Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger

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Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger

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die alltäglichen Arbeiten in der Landwirtschaft, das wirtschaftliche Fortkommen, das Anbauen und Gedeihen der Saat, der gefechsten (geernteten) Naturalien, die schlechte Wirtschaftslage, Armut und die große Arbeitslosigkeit dischkuriert (diskutiert).

      Karl erinnerte sich an seine Kindheit. Die Not hatte sich in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, ausgelöst durch den Börsencrash in New York, klammheimlich wie eine giftige Natter in jedes Haus geschlichen, sodass alle zum äußersten Sparen gezwungen waren. Durch die Weltwirtschaftskrise konnten die Bauern ihre Produkte infolge der mangelnden Kaufkraft nicht kostendeckend absetzen. Die Arbeitslosigkeit, Inflation und Verschuldung vieler Bauern verschärften die finanziellen Probleme. Die hohen Kreditzinsen führten viele Bauern in den Ruin. Auch die Eltern von Karl hatten Schulden.

      Durch den plötzlichen und unerwarteten Tod seines Vaters musste Karls Vater Viktor Ertl in jungen Jahren den Hof übernehmen und jedem seiner fünf minderjährigen Geschwister laut der gerichtlich angeordneten Schätzung der Landwirtschaft Erbteilsforderungen im Gegenwert von je sechs Kühen auszahlen. Den Betrag musste er teilweise beim Gericht hinterlegen und der ganze Betrag wurde im Grundbuch einverleibt, was ihm arge finanzielle Probleme bereitete und ihn in arge Zahlungsschwierigkeiten drängte. Die Zwangsversteigerung drohte.

      Die Landwirtschaft von Karls Eltern zählte, wie die meisten Landwirtschaften im Dorf, zu den kleinen Landwirtschaften mit vielen hungrigen Kindern. Diese kleinen Landwirtschaften konnten die kinderreichen Familien schlecht ernähren und die Mütter hatten viel Mühe, ihre zahlreichen Kinder satt zu bekommen. Im Haus wurde das Brot eingesperrt. Wie oft bekamen die Kinder Schimpfer, wenn sie unerlaubt, hungrig, das warme Brot, das sich noch mugelte (zu heiss war), anschnitten, noch dazu ohne wie es üblich war drei Kreuzzeichen vor dem Anschneiden auf den Laib Brot zu machen. Und wie oft mussten die Kinder zur Strafe auf spitzen Holzscheiten knien und beten.

      Deshalb gingen Karl und sein älterer Bruder Toni sowie alle anderen Kinder, angefangen im Alter von neun Jahren, in den Dienst zu größeren Bauern im gleichen Dorf oder in andere Dörfer, um sich selbst zu versorgen. Die Kinder gingen vom März bis Oktober die meiste Zeit bloßfüßert (barfuß). Im Dienst gingen sie in den dortigen Schulen nur sporadisch in die Schule, da sie vorwiegend arbeiten mussten bzw. in der kalten Jahreszeit keine Schuhe und warme Kleidung hatten, um in die Schule zu gehen.

      Bei den wenigen Besuchen zuhause beschwerten sich Karl und Toni über die schwere Arbeit, wenn sie voller Läuse und Flöhe von den Ställen ihrer Dienstgeber vom Dienst heimkamen. Aber ihr Vater erklärte nur, es würde ihnen nicht schaden, arbeiten zu lernen.

      Im nächsten Moment fiel Karls Blick auf den Kroatnwitschker (Messer), welcher Toni, seinem ältesten Bruder, gehörte. Wie oft hatten sie damit als Kinder aus Holz Spielzeug, Pfeile und Werkzeuge geschnitzt.

      Toni hatte den Kroatnwitschker hier das letzte Mal vor seinem Weggehen dafür verwendet, dass er für jede Butte voller Weintrauben bei der Weintraubenernte in einen abgeschälten Holzstab eine Kerbung eingeschnitten hatte als Kontrolle der besseren oder schlechteren Ernte gegenüber dem Vorjahr.

      Karl sah Toni förmlich vor sich, als er damals beim Abschluss der Weintraubenernte einen Juizer (Juchzer) ausstieß aus Freude für die gute Ernte, so wie er es nach jeder Ernte beim Leukauf (kleine Feier) tat.

      Und augenblicklich schweiften Karls Gedanken ab an seine glückliche Kindheit mit Toni, als wären die markanten Vorfälle gestern passiert und hätte dieser Raum für immer die Erlebnisse konserviert, während er sich kurz auf den knisternden Strohsack des Bettes legte. Er bemerkte bald, dass der Strohsack nicht mit Stroh, sondern mit getrockneten, zerkleinerten Kukuruzblättern gefüllt war.

      Mit Toni teilte Karl seit Kindesbeinen viele Geheimnisse, mit ihm rauchte er seine erste selbst gewuzelte (gedrehte) Zigarette aus Tabak vom eigenen Anbau, wobei sie den Tabak mit Kukuruzstroh streckten, da der Tabak allein scheußlich schmeckte. Das Gemisch von Tabak und Kukuruzstroh trug Toni immer griffbereit in einer getrockneten Saublatter (Blase des Schweines) um den Körper gebunden. Mit den Zeitungsblättern des Stürmers wuzelten (drehten) sie sich die Zigaretten selber.

      Jedes Mal bei der Weinlese half der Herr Lehrer Lorenz Schmid als Gegenleistung für den Sautanz und sonstige Naturalien. Schwitzend und keuchend trug er mit einer Butte die süßen Weintrauben in den Bergkeller, wo sie mit einem Trifler heruntergetrifelt (gerebelt) und die Maische in der Presse gepresst wurden. Karl erinnerte sich genau an jenen Tag der Weinlese, als er und Toni mit ihrem Vater Viktor Ertl und dem Herrn Lehrer Lorenz Schmid in den Dreißigerjahren hier an diesem Platz saßen und der Herr Lehrer nach einigen Gläsern sich Mut angetrunken hatte und seinen Vater als Bürgermeister um seinen ausständigen Lohn gebeten hatte. Die Dorfschule war Eigentum der Gemeinde und als Gemeindeschule musste die Gemeinde für das Gehalt des Lehrers und die Instandhaltung der Schule aufkommen.

      Als der Herr Lehrer inständig seinen ausständigen zweimonatigen Lohn von Viktor Ertl verlangte, erklärte ihm dieser bedauernd, die Gemeinde hätte nun für ihn kein Geld, denn zuerst müsse ein Saubär gekauft werden, dieser Ankauf sei wichtiger. Denn jeder Bauer müsse seine Schweine zum Belegen zum Saubären bringen. Im gleichen Moment bat er den Herrn Lehrer freundschaftlich, sich mit dem von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Lehrergrund, auf dem er sich Gemüse und das Futter für seine Schweine, Hühner, Hasen anbauen konnte, und mit dem Lehrerwald, wo er das Holz zum Heizen als Deputat (Teil seines Lohnes) bekam, sich zu gfretten (begnügen) und noch kurze Zeit über Wasser zu halten. Als Trost gab er dem Herrn Lehrer ein Stück Geselchtes und Speck mit.

      Wie beschämend es für den Herrn Lehrer war, als Toni höhnisch zu lachen anfing ob dieser Absage.

      Nie würde der Herr Lehrer das höhnische und beschämende Lachen von Toni Ertl vergessen. So sehr der Herr Lehrer Viktor Ertl schätzte, so sehr verachtete er seinen Sohn Toni Ertl. Schon als sein Schüler war Toni Ertl selbstbewusst, aufrührerisch, leicht zu beeinflussen, für jede Verlockung leicht zu haben und als Rädelsführer und Hitzkopf immer gerne im Mittelpunkt seiner Anhängerschaft gestanden. Für ihn war Toni überheblich, ein sich selbst überschätzendes Großmaul, dessen Noten und Intelligenz zu wünschen übrig ließen.

      Wie oft ärgerte sich der Herr Lehrer über die hitzigen, dickköpfigen Grünschnabel im Dorf und wie oft hatte er enttäuscht und niedergeschlagen den Kopf geschüttelt, wenn er am Sonntagnachmittag zusehen musste, wie sich die zwei rivalisierenden Gruppen, nämlich die Hahnenschwanzler mit ihrem Anführer Toni Ertl, und die Sturmscharler im Dorf etablierten und vormals friedlich nebeneinander lebende, fleißige Nachbarbuben nun durch Hetze von gegenseitigem Hass zerfressen sich bekämpften und der Terror und die Radikalisierung im Dorf zunahmen. Wie oft blickten ihn seine ehemaligen Schüler aus höhnischen Augen an, welche sich von ihm unterschätzt und minderwertig behandelt und schlecht benotet fühlten und ihm nun selbstherrlich vorführen wollten, was aus ihnen, trotz seiner ewig gestrigen Verwarnungen, geworden war. Wie oft hatte er ihnen gepredigt, sich nicht blenden und von plumpen Versprechungen verführen zu lassen, es sei nicht alles Gold was glänzt, und ihnen unermüdlich eingetrichtert, sich zu vertragen, sich nicht verhetzen zu lassen, aus der Geschichte zu lernen, ihre Zeit sinnvoll einzusetzen, sich nie wieder gegenseitig zu bekämpfen, da sie alle Österreicher seien.

      Resigniert musste er feststellen, dass seine Reden fruchtlos im Wind verhallten. Jeden Sonntagnachmittag marschierten die Hahnenschwanzler und die Sturmscharler singend, getrennt, die Hahnenschwanzler im Untertrum, die Sturmscharler im Obertrum des Dorfes, um sich auszuweichen, und hielten Paraden mit Musik und Fackelzügen ab. Dann kehrten sie meist im Gasthaus ein, wo sie nach einigem Alkoholgenuss sich verspotteten, rauften und blutig geschlagen heimkehrten.

      Als am 25. 7. 1934 die Nationalsozialisten einen Putsch in Österreich versuchten, waren auch Toni Ertl und die anderen Mitglieder der dörflichen Hahnenschwanzler dabei. Und als Toni Ertl mit den anderen dörflichen Hahnenschwanzlern,

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