Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger

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Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger

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geringere Übel war. Besser er ging nach Hause als an die Front. Dass zuhause auch ihr platonischer Feind in Form von Martha sitzen könnte, ahnte sie nicht.

      Trotzdem lief durch ihren Körper ein kalter Schauer der Enttäuschung, als würde sie zusammenbrechen. In ihrer Brust kämpften zwei Seelen. Die eine Hälfte wollte ihn mit aller Kraft halten, während die andere Hälfte ihr riet, ihn gehen zu lassen, sie hätte nicht das Recht, ihn aufzuhalten. Wie gerne hätte sie ihn aufgehalten. Sie wollte ihn keine Sekunde mehr vermissen, er war ihr Lebenselixier, ihr Trost und Rettungsanker geworden, nicht nur in schwierigen Stunden. Sie konnte sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen.

      Wie sollte sie ohne die Gewissheit, dass sie ihn abends wieder sehen würde, um in seinen Armen das Leid und das Elend rund um sie für eine kurze Zeit zu vergessen und Kraft tanken für ihren schwierigen Arbeitstag, leben? Wie sollte sie ihr Leben meistern ohne ihn? Musste sie mit seinem Weggehen auch die Hoffnung auf eine gemeinsame glückliche Zukunft aufgeben? Dass sie insgeheim darüber grübelte, ob ihre junge Liebe die Trennung aushalten oder ob er sein Vorhaben positiv ausführen würde können und ob er zu ihr zurückkommen würde, verschwieg sie wohlweislich.

      Irene sah in sein verzweifeltes Gesicht und auf seine Hände, die sich bewegten, als wollten sie eine entschuldigende Erklärung abgeben, es aber nicht vermochten, und kraftlos in sich zusammensanken. Er hatte doch tatsächlich gesagt, er wolle nach Hause und sie hier allein zurücklassen. Dieser Gedanke ließ sie momentan erstarren.

      Mit dem Versprechen, so schnell wie möglich zu Irene zurückzukehren und sie anschließend in seine Heimat zu holen, gingen sie gemeinsam kurze Zeit später zum Bahnhof. Beim Abschied auf dem Bahnhof überreichte sie ihm ihr Bild, welches er in seinen Brotbeutel neben das Bild Marthas legte.

      Wenn Karl in das traurige, schmerzerfüllte Gesicht von Irene sah, bohrten sich Stiche in sein Herz. Er wollte seiner großen Liebe keinen Kummer bereiten. Es tat ihm in der Seele weh, sie so leiden zu sehen, während er seine Tränen tapfer unterdrückte.

      Als er beim Abschied ihre zarten, kleinen Hände in seinen Händen hielt, überkamen ihm Zweifel. Ihm wurde mit einem Schlag bewusst, dass ihre zarten Hände zwar seinem Körper das höchste Wonnegefühl bereiteten, aber, im Gegensatz zu Martha, nie in Erde gewühlt, nie gepflügt, geeggt und gesät hatten, nie ein Huhn zum Essen geschlachtet, keine Kühe gemolken oder den Stall ausgemistet hatten. Sie hatte bisher mit Tieren, Wachstum und Gedeihen einer Saat in der Natur nichts zu tun gehabt.

      Irene hatte nie einen dreckigen, stinkenden Stall von innen gesehen, nie von früh bis spät bei jedem Wind und Wetter, egal ob die Schmerzen glousten (klopften), im Freien gearbeitet. Wie oft rieben sich die Bauern abends ihre schmerzenden Stellen mit Vorlauf ein, während die offenen Wunden mit Jod oder Schnaps ausgebrannt (desinfiziert) wurden.

      Würde sie dieses harte, arbeitsreiche Leben überhaupt aushalten? Würden diese zarten Hände jemals hart arbeiten und zupacken können, so wie es Marthas Hände konnten, und dem harten Alltagsleben am Land, unter den kritischen Augen seiner Mutter und der Dorfbewohner gewachsen sein? Oder würde sie bald ausgelacht und verspottet werden und aufgeben. In Gedanken verglich er ihre Hände mit Marthas Hände. Wenn er an die abgearbeiteten vom Wind und Wetter rauen, von Schwielen übersäten Hände von Martha, von der schweren, dreckigen Arbeit, dachte, von denen alle Entbehrungen und Hoffnungslosigkeit auf ein besseres Leben abzulesen waren, wurde er ob seines Entschlusses unsicher.

      In diesem Moment konnte Karl seine Tränen und seine Trauer, gepaart mit dem Zweifel ob es nicht doch ein Abschied für immer war, nicht zurückhalten. Und so waren sie sich lange weinend und schluchzend in den Armen gelegen, unwissend, was das Schicksal für sie beide bereithalten würde. Lange sah er Irene an, um sich ihr Abbild zu verinnerlichen und unvergesslich zu machen. In ihren Augen sah er die Verzweiflung und Trostlosigkeit ob seines Wegganges. Und die nicht versiegen wollenden Tränen verbündeten sich mit dem unaufhörlich fallenden Schnee und deckten die Welt rund um sie platonisch mit einem weißen Totentuch zu.

      Aber schon im nächsten Moment wünschte er, er hätte Siebenmeilenstiefel, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, alles für Irenes Ankommen daheim einzurichten, um so schnell wie möglich wieder zu seiner Liebsten zurückzukommen.

      Als Karl aus Irenes Blickfeld verschwand, wusste sie sofort, dass ihr etwas fehlte, als hätte sie etwas Lebensnotwendiges verloren. Sogleich fühlte sie sich einsamer und verlassener als je zuvor.

      Heimkehr Südburgenland

      Karl war mit seinem Rucksack, Feldflasche, Menageschale, Gasmaske, einem Brotbeutel mit den Bildern von Martha und Irene in den überfüllten Zug in Richtung Heimat gestiegen, wo er nur auf dem offenen Güterwagen einen Platz fand. Er erhaschte einen letzten Blick auf das verweinte Gesicht von Irene und sah ihr weißes Taschentuch noch lange ihm nachwinken. Würde sie ihn gedanklich begleiten?

      Die Heimfahrt gestaltete sich gefährlich. Die Feindflieger bombardierten die Züge und beschossen sie mit Bordwaffen. Bei jedem Tieffliegeralarm musste Karl mit den anderen Fahrgästen schleunigst den Zug verlassen und um sein Leben laufen. Dann musste er aus seinem Versteck zusehen, wie der Zug beschossen wurde. Wenn er wieder im Zug war, krochen die Leute bei jedem Fliegergetöse unter die Bänke und wenn die Tiefflieger weg waren, kamen sie bald wieder zurück. Welches Gedränge beim Aussteigen aus dem Zug herrschte, denn jeder wollte der Erste sein.

      Als würde Irene ihn begleiten, war ihr Schatten auf seiner langen Reise immer neben ihm. Wie oft griffen seine Hände während seiner stundenlangen Fußmärsche in den Brotbeutel, um einen kurzen Anblick zu erhaschen und sorgsam steckte er es wieder zurück, um es ja nicht zu verlieren.

      Es gab keine durchgehende Bahnverbindung mehr und viele Schienen waren zerstört. Wie oft versteckte er sich, um nicht bestohlen zu werden. Meistens nächtigte er bei Bauern im Heu oder im Stall. Sie gaben ihm oft morgens Milch und Brot zu essen. Immer wieder musste er sich ducken und sich verstecken, wenn Bomber über ihn flogen. Er befragte auf seinen Fußmärschen unterwegs alle Personen, die er traf, auch andere Heimkehrer, die zur Anbauzeit heimkehren durften, ob sie etwas von seiner Heimat gehört hätten und wie weit entfernt die Front stand. Bei den Stationen des NSV labte er sich am Eintopf. Er war entsetzt, wenn er die durch Bomben zerstörten Städte sah.

      Je näher er seiner Heimat kam, desto mehr stieg Vorfreude auf, aber auch Angst, wie er seine Familie, sein Elternhaus und sein Dorf antreffen würde. Von seiner letzten Übernachtung bei einem Bauern im Stall hatte er sich einen großen, braunen Hasen mitgenommen. Diese große Rasse kannten sie zuhause nicht. Er wollte diesen zuhause mit seinen Hasen für die Zucht kreuzen.

      Als hätte der Herrgott selber für ihn das schönste Märzwetter für seine Heimkehr bestellt, war die Luft klar und die Sonne schien wärmend auf sein Gemüt. Nach etlichen gefahrvollen Tagen und Nächten der Heimkehr betrat er am 12.3.1945 den Hotter seines Heimatdorfes nach langer Zeit wieder. Jetzt in der Heimat, ließ er sein stilles Mitbringsel, den unter seinem Arm getragenen Hasen, aus Dankbarkeit für die gute Heimkehr vom heimatlichen Gras fressen.

      Wie oft hatte er sich in Todesangst seine Heimat vergegenwärtigt und nun war er, wie in einem Märchen, in eine andere Welt eingetreten.

      Wie sehr hätte Karl sich gewünscht, Irene stünde jetzt an seiner Seite und er könnte mit ihr dieses Glück teilen und sie an sich drücken. Aber als sein hungriger Magen knurrte, kam er in die Realität zurück. Wie vertraut ihm alles war. Sein Pulsschlag erhöhte sich und sein Herz hüpfte wie verrückt. Er atmete die gute Luft ein, machte dankbar das Kreuzzeichen und sprach leise ein kurzes Dankesgebet. Am liebsten hätte er sich niedergekniet und den heimatlichen Boden geküsst.

      Was für eine idyllische, seit urdenklichen Zeiten

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