche die Ämter Organisation, Finanzverwaltung, Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe, Volksgesundheit, Propaganda und Schulung bekleidete, vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit tätig war, bedürftige Familien unterstützte und Kindergärten betrieb als auch von der NS-Frauenschaft (NSF), welche wirtschaftliche und krankenpflegerische Tätigkeiten ausübte.

      Quasi als lebenden Beweis rief Stefan Resner Toni Ertl, der den Fortschritt in Deutschland persönlich genauso wie er wahrgenommen hatte, an das Rednerpult. Toni las die selbst geschriebene Rede von der Innenseite seines Kappls ab und erklärte, dass er in Deutschland gearbeitet hatte und den Fortschritt gesehen hatte. „Ich habe die großen Aufbauleistungen und wie gut es in Deutschland wirtschaftlich steht, mit eigenen Augen gesehen. Der Führer ist bestrebt, dass jeder Deutsche einen Volkswagen haben soll.“ Im nächsten Moment sprach er von der politischen Organisation KdF (Kraft durch Freude), welche Reiseveranstaltungen, Wandern, Seereisen, Bunte Abende, Gymnastik-, Schwimm- und Nähkurse, Konzerte, Erwachsenenbildung etc. für die Bevölkerung veranstaltete. Dass damit gleichzeitig ein körperlich gesundes, kriegstüchtiges Volk gemacht werden sollte, konnte er nicht wissen. Dann hämmerte er seinen Zuhörern ein, dass die Juden allein an der wirtschaftlichen Not, an allem Elend und aller Verzweiflung der Jahrzehnte vorher schuld seien.

      Mit erhobener Stimme rief Toni, dass nur Hitler den Wirtschaftsaufschwung in Deutschland gebracht habe, dass auch hier ein Hitler gebraucht werden würde, um denselben Aufschwung zu ermöglichen, um der Armut ein Ende zu bereiten. Dies würde nur mit Hitler gelingen. Ohne Hitler würden die Errungenschaften der neuen Zeit niemals hier eintreten.

      Gewöhnlich schloss er die Rede mit den drohenden Worten, dass alle Skeptiker durch ihr Nein den Aufschwung verhindern würden und dies vor ihren Kindern zu verantworten hätten.

      Abends berieten sich die Eheleute Ertl im Ehebett flüsternd hinter verdunkelten Fensterbalken wie sie abstimmen sollten und wie immer lauerte Zwumpl, um etwas zu erhaschen und seinen Brüdern brühwarm weiterzuerzählen.

      Im Elternhaus von Karl gab es auf der vorderen Seite des Hauses das Schlafzimmer, sodass darin die Kinder und die Eltern auf Strohsäcken schliefen, darunter auch Zwumpl. Im Ehebett schlief auch ein Kind, in der danebenstehenden Wiege lag das kleinste Kind, welches durch die Sprießel (Gitterstäbe) schaute. Jeden Abend hutschelte (schaukelte) Viktor Ertl das kleinste Kind ein.

      Aus der Not geboren, gfretteten sich (improvisierten) die Leute in vielen Dingen. In der Wäschetruhe mit den vier Läden schliefen in jeder Lade, eingewickelt in selbst genähte Windel, ein Kind. Hatte sich das oberste Kind nass gemacht, wurden die darunter liegenden Kinder auch nass. Zwumpl lag mit drei anderen Kindern in einem Bett, wobei die Füße zweier Kinder in der Mitte des Bettes zusammenstanden. Wie immer stellte sich Zwumpl schlafend, um das Getuschel seiner Eltern zuerst neugierig zu belauschen und anschließend das seltsame Gerangel im quietschenden Bett zu verfolgen.

      Für Viktor und Anna Ertl hatte sich die neue Zeit wie ein Felsblock auf ihre Herzen gelegt. Was würde ihnen unter den Deutschen blühen?

      Stillschweigend und gottergeben hatten die Eheleute Ertl, wie so viele anderen Dorfbewohner – jene die ihre Arbeit verloren hatten – festgestellt, wie sehr sich die Menschen und das Dorfleben verändert hatten.

      Dort, wo früher alles Geschehen, jede Neuigkeit öffentlich diskutiert wurde, sowohl im Elternhaus von Karl als auch auf der Gasse, verstummte jetzt jede flüsternd geführte Diskussion, als ob sich hinter jeder Ecke Spitzel und Denunzianten befänden. Denunzianten, welchen die Bürgerpflicht eingetrichtert wurde, jede kritische Aussage gegen Hitler und das NS-Regime anzuzeigen, hatten ihre Augen und Ohren überall. Sogar auf den Streichholzschachteln stand „Feind hört mit“. Ständig fühlten sich die Leute beobachtet und belauscht. Misstrauen und Missgunst verbreiteten sich wie eine bösartige Krake.

      Geheimnisvoll wurden zwischen den Bauern im Dorf heiße Diskussionen geführt, ob man bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 für den Anschluss sein sollte. Sobald ein Dritter dazukam, verstummte der Dischgur, genauso, als säßen die Spitzel im Schatten. Nur wenn im Elternhaus von Karl das Radio spielte oder die Kinder laut waren oder die grünen Holunderblätter mit ihrem Mund bespielten, oder mit der Maulwetz (Mundharmonika) spielten, traute man sich tagsüber leise sprechen.

      Während dieser Zeit der lähmenden Angst, Einschüchterungen, Unterwerfung, des bedingungslosen Gehorsams, traute sich keiner öffentlich seine Meinung sagen, sondern nur hinter vorgehaltener Hand immer beobachtend, ob keine Zeugen anwesend waren.

      Geschürt durch Misstrauen, Not und Neid wurden aus den besten Nachbarn Feinde. Vorherige Freunde, Verwandte, beste Nachbarn waren jetzt gespalten, bespitzelten und denunzierten sich als Feinde, viele in der Hoffnung, im neuen System Karriere zu machen und Macht über andere zu haben.

      Einige der Befürworter des neuen Systems lauerten im Hintergrund und verschwiegen vorerst vorsichtshalber ihre Sympathien für die neue Partei, wollten die Volksabstimmung abwarten, sich quasi ihre Gesinnung bestätigen lassen, um sich dann zu den Siegern zu zählen.

      Und so berieten sich die Eheleute Ertl im Ehebett flüsternd hinter verdunkelten Fensterbalken an jenem Abend, wie sie abstimmen sollten.

      Sie besprachen, wie die ihnen gut bekannten und geschätzten Herren Lehrer, Bezirkshauptmann, welche fähige Leute waren und sich verdient gemacht hatten für die Heimat, ebenso wie Viktor Ertl selbst als Bürgermeister, abgesetzt worden waren. Der Jude Isidor Holz, Inhaber der Greißlerei im Dorf, war vertrieben worden, andere Gegner des neuen Regimes hatten erfahren müssen, wie hart gegen sie vorgegangen wurde.

      Sie staunten, wie sich vorher unscheinbare Leute jetzt einschmeichelten und anbiederten, sich als Anhänger des neuen NS-Systems deklarierten und wie schnell Emporkömmlinge, Bücklinge, Wendehälse nun an die Macht drängten. Eben viele Leute, welche durch die Weltwirtschaftskrise arm und arbeitslos waren und jetzt wie Ertrinkende nach einem Strohhalm griffen und sich der Partei anschlossen.

      Viktor Ertl fehlte seine Arbeit als Bürgermeister und der Umgang mit der Dorfbevölkerung. Er hatte gut mit den abgesetzten Personen zusammengearbeitet und nun wusste er nicht, was aus ihnen geworden war.

      Wie gerne dachten die Ertls an dieses vormalige friedliche Zusammenleben im Dorf zurück.

      Sie erinnerten sich, wie unbelastet sie vorher lebten und wie vertrauensvoll sich die Dorfbewohner untereinander in allen Dingen des Lebens anvertrauen konnten, einander selbstlos halfen, wenn Not am Mann war. Wie oft hatte Viktor Ertl unter seinem persönlichen Einsatz ehemalige Kontrahenten in seinen Bergkeller geladen und beim Uhudler-Wein zu vermitteln versucht. Unzählige Ungereimtheiten hatte Viktor Ertl als Bürgermeister oft mit viel Bauernschläue, ohne amtliche Wege begehen zu müssen, regeln können. Wenn sich eine Partei in die Gemeindestube beklagen kam, schickte er den Kloarichter (Gemeindediener) nach der anderen Partei, um dann in Ehe- oder Ehrenbeleidigungssachen, Grenzstreitigkeiten etc. zu vermitteln. Öfters zahlte der schuldige Teil die kleine Gebühr des anderen für die Amtshandlung mit, damit die Streitigkeiten beendet waren. Von jeher war das Bürgermeisteramt für Viktor Ertl eine Anlaufstelle, er hatte Autorität, sein Wort war Gesetz im Dorf. Die Dorfbewohner hatten Vertrauen zu ihm, er kannte alle Geheimnisse der Dorfbewohner, ohne diese anvertrauten Geheimnisse zu verraten oder zu missbrauchen.

      Und

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