Sucht Ho Ki Su. Hans Gerd Scholz

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Sucht Ho Ki Su - Hans Gerd Scholz

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würde. Die Hölle des Lagers würde ihn ermatten, zerstören. Vernichten durch Arbeit.

      An eine noch so kurze Pause war nicht zu denken. Er wusste, was passieren würde, sollten ihn die Aufseher erwischen bei dem geringsten Versuch, zu verschnaufen. Nein, er wollte keine Prügel mit dem dicken Stock aus dem harten Holz des Bergahorns. Das kannte er schon. Er kannte die mörderischen Schmerzen der aufplatzenden Haut, der Knochen, die noch nach Wochen zu spüren waren. Eine angeknackte Rippe schmerzte noch immer so stark, dass er sich nachts nicht bewegen, seine Lage auf der harten Pritsche nicht verändern konnte, und dass es ihm kaum noch möglich war, längere Zeit auf der gleichen Seite zu liegen. Er war kein Held, das wusste er. Er wollte leben, so lange wie möglich überleben. Nicht auffallen, bloß nicht auffallen und sich dem Unmut der Wächter aussetzen.

      Das war erst vor einer Woche passiert. Tau Wang, der größte, stärkste, brutalste und gefürchtetste unter den Gefangenen war am Abend in der Baracke auf ihn zugekommen. Schon lange hatte er ihm finstere Blicke zugeworfen. Ho Ki Su glaubte auf Grund der äußeren Erscheinung des Mannes nicht daran, einen politischen gefangenen vor sich zu haben. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Kriminellen.

      „Mach dich aus dem Weg“, raunzte er Ki Su an, als er ihm auf dem Mittelgang begegnete.

      Schweigend trat dieser einen Schritt zur Seite.

      „Weißt du, wer ich bin?!“

      Der Ton war drohend. Er sollte dem Neuen klar machen, dass der sich an die Hierarchie unter den Gefangenen zu halten hatte. Und die besagte, dass Tau Wang ganz oben stand. Ho Ki Su war klar, was jetzt folgen würde. Entweder, er gab klein bei und ordnete sich unter. Dann war ein Kampf zu vermeiden. Das würde jedoch bedeuten, dass er für immer verloren hätte. Und dem Willen und den Launen dieses Kerls, der ihn um mehr als einen Kopf überragte, ausgeliefert war.

      Er hatte gehört, dass er einem Teil der Männer sexuelle Avancen gemacht habe und einige dazu gezwungen, ihm zu Willen zu sein. Das würde Ho Ki Su keinesfalls akzeptieren. Ihm schauderte bei dem Gedanken, unter der Dusche die Seife aufheben zu müssen.

      Also musste er sich dem Kampf stellen.

      „Ein Schwachkopf mit dicken Muskeln, habe ich gehört!“

      Sofort sprang ihn der Kerl an. Ki Su gelang es, mit einer Körpertäuschung auszuweichen. Er nutzte den Schwung des Angreifers, machte sich klein, drehte sich blitzschnell, schob seinen rechten Arm unter die Achsel und schleuderte seinen Gegner über die Schulter.

      Alle Männer im Saal, die gespannt die Auseinandersetzung verfolgten, grölten laut. Das hatten sie diesem widerlichen Arschloch schon lange gewünscht. Dass jemand kam, der ihm seine Grenzen aufzeigte.

      Ho Ki Su stürzte sich auf den benommenen Gegner und schlang seinen linken Ellbogen um dessen Hals, so dass die Beuge um dessen Kehlkopf lag. Er verschränkte seinen rechten Arm um den linken und drückte zu. Unbarmherzig würgte er Tau Wang, bis er kaum noch Lebenszeichen von sich gab. Dann lockerte er den griff, ließ den Mann los und erhob sich.

      Durch seine Judotechnik, die er schon als kleiner Junge gelernt hatte und später während seiner Militärzeit vervollkommnete, gelang es ihm, den Mann außer Gefecht zu setzen, ohne bei ihm bleibende Schäden zu hinterlassen.

      Der Kerl hatte auch seine Lektion gelernt und würde nie wieder versuchen, ihn blöd anzumachen.

      Als die Wächter hereinstürmten und sich auf ihn stürzten, ließ er es willenlos mit sich geschehen. Sie wollten wissen, was los gewesen war. Alle Männer in der Baracke erklärten, dass Tau Wang Streit gesucht habe. Daraufhin ließen sie Ho Ki Su los.

      „Das nächste Mal, wenn du Ärger machst, geht es nicht so glimpflich ab“, verwarnten sie ihn. Ho Ki Su wusste, dass er diesen Männern hilflos ausgeliefert war.

      Die hatten alle Freiheiten im Umgang mit den Lagerinsassen. Sie durften quälen, foltern, töten, ganz nach Belieben und ohne jeden Grund. Die politische Führung hatte sie sogar ausdrücklich dazu ermuntert.

      „Macht von euren Rechten, euren Möglichkeiten Gebrauch. Diese Verbrecher haben nichts anderes verdient. Um keinen von ihnen ist es schade. Sie haben sich gegen unseren geliebten Hon Kai Cheng gestellt. Haben Kritik geübt“. Und Kritik üben war das schlimmste, was einem vorgeworfen werden konnte. Nichts vertrug das Regime Nordkoreas weniger als Kritik am geliebten Hon Kai Cheng Kim Jong Il, dem Gottgleichen. Ihm waren sie ergeben, linientreu bis auf Blut. Für ihn würden sie quälen, töten und morden.

      „ Der Schutz der revolutionären Führung um jeden Preis ist der höchste Patriotismus und die erste Priorität unseres Militärs und des Volkes“ lautete die Losung. Und die galt für jeden.

      Er hatte die Schreie seiner Mithäftlinge aus den Isolationszellen gehört. Hatte ihr Flehen , Betteln, das Wimmern nach ihren Müttern noch im Ohr, wenn sie, mit einem Stock zwischen Unterschenkeln und Gesäß, Stunde um Stunde verbringen mussten. Wenn sie an den Füßen aufgehängt wie Schlachtvieh von der Decke baumelten. Wenn ihnen dabei das Blut ins Gehirn schoss und sie vor Schmerzen in Ohnmacht vielen. Nein, nur das nicht. Und so schuftete er weiter, biss die Zähne zusammen und schlug die Hacke in den gefrorenen Fels.

      Er wollte leben. Wenigstens noch eine Weile. Nein, nicht leben. Vegetieren. Vegetieren von der dünnen Brühe aus Salzwasser, vermischt mit etwas Mais und Sojabohnen. Irgendwann würde es zu Ende gehen, soviel stand für ihn fest. Noch nie hatte jemand solch ein Lager länger als zehn Jahre überlebt. Seit drei Monaten war er hier inhaftiert, noch nicht lange also. Noch hatte sein Körper Kraft, noch brach er nicht zusammen unter den unmenschlichen Lagerbedingungen.

      Ein Gedanke beherrschte ihn. Gab ihm Kraft, wenn er völlig am Boden zerstört war. Er besaß etwas, das man ihm nicht rauben konnte. Geheimes Wissen, von dessen Existenz niemand etwas ahnte. Denn hätten sie es geahnt, wäre er längst nicht mehr am Leben.

      Er kannte die Koordinaten der Raketenstützpunkte der Atomwaffen. Würden sie in die Hände des Gegners gelangen, wäre es vorbei. Vorbei mit der Waffe, die allein das Regime schützte. Und der es das Überleben bis in die Gegenwart verdankte.

      Er hatte sich Grad, Minute und Sekundenbruchteile der einzelnen Bunker, der Stellungen der Raketen eingeprägt. Immer und immer wieder hatte er sie vor sich her gesagt, bis sie unauslöschlich in seinem Gehirn verankert waren. Wie Vokabeln einer Fremdsprache. Wie Erinnerungen an die früheste Jugend, an den ersten Kuss und den ersten Sex.

      Und er würde alles tun, um sie nie, nie zu vergessen. Denn sollte er dieses Lager verlassen, sollte ihm die Flucht in die Freiheit gelingen, waren sie von unschätzbarem Wert. Dann lag es in seiner Macht, dieses Regime zu stürzen. Und die Welt von der Bedrohung eines erneuten Holocausts zu befreien.

      Doch dieses Traumbild zerbrach an der Realität des Lagers. Aus dem es kein Entweichen gab. Das ihn fest umschloss. Eine eiserne Faust, die er wohl nie abschütteln könnte. Aber er würde es versuchen. Das war er sich schuldig. Wenigstens versuchen, um seiner selbst, seiner Frau seiner Kinder wegen. Und vielleicht wegen dem Rest der Menschheit.

      Doch selbst dieses Lager schien nicht das Maximum an Grausamkeit hervorzubringen, das in anderen Lagern wohl möglich war. Es sollte schlimmere geben. Weit schlimmere. Man munkelte von Gaskammern und Menschenversuchen.

      Viel mehr jedoch als sein geschundener Körper schmerzte die Seele. Er hatte Angst. Um sich, mehr jedoch um Ni Hai, seine Frau. Auch sie hatte man ins

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