Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger

Скачать книгу

fuhren, um beim Putsch am 25. 7. 1934 in Wien dabei zu sein, am selben Tag mit zerdeptschen (ruinierten) Federn und Hüten nach Hause kamen und beklagten, dass sie nicht ahnen konnten, dass es Tote geben würde, und sie wie beim Mausnen (Federlassen der Hühner wenn sie keine Eier legten) die Federn lassen mussten, schalt der Herr Lehrer Toni Ertl und die anderen Hahnenschwanzler, sie sollten endlich begreifen, was sie mit ihrer Tätigkeit anrichten würden, und Ruhe geben.

      Den zerdepschten Hut in der Hand, mit einer Schnittwunde im Gesicht, erklärte Toni Ertl deprimiert, er habe nicht gewollt, dass dieser Putsch derart enden würde und dass Engelbert Dollfuß, der die vaterländische Front am 21. 5. 1933 gegründet hatte, ums Leben kommen würde, während er seine sonnenverbrannte Haut betrachtete.

      Dass Toni Ertl und die anderen Hahnenschwanzler nun derart deprimiert heimkamen, erfasste den Herrn Lehrer mit Genugtuung. Vielleicht haben sie nun ihr Lehrgeld bezahlt, einen Denkzettel erhalten und würden nun endlich gescheit werden, dachte er.

      Niemals hätte der Herr Lehrer Viktor Ertl, mit dem er gerne beisammen war und gerne mit ihm diskutierte, auf seinen großkotzigen Sohn Toni angesprochen. Er wollte ihn nicht kränken.

      Toni Ertl war, wie viele seiner Freunde und Anhänger bestrebt, das alte, arme Leben hinter sich zu lassen und sah einen Lichtblick für ein besseres Leben mit Arbeitsplätzen, Fortschritt, ohne Hunger und Armut, nur in der NSDAP.

      Obwohl die NSDAP und alle ihr zugehörigen Institutionen in Österreich vom 19. 6. 1933–12. 3. 1938 verboten waren, arbeitete Toni mit anderen Anhängern der Partei im Untergrund weiter.

      Karl kannte alle Geheimnisse von Toni, die er als Illegaler der NSADP hatte, denn so wie in den anderen kinderreichen Familien, wo die größeren Kinder im Winter im Stall und im Sommer im selbst gezimmerten Bett am Heuboden schliefen, zimmerten sich auch Toni und Karl gerne jedes Jahr im Frühjahr Betten für den Heustadel, damit sie vogelfrei waren. Aber auch, weil es im Haus zu wenig Platz für die vielen Kinder gab.

      Wie oft schlich sich Toni abends, wenn es schon dunkel war, auf der Leiter vom Heuboden herunter, um unkontrolliert und unbeobachtet sich mit anderen Illegalen im Heimatdorf von Stefan Resner, dem Mann von Tante Mitzi, der jüngsten Schwester seiner Mutter, welcher ein paar Dörfer entfernt wohnte, zu treffen. Er musste einen langen Fußmarsch durch den Wald machen und traf sich dort mit den anderen Gleichgesinnten im Keller eines Gasthauses, wo die Uniformen der NSDAP bereit lagen.

      Jedes Mal, wenn jemand Unbekannter sich verdächtig näherte, läutete ein Verbündeter oben im Gasthaus die Glocke, damit sie sich unten im Keller ruhig verhalten sollten.

      Wie oft zitterte Karl, wenn Toni nachts vom Heustadl herunterstieg, sich mit anderen Illegalen, welche das Parteiabzeichen verstohlen unter dem Revers trugen, alle im Glauben an ein besseres Leben, traf, um an den verschiedensten Streuaktionen von Flugschriften oder selbst gebastelten Papierhakenkreuzen, Störung von Veranstaltungen und Beschmierungen von Häusern und öffentlichen Gebäuden mit Hakenkreuzen, teilzunehmen. Ihre Parole lautete: „Trotz Verbot nicht tot.“

      Karl atmete jedes Mal erleichtert auf, wenn er frühmorgens beim ersten Hahnenschrei die Schritte von Toni hörte und die Leiter heraufsteigen sah. Dann war seine erste Frage an Toni, wie viele Illegale da waren, wer alles da war und was sie heute gemacht hätten.

      Eines Morgens im Morgengrauen als Toni ganz verrußt und rauchig stank und angesengte Haare hatte, vertraute er seinem Bruder Karl an, dass er die Hütte des Schleifer-Hans, eines im Dorf im Zigeunerwald ansässigen Roma, als eine Art Mutprobe und zwecks Erfüllung der heimlichen Aufnahmebedingungen angezündet hätte. Obwohl die Flammen meterhoch waren, das Feuer weiter griff und die ganze Roma-Siedlung im Zigeunerwald abbrannte, was von weitem sichtbar war, läutete niemand im Dorf wie sonst bei einem Brand üblich das spezielle Glockengeläute als Alarmzeichen für die Feuerwehr.

      Es kam keine Feuerwehr löschen. Hinter dem Gebüsch versteckt lauerte Toni und schaute schadenfroh zu, wie alle Roma-Kinder und Erwachsene schreiend barfuß mit den nötigsten Habseligkeiten wegliefen. Niemand leistete ihnen Hilfe oder gewährte ihnen Unterkunft im Dorf.

      Die Roma-Männer versuchten den Brand zu löschen, allerdings ergebnislos. Es brannte die ganze Siedlung der Roma ab. Nachdem alle Hütten aus Holz waren, blieben nur die gemauerten Rauchfänge übrig.

      Sogleich nach seinem Geständnis ließ Toni seinen Bruder Karl bei seinem Augenlicht schwören, ihn ja nicht zu verraten.

      Aber es war gar nicht notwendig, dass Karl schwieg, denn am selben Tag war der Schleifer-Hans mit seiner Frau und seinen vielen Kindern weinend und schreiend, barfuß, in zerfetzten Kleidern in Karls Elternhaus gelaufen, war auf den Misthaufen gehüpft und hatte wild fuchtelnd geschrien, der Erzengel Gabriel solle mit seinem flammenden Schwert alle vernichten, sodass jeder im Dorf munkelte, der Toni wäre der Brandstifter gewesen.

      Fortan musste Karl jedes Mal, wenn Toni ihm die heimlichen Geschehnisse der Nacht anvertraute, ihm das Versprechen geben, ihn ja nicht zu verraten. Karl stand viele Ängste um Toni aus. Wie oft zitterte er, ob er wieder gesund heimkommen würde. Jedes Mal, wenn Toni vom Heuboden auf der Leiter hinunterstieg, rief Karl ihm nach, er solle auf sich aufpassen und gesund wieder kommen.

      Nur in Liebesdingen war Toni verschlossen. Eines Abends, als Karl allein war und schon eingeschlafen war, war er erschrocken aufgewacht als er hörte, wie jemand die Leiter zu ihm hinaufkrallte (stieg). Verwundert darüber, dass Toni schon da war, rief er verschlafen: „Toni, bist du schon da?“ Als keine Antwort kam, fühlte er leise Schritte auf sich zukommen und eine Frauenstimme antwortete: „Toni, bist du allein?“ „Wer ist da?“, fragte er erschrocken, auf einmal hellwach. „Wir machen es uns jetzt schön, ich habe mich mit der gʼschmeckerten (gut riechenden) Soaft (Seife) aus Amerika eingeseift, riech einmal, wie gut ich schmecke. Weißt du zu mir kommen immer bessere, gschmeckerte Herren für eine schöne Zeit, die haben mir die Seife gebracht“, flötete die Unbekannte mit süßer, hoher verstellter Stimme, als würde sie zu einem Kind sprechen. Sogleich nahm sie Karls Hand und führte sie zwischen ihre schwammigen, dicken Oberschenkel. Ihr warmer Körper schmiegte sich an ihn. Diese unbekannte Frau voller Wollust begann ihn im Dunkeln zu streicheln und flüsterte ihm zärtliche Worte zu.

      Erfahren als seine Lehrmeisterin nahm sie von Karl, im Schutz der Dunkelheit stellvertretend für Toni, Gebrauch, ohne dass er sich rühren traute, geschweige sich wehren konnte vor lauter Erschrockenheit. In Liebesdingen war er gänzlich unerfahren. Er hatte immer gedacht, dass er sein erstes und letztes Liebesabenteuer nur mit Martha haben würde. Und plötzlich küsste ihn diese Unbekannte, stürmisch und leidenschaftlich. Wie zwei Tiere im Dunkeln, einander fremd, gab Karl bald seinen Widerstand auf und ließ sich verführen. Beim Abschied flüsterte sie ihm verschwörerisch zu, er solle sie ja nicht verraten, denn sie sei verheiratet, habe Kinder und wolle ihre Ehe nicht gefährden und ihre Ehre nicht verlieren. Sie wolle ihn bald wieder besuchen.

      In dieser Nacht konnte er nicht schlafen. Wer war diese Frau? War es jene geheimnisvolle, unersättliche Frau, die von den Männern des Dorfes verächtlich als „die Frau mit der weißen Leber“ bezeichnet wurde, wie er schon öfters aufgeschnappt hatte. Im gleichen Augenblick fühlte sich Karl schuldig, Toni quasi betrogen und um sein Vergnügen gebracht zu haben. Seine Mutter staunte nicht schlecht, als er am nächsten Morgen den Futterdämpfer einheizte, um sich mit dem erwärmten Wasser sein schlechtes Gewissen ob seiner Untreue gegenüber Martha und seiner Sünde im Bottich abzuwaschen.

      Von nun an hatte Karl nicht nur Angst, Toni würde verletzt oder gar nicht heimkommen, sondern auch deswegen, von dieser liebeshungrigen Frau heimgesucht und von Toni erwischt zu werden.

      So wartete Karl schlaflos mit klopfenden Herzen bei jedem Geräusch jede Nacht auf Toni, um künftig sein Kommen nicht zu

Скачать книгу