Der Mann, der den Weihnachtsmann erschoss. Axel Birkmann

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Der Mann, der den Weihnachtsmann erschoss - Axel Birkmann

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Bild vergrößerte sich.

      »Wollen Sie einen speziellen Ausschnitt?«, fragte Melanie.

      »Ja bitte. Zeigen Sie mir das Stück Wiese neben dem Kopf des Mädchens.«

      Melanie vergrößerte den gewünschten Ausschnitt. Simon Werner trat nun einen Schritt zurück, um das Bild von weitem anzuschauen.

      »Das ist nicht Skandinavien. Das ist in Deutschland. Nur wo?«

      »Deutschland? Wie kommen Sie darauf?«

      »Diese Bäume. Das sind Schwarz-Pappeln, die sind am Häufigsten in den neuen Bundesländern speziell im Norden verbreitet. Die Schwarz-Pappel wächst als Flussbegleiter in den gemäßigten Klimabereichen weiter Teile Europas mit Ausnahme von Skandinavien. Und sie ist in größeren Beständen auch an den großen europäischen Flüssen wie Loire, Rhône, Po, Donau, Elbe, Rhein und Weichsel beheimatet. Da diese Bilder nicht aus Frankreich kommen, können Sie nur noch in Deutschland aufgenommen worden sein. Und zwar in der damaligen DDR. Vielleicht wurden sie in einem FKK-Club aufgenommen. Da gab es ja mehrere. Die FKK-Bewegung kommt zwar nicht direkt aus der DDR, fand aber dort ihre größte Anhängerschaft. Bis heute verteidigen die Ostdeutschen ihr Recht auf Nacktbadestrände.«

      »Bilder aus der DDR?«, fragte Melanie. »Ich komme aus der DDR. Aber haben sich denn die Frauen dort vor knapp 30 Jahren schon so frei fotografieren lassen?«

      »Das hat etwas mit der Geschichte des FKK in der DDR zu tun. Da müssten Sie sich eigentlich auskennen.«

      »Ich bin Mitte der Siebziger geboren. Als diese Aufnahmen gemacht wurden, da bin ich noch in den Kindergarten gegangen. Wir waren oft an der Ostsee im Urlaub. Stimmt und FKK war Programm.«

      »Anfangs der 50er-Jahre war es noch unüblich, sich hüllenlos am Strand zu zeigen. Es gab sogar ein offizielles Nacktbadeverbot der Volkspolizei«, erzählte Werner.

      »Davon hatte mir meine Mutter erzählt«, sagte Melanie. »Aber wir DDR-Bürger setzten uns durch. Nacktbaden wurde Privatsache und so widerstanden wir der Staatsmacht.«

      »Richtig. Es wurden von Jahr zu Jahr mehr, die FKK zu ihrer Urlaubsnormalität machten.«

      »Wir waren immer in Prerow, ein Zeltplatz in den Dünen, dort entwickelte sich ein kleines Paradies für Nacktbader aller Altersstufen.«

      »Ich kenne Prerow, Frau Schütz. Das ist im Darß. Zwischen Warnemünde und Stralsund.«

      »Stimmt. Wann waren sie da?«

      »Leider erst nach der Wende. Der öffentlichen Prüderie, die sich beispielsweise in der Reglementierung von Nacktfotos in Zeitschriften zeigte, stand der private ungezwungene Umgang mit der eigenen Nacktheit gegenüber. Ein berühmter DDR-Aktfotograf war zum Beispiel Klaus Ender.«

      »Klaus Ender?«

      »Ja, ich habe ihn leider erst nach der Wende kennenlernen dürfen. Er wohnt mit seiner Frau auf Rügen. Ein Meister der Aktfotografie. Einige dieser Bilder hier erinnern mich an seine Werke. Der Fotograf muss ihn gekannt haben, vor allem seine Bilder. Und er hat ihn teilweise kopiert.«

      »Wurden Klaus Enders Bilder denn schon zu DDR-Zeiten veröffentlicht?«, fragte Melanie.

      »Ja, ja!«, antwortete Werner. »Seine Aufnahmen für die DDR-Zeitschrift „Das Magazin“ machten Klaus Ender schließlich berühmt. Im Jahr 1975 organisierte Ender die von mehr als hunderttausend DDR-Bürgern besuchte Ausstellung „Akt & Landschaft“, die die Aktfotografie in der DDR salonfähig machte und ihm auch international Beachtung einbrachte. Für Jahrzehnte wurde sie zu einem Maßstab für künstlerische Aktfotografie. Seine Fotos wurden auf internationalen Ausstellungen gezeigt, doch er selbst litt sehr darunter, nicht ins westliche Ausland reisen zu dürfen. Das hatte er mir wenigstens bei meinem Besuch gesagt. Und er arrangierte sich mit der Stasi.«

      »Sie kennen sich gut aus. War Ender ein Spitzel?«

      »Nein, niemals. Klaus Ender war ein großes Vorbild für uns junge Fotografen. In seinen Bildern war auch niemals etwas Anstößiges oder Unzüchtiges. Und er hat nicht nur Frauen fotografiert, ab und zu mal auch Männer. Er verehrte die Frauen. Und er fotografierte sie meistens in der Natur, nackt und natürlich.«

      »Ich wusste gar nicht, dass DDR-Aktfotografie so bekannt war«, sagte Melanie überrascht.

      »Ja, ja das war sie«, klärte Werner sie auf. »In der BRD war das Schmutz. Ein nackter Busen konnte einen Skandal herbeirufen. Denken Sie an Hildegard Knef, den Film „Die Sünderin“. Dieser Film mit der damals noch blutjungen Hildegard Knef in der Hauptrolle war der erste Skandal der jungen Bundesrepublik. In einer Szene war sie für Sekunden splitterfasernackt in eine Hängematte drapiert zu sehen. Die Kirche witterte die Zersetzung der sittlichen Begriffe unseres christlichen Volkes. Ein zuvor bei Kritikern und Publikum eigentlich durchgefallener Film wurde doch noch zum Kassenschlager. Und nur wegen einem nackten Busen. Das ist doch absurd. Da waren Sie in der DDR wesentlich aufgeschlossener und sexuell weiter.«

      Alois hatte die ganze Zeit schweigend zugehört. Jetzt räusperte er sich und unterbrach die Geschichtsstunde in DDR-Fotografie.

      »Das ist ja alles äußerst interessant, aber zurück zu unserem Fall. Also wenn die Bilder auf dem Laptop in der ehemaligen DDR aufgenommen worden sind, und wir davon ausgehen können, dass der Ermordete sie selbst gemacht, dann muss er doch wohl oder übel vor der Wende in der DDR gewohnt haben? Oder sehe ich das falsch?«

      »Nein, das sehen Sie richtig. Können wir jetzt mal ins Bearbeitungsprogramm, in den Photoshop gehen, und uns die Mediadaten der Bilder anschauen? Bei den Kleinbildfilmen ist das nicht der Fall. Hier bin ich mir sicher, die Bilder stammen aus der DDR- Mecklenburg Vorpommern würde ich sagen, eine Gegend mit Schwarz-Pappeln. Ostsee passt leider nicht, denn es gibt keine Strände oder Wellen darauf zu sehen. Alle Bilder sind im Grünen aufgenommen worden. Und wenn man bei einigen Bildern ganz genau hinschaut, dann sehen Sie im Hintergrund weitere nackte Personen. Wie ich schon erwähnte, wahrscheinlich in einem FKK-Club.«

      Melanie öffnete den Photoshop und alle drei suchten auf dem Rechner nach Bildinformationen. Simon Werner machte sich auf einem Blatt Notizen. Nach einiger Zeit blickte er auf seine schriftlichen Ergüsse und sagte zu den beiden Beamten: »Das ist wirklich interessant. Alle Bilder sind in den Monaten Juni bis September aufgenommen worden. In jedem Jahr hatte der Fotograf nur zwei Modelle. Angefangen hat er im Jahr 1998. Aus diesem Jahr sind die ersten digitalen Aktfotos. Die letzten sind aus dem Jahr 2012. 2013 fehlt ganz. Warum? Hat er sich zur Ruhe gesetzt? Zwangspause, Knast oder etwas in der Art? Zu alt geworden, keine Modelle mehr bekommen? Und warum diese Pausen von 1980 bis 1990 und von 1991 bis 1998? Die digitale Fotografie wurde 1990 erfunden. Von Nikon.«

      »Aber sicher damals noch unbezahlbar«, sagte Alois.

      »Richtig. Auch für uns Westdeutsche.«

      »Hat er dann gewartet, bis die Preise sinken und er ausreichend Geld für eine gute Ausrüstung beisammen hat?«

      »Schwer zu sagen. Auf jeden Fall hat er einen sehr hohen Qualitätsanspruch, egal ob mit Kleinbild oder Digital. Seine Bilder sind scharf und gut ausgeleuchtet. Die Frauen kommen sehr gut rüber.«

      »Haben Sie vielleicht einige dieser Damen erkannt, vielleicht selbst schon mal vor der Linse gehabt?«, fragte Alois den Fotografen.

      »Nein, leider nicht. Da bin ich mir absolut sicher. Ich denke auch, dass das keine professionellen Aktmodelle

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