Der Mann, der den Weihnachtsmann erschoss. Axel Birkmann

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Der Mann, der den Weihnachtsmann erschoss - Axel Birkmann

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à la Coca Cola, mit Zipfelmütze aus den Supermarktregalen. Und seit der Coca Cola-Weihnachtsmann durch das Fernsehen spukte, wussten viele Kinder nicht mehr, wie er eigentlich aussah, der echte Nikolaus.

      Sein anfängliches Nikolauskostüm mit goldgewirktem Gehrock, dem Messgewand, einer Mitra und einem Bischofs-Stab hing schon seit Jahren im Schrank. Denn Nikolaus von Myra, ca. 270 nach Christus im Gebiet der heutigen Türkei nahe Antalya geboren, war ein Bischof der Frühkirche. Und als Sohn reicher Eltern habe er sein ganzes Vermögen an die Armen verschenkt, sagte die Überlieferung. Deswegen auch die Geschenke.

      Er schaute gebannt auf sein Spiegelbild. Sein jetziges rotes Kostüm hingegen war die aktuelle Arbeitskleidung des Weihnachtsmannes. Und so wollten sie ihn auch haben. Und so zeigte er sich auch dem Volk. Ein letzter Blick in den Spiegel. Er salutierte seinem Gegenüber, schnappte sich den Leinensack mit Orangen, Nüssen und Äpfeln, klemmte seinen Wanderstock mit Rute unter die Arme und machte sich auf den Weg zum Adventszauber, dem Weihnachtsmarkt auf dem Domberg, auf dem er in den nächsten Stunden alt und jung mit seinen Gaben aus dem Sack beschenken wollte.

      Schwer beladen und in sich tief versunken, machte er sich auf den Weg. Er hatte eine kleine Wohnung in der Kochbäckergasse in der Altstadt, brauchte also keinen Wagen nehmen und so stampfte er immer wieder mit einem tiefen »Ho! Ho! Ho!« die Steige zum Domberg hinauf.

      Er war so mit sich und seinem albernen »Ho! Ho! Ho!« beschäftigt, was er fast jedem Passanten begeistert entgegen schleuderte, dass er die Gestalt nicht bemerken konnte, die ihm in gehörigem Abstand durch die Altstadt folgte.

      Diese Gestalt hatte vor seinem Haus gewartet und war ihm dann gefolgt. Sie war in einen gefütterten Wintermantel mit Kapuze gehüllt und hatte diese tief ins Gesicht gezogen. Das Gesicht war somit nicht zu erkennen. Ihre Hände hatte sie in den Taschen des Mantels versteckt. Fünfzig Meter hinter ihm schlich sie ihm nach. Sie schmunzelte bei jedem seiner Ausrufe.

      Die Person, die ihn von ihm unbemerkt verfolgte, hatte kurz zuvor noch im Internet gelesen, dass Weihnachtsmänner, in australischen Kaufhäusern, künftig auf ihren traditionellen Ruf »Ho! Ho! Ho!« verzichten sollten. Die Mitarbeiter einer Weihnachtsmann-Firma seien angewiesen worden, stattdessen künftig »Ha! Ha! Ha!« zu rufen. Der althergebrachte Ruf könnte Kinder erschrecken. Was für einen Blödsinn, dachte sie nur.

      Doch davon hatte der rote Mann, der vor der Person keuchend die Stiegen hochlief, noch nichts gehört.

      »Wenn schon jemand darüber nachdachte, dass möglicherweise dieser kräftige Mann im roten Mantel mit weißem Bart furchteinflößend wirken könnte, dann glaube ich ganz sicher nicht, dass es die Psyche eines Kindes schädigte, wenn er „Ho! Ho! Ho!“ rief«, sagte der Verfolger leise zu sich. »Wobei dieser Weihnachtsmann bald überhaupt nichts mehr sagen wird«, fügte er zynisch hinzu. »Dann war es aus mit diesem dämlichen „Ho! Ho! Ho!“.«

      Der Verfolger lächelte diabolisch.

      Die letzten Stufen auf den Domberg hinauf fing er schließlich an zu singen, einen Song der Gruppe Wham: »Last Christmas, I gave you my heart, but the very next day, you gave it away. This year, to save me from tears, I'll give it to someone special.«

      Dieser Song war einer der am meisten gehörten Christmas Popsongs der Welt. Und er passte so zu dem heutigen Tag wie kein anderer.

      »Last Christmas«, wiederholte der Verfolger den Refrain. »Last Christmas I gave you my heart.«

      Wie wahr? Nur es würde umgekehrt sein. Du wirst mir dein Herz geben. Und das würde alles beenden. Die Person schmunzelte erneut bei dem Gedanken an das, was jetzt kommen würde.

      Der Weihnachtsmann mischte sich indessen mutig unter das illustre Völkchen auf dem Domberg, verteilte hier und da ein paar Hiebe mit der Rute, kramte aus seinem Sack, Äpfel, Nüsse und Orangen und verschenkte die Gaben an Kinder und auch an Erwachsene, wenn sie denn im letzten Jahr brav geblieben waren. Zwischendurch schäkerte er immer mal wieder mit jungen Mädchen, wie es der richtige Nikolaus wohl niemals getan hätte.

      Sein Verfolger ließ ihn nicht aus dem Augen. Und hielt immer genügend Abstand zum Vordermann. Erst, als der Weihnachtsmann nach einiger Zeit durch den Torbogen schritt, um sich in einer ruhigen Ecke zwischen Dom und Bibliothek zurückziehen zu können, um in Ruhe eine Zigarette zu rauchen, schritt er aus seiner Tarnung und lief direkt auf ihn zu.

      »Na mein lieber Weihnachtsmann«, sagte der Schatten zu dem Mann in Rot. »Erkennst du mich? Kannst du dich an mich erinnern?«

      Der Weihnachtsmann nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarette und schaute die Person fragend an.

      »Dann will ich dir helfen, lieber Weihnachtsmann«, sprach die Person und nahm die Kapuze vom Kopf.

      Ein helles Gesicht kam zum Vorschein, dass durch die vielen Lampen und Kerzen vom Adventsmarkt umso mehr erstrahlt wurde. Der Weihnachtsmann erschrak. Das konnte doch nicht sein.

      Er kannte diese Person. Schon ein paar Jahre. Sie hier? Vor allem, was wollte diese Person von ihm? Ja, er kannte sie wirklich. Er hatte ihr doch nichts getan. Die Person kam näher und holte ihre Hände aus den Taschen ihres Mantels. In der rechten Hand hielt sie eine kleine Pistole in der Hand und richtete sie auf seine rechte Brusthälfte. Dem Weihnachtsmann hatte es die Sprache vollkommen verschlagen. Er sah die Waffe auf sich gerichtet, dabei fiel ihm die Zigarette aus dem Mund. Er hätte noch um Hilfe rufen können. Doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Seine Stimme stumm.

      Die Person drückte den Lauf der Waffe fest auf seine Brust. Sie beugte sich vor und flüsterte dem Mann etwas ins Ohr. Der Weihnachtsmann wollte partout nicht glauben, was er da hörte. Das war doch alles so lange her. Doch diese Person meinte es Ernst. Der Lauf der Waffe war auf sein Herz gerichtet und sie würde von der Schusswaffe Gebrauch machen, das war sicher. Er wollte erneut schreien, doch es klappte nicht.

      Außerdem wäre sein Schreien im Lärm des Marktes untergegangen. Zumal auf einer kleinen Bühne nur ein paar wenige Meter entfernt von ihnen, eine Gruppe Musiker angefangen hatte, Weihnachtslieder zu spielen. Wie unter einer Vorsehung spielten sie den bekannten Popsong von George Michael: Last Christmas. Als der Schlagzeuger den Takt vorgab und der Sänger mit weicher Stimme den swingenden Song begann, drückte die Person dem Weihnachtsmann die Pistole noch fester auf die Brust und drückte ab. Der Knall ging im allgemeinen Lärm völlig unter.

      Mit weit aufgerissenen Augen starrte der Getroffene den Schützen an und auf den Fleck auf seiner Brust, der sich auf seinem weißen Hemd ausbreitete und es rot werden ließ. Dann brachen sich seine Augen und er fiel nach hinten gegen die Wand der Bibliothek. Er rutschte hinab und fiel vornüber. Er blieb auf den kalten Pflastersteinen liegen.

      Der Schütze steckte die Pistole zurück in die Tasche, warf einen letzten Blick auf den Toten, dann drehte er auf dem Absatz um und mischte sich wieder unter die Besucher. Der ganze Vorgang hatte nur ein paar Sekunden gebraucht. Niemand hatte etwas mitbekommen. Der Mörder war genauso schnell wie er gekommen war gleich wieder untergetaucht.

      Der Weihnachtsmann lag auf den Pflastersteinen des Domberges, ein feines Rinnsal aus warmem Blut hatte sich gebildet und floss langsam vom Toten weg.

      Es dauerte eine ganze Weile, bis eine Besucherin den Leichnam fand. Aufgeregt rannte sie zurück und rief laut nach einem Arzt.

      »So helft doch«, schrie sie die Besucher an. »Der Weihnachtsmann liegt da hinten auf dem Boden, er blutet, er braucht dringend Hilfe. Ist denn hier kein Arzt?«

      Alois stand mit Melanie an einem der Stände. Sie hatten mittlerweile ihren dritten Glühwein in der Hand und von dem Vorfall in der Seitengasse

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