Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen. Christine Feichtinger

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Vergängliche Licht und Schatten in den Uhudler Bergen - Christine Feichtinger

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mit dem vielen Kuh- und Pferdedung ging, sah er die ersten Primeln und Gänseblümchen blühen, und die mit Wintersaat begrünten Äcker.

      Als wäre er in eine andere Welt eingetreten, vernahm er das Muhen und Wiehern der Arbeitstiere, das Knarren der alten Äste der Bäume, die Holunderbüsche, aus deren Blüten die Frauen im Sommer Krapfn in Schmalz buken und er hörte lustiges Vogelgezwitscher, wie er es seit Kindesbeinen an liebte. Er sah die Hochstände der Jäger, Futterstellen für die Wildtiere und roch den Gestank eines verwesten Tieres.

      Eine krächzende Krähe erhob sich geräuschvoll über ihn und schreckte ihn auf, so als wollte sie ihn vertreiben, damit sie ungestört ihr Nest bauen konnte. Hier an diesem Platz, unter einer großen schattigen Eiche, im Moos, hatte er sich so oft mit Martha getroffen und so oft seine Liebe gestanden.

      Anschließend betrat er einen Wald, atmete die gute Luft ein. Er sah die Robinien, welche im Dorf immer fälschlich als Akazien bezeichnet wurden. Diesen Wald kannte er gut, hier hatte er sich sein erstes Zwischl (Astgabelung) von den Wiedl (Weiden) für seine erste Gummischleuder abgeschnitten. Er erinnerte sich, wie er als Schüler mit einem Amper (Kübel) mit dem Herrn Lehrer Lorenz Schmid und den anderen Schülern hierher in diesen Wald gehen musste, um für die Hühner des Herrn Lehrers die Maikäfer als Futter zu sammeln.

      Jedes Jahr schnitt sein Vater hier entweder im Frühling, wenn die Weiden im Saft standen und das Laub noch nicht ausgetrieben war, oder im Herbst, wenn die Blätter abgefallen waren, Weidenruten. Die zwei Meter langen Wiedl (Weidenruten) band er zu Bündeln, durch die er zwei Stangen steckte und so nach Hause beförderte. Während die im Frühjahr geschnittenen Ruten vor der Verarbeitung einige Tage ins Wasser gelegt wurden, damit sich die Rinde leichter lösen ließ, wurden die Weidenruten, welche im Herbst geschnitten wurden, gekocht, damit die Rinde abgeschält werden konnte. Dadurch verfärbten sie sich rotbraun. Aus den ungeschälten Wiedl fertigte sein Vater große Körbe mit Henkeln, Obst- und Blumenkörbe. Schwingen (runde bauchige Körbe) und Buckelkörbe mit Schulterriemen aus Leder fertigte er aus Haselnussruten an. Aus dem Besengstauri (Birkenzweigen) erzeugte er Besen.

      Von weitem sah er etliche Bäuerinnen, welche in den Eichenwäldern das Lawi (Laub) rechten, um es als Einstreu oberhalb des Strohs im Stall zu verwenden. Mit einem Buckelkorb brachten sie es auf den Krichtlwagen, welcher mit Brettern vermacht war. Die eingespannten Kühe waren zum Schutz vor der Kälte mit Koutzn (Decken) zugedeckt, sie grasten und warteten geduldig auf das Heimfahren. Mit Bitterkeit nahm er zur Kenntnis, dass jetzt großteils nur die Frauen die Landwirtschaft zu betreiben hatten, da die Männer entweder beim Stellungsbau am Südostwall, beim Volkssturm, an der Front verletzt oder vermisst bzw. gefallen waren. Als er näher kam, hörte er sie im gemeinsamen Chor auf ihren Feldern nebeneinander Marienlieder singen, welche wie Klagelieder an sein Ohr drangen.

      Karl atmete den frischen Geruch der umgeschnittenen Kiefer ein, wo etwas weiter entfernt eine Frau mit Kopftuch und Schnürschuhen, ein blaues Fiarta (Schürze) umgebunden, mit einem Roafmesser (Reifmesser) die Rinden des Meterholzes schälte.

      Auf einem weit entfernten Feld sah er zwei Bäuerinnen beim Tessn (eggen) der Knoarn (Erdschollen) mit ihren Kühen. Eine ging mit einer Goasl (Peitsche) vorne bei den Kühen, während die andere hinten neben der Arn (Egge) ging.

      Im selben Moment stellte sich Karl Irene vor, ob und wie sie diese schweren Arbeiten verrichten würde können. Würde Irene überhaupt jemals ihre Heimat und ihre gesicherte Stellung als Krankenschwester in Rosenheim aufgeben?

      Und würde sie ob dieser für sie schweren, schmutzigen Arbeit heimisch werden, sich wohlfühlen, ohne Heimweh? Konnte er ihr dies alles zumuten und aufzwingen, unerfahren wie sie war. Würde ihre Liebe dies aushalten und würde Irene diese ihm zuliebe aufgezwungenen Opfer aus Liebe zu ihm lebenslänglich geduldig und stillschweigend auf sich nehmen und konnte er das von ihr verlangen?

      Welche Folgen würde es für sie und ihre Ehe haben? Wenn sich Karl vorstellte, wie er womöglich zusehen müsste, wie Irene still vor sich hin litt und ihm jede Hilfe verwehrte, ihn als ihren Feind und Urheber ansah, der sie in dieses Dilemma hineingeritten hatte, sich woanders Hilfe und Trost suchte, er ihre Niedergeschlagenheit und Trostlosigkeit mitverfolgen musste, ohne helfen zu können, ihre stummen anklagenden Augen wie Waffen auf ihn gerichtet ertragen müsste, verfiel er in Unentschlossenheit.

      Würde er sich bald schuldig fühlen, wenn er ihren zunehmenden Kummer und ihr Heimweh beobachten müsste? Würde er dann seinen Entschluss, Irene geheiratet zu haben und nicht Martha, einmal bereuen?

      Sollte er trotz dieses Wissens Irene in seine Heimat locken und würde es eine gemeinsame Basis geben? Oder würde ihre Liebe wie Eisblumen am Fenster am harten Alltag seiner Heimat zerrinnen und ihr Glück zerschellen?

      Und plötzlich sah er eine tiefe Kluft, die sich zwischen Irene und ihm auftat. In diesem Moment kam ihm sein Ansinnen aussichtslos vor. Und trotzdem überkamen ihn gleichzeitig Schuldgefühle, als wäre er ein Verbrecher, dass er ihr eine gemeinsame Zukunft versprochen hatte, sie allein und schutzlos zurückgelassen hatte und nicht wusste, ob er sein Versprechen würde einhalten können. Im selben Moment kam ihm sein Vorhaben unsinnig und aussichtslos vor.

      Als Karl weiterging und kurz darauf auf der Anhöhe des Dorfes mitten in den Uhudler-Weingärten und Weinkellern der Bauern stand, sah er, dass die Weinreben im Begriff waren ihr Winterkleid abzustreifen und aus den uralten Reben wie schon seit ewigen Zeiten bald Augen (Knospen) für die jungen Reben hervortreten würden.

      Als wäre er in einem anderen Zeitalter heimgekommen, lag seine Heimat wie seit Generationen unverändert und unbeschadet vor ihm. Als gäbe es keinen Krieg auf der Welt.

      Wie jung und unerfahren er war, als er seine Heimat verlassen hatte und nun kam es ihm vor, als wäre er als ein alter, erfahrener Mann, der durch die schrecklichen Kriegserlebnisse dem Tod oft näher als dem Leben gewesen war, heimgekehrt.

      Er sah eine Reihe nebeneinander liegender Weinkeller, welche alle im gleichen Stil erbaut waren. Die Weinkeller waren aus Holz gezimmert, mit Lehm verschmiert und geweißt. Die meisten waren mit Schab (Stroh) eingedeckt, ohne Strom oder Fließwasser, bestehend aus zwei Räumen und zwei winzigen Fenstern, kleine Häuschen, die an die Häuser der Ureinwohner aus vergangener, längst entrückter Zeit erinnerten.

      Gleich hinter den Weinkellern befanden sich die dazugehörigen Weingärten.

      Hier auf diesen sonnigen Hügeln gediehen im Sommer die unveredelten Uhudler-Edelrebsorten wie Noah Grün, Othello Blau, Isabella, Ripotella. Dass der Uhudler-Wein blind machen würde, ignorierten die Weinbauern. Zum Schutz vor den Staren klingelten in allen Weingärten die an den Krahschreckern (Vogelscheuchen) befestigten Gegenstände im Wind. Schon als Kind musste Karl mitgehen und den Wand (Weingarten) mit der Haue mindestens viermal im Jahr hauen. Ebenso mussten die Weinreben mit Stroh gebunden und ausgebrockt werden. Wurden neue Setzlinge gesetzt, musste regalt (händisch tief umgestochen) werden.

      Diese Weinkeller dienten auch als Ausflugsziel sowohl für die Dorfbewohner als auch für Fremde und waren als eine Art von Zweitwohnsitz auch für das Auskurieren von Familienproblemen beim Uhudler-Wein beliebt und so mancher Jungbauer wünschte sich, seine verhassten Schwiegereltern für immer dorthin verbannen zu können. Die Weinbauern trafen sich mit ihren Spezln und anderen Weinbauern (Freunden) zum Dischpatieren (Diskutieren) über alltägliche Arbeiten, über die Saaten, Ernten usw. Dann verglichen sie ihre mitgebrachten Weine und erklärten, von welchen Trauben der Wein war, ohne das Geheimnis der eigenen Weinherstellung zu verraten.

      Mitgebracht wurden nur die besten Weine, während die Männer zuhause nur den minderwertigen Stinglwein (Heckenklescher) tranken, wofür die Trebern ein

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