Sucht Ho Ki Su. Hans Gerd Scholz

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Sucht Ho Ki Su - Hans Gerd Scholz

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Immer und immer wieder, stunden, tagelang konnten sie sich von dieser Welt nicht losreißen. Als wären sie heroinabhängig. Bilder, die sonst nur dieser Stoff hervorzauberte, flimmerten über den Monitor.

      Lange hatte Sun Kim mit sich gerungen, ob er Ki Su damit konfrontieren sollte. Konnte er es wagen, konnte er ihm vertrauen? Was, wenn sein Freund ihn verriet? Aber es ging nicht anders. Wenn er schwieg, würde er ersticken. Ersticken an all dem, was er nun wusste, was er gesehen, aber nicht verarbeitet hatte. Er brauchte seinen Freund. Als Mitwisser, als Gesprächspartner, als Teilhaber an diesen völlig verrückten Visionen.

      „Dieser Scheiß ist die Welt. Ist die Wahrheit. Die Wirklichkeit. Das Leben. Wir leben eingesperrt in einem dunklen Stall, der nie einen Lichtstrahl gesehen hat. Ohne Licht und ohne jede Erkenntnis. Wir werden systematisch betrogen und verblödet. Alles um uns herum ist völlig anders. So anders, dass wie wir es nie für möglich halten würden. Man hindert uns daran, wie Menschen zu leben“. Seine Stimme klang bitter, so bitter, wie Sun Kim noch nie geklungen hatte. Ki Su schwieg. Schwieg lange. „Ich will mehr sehen“, äußerte er gepresst. Und so flimmerten immer neue, immer fremdere, erschreckendere bestürzendere Bilder über die Mattscheibe.

      Neben all den Pages, die Informationen enthielten, gab es natürlich auch jene, die für die Männer dieser welt gemacht haben und die kostenlos zu besichtigen waren. Ki Su fühlte sich zeitweise in einen Schlachterladen versetzt bei all dem nackten Fleisch, das über den Bildschirm flimmerte. Nie hätte er geglaubt, dass derart widerliche Filme gedreht würden. Zumindest dies war in Nordkorea unmöglich.

      Die Bilder erregten ihn im Gegensatz zu Sun Kim nicht. Diesen teil des Internets würde er nicht akzeptieren. Doch offensichtlich gehörte er dazu. Man konnte sich nicht nur für die eine Seite der Medaille entscheiden. Doch offensichtlich konnte man auswählen.

      Schließlich schaltete Sun Kim den Computer aus.

      „So kann ich nicht mehr weiterleben. Nicht, nach dem ich dies alles gesehen habe. Nicht in diesem Land. Mir ist der Boden unter den Füßen weggezogen“, meinte Hai Sun Kim schließlich.

      Auch für Ki Su drehte sich alles im Kopf. Dieses Neue hatte Konsequenzen. Das wusste er. Nur nicht, welche genau.

      Das Land zu verlassen war unmöglich. Nie würde er es schaffen, die chinesische Grenze im Norden zu überwinden. Selbst wenn diese so durchlässig war wie noch nie. Ganze Heerscharen von Schmugglern passierten sie täglich. Brachten all die Güter ins Land, die sich der Staat auf offiziellem Weg nicht leisten konnte. Man duldete diesen kleinen Grenzverkehr stillschweigend weil er half, die schlimmste Not zu lindern.

      Aber er stand unter Beobachtung. Er war Geheimnisträger. Seine Kenntnisse über die Standorte der Atomraketen machten ihn zu einem Sicherheitsrisiko. Man würde alles tun, um zu verhindern, dass dieses Wissen in die falschen Hände gelangte.

      Da war auch noch seine Familie. Er würde sie zurücklassen müssen. Nicht nur das. Sie würden alle auf das schwerste bestraft werden. Die Frau mit Lagerhaft, die Kinder mit Pflegefamilien.

      Nein, Flucht war unmöglich. Dies konnte er niemals verantworten. Aber er konnte auch nicht mehr leben wie bisher.

      ********

      „Gibt es irgend etwas, was wir tun können“?, fragte Ho Ki Su.

      „An was denkst du?“, wollte Sun Kim wissen.

      Sollten sie weitere Kameraden ins Vertrauen ziehen, ihnen die Wirklichkeit, das Leben draußen, zeigen? Wenn ja, wohin könnte das führen? Letztendlich, sollten sich genügend gleichgesinnte Soldaten finden, zu einem Staatsstreich? Ki Su fröstelte. Dieser Gedanke allein war ein Verbrechen.

      Ein Verbrechen war ja bereits die Entdeckung des Internets. Sollte irgendjemand davon Wind bekommen, würden sie im Straflager landen, ganz gleich ob Elitesoldat oder nicht. Da machte er sich nichts vor. Also beschlossen sie, das Geheimnis für sich zu behalten. Die Gefahr einer Entdeckung war einfach zu groß.

      Und so gingen sie jeden Morgen wieder zum Dienst. Beugten sich über die Landkarten, über Abschusspläne der Raketen, über die Möglichkeit, sie in einem Konflikt mit dem Süden, den Amerikanern oder Japanern einzusetzen.

      Doch alles war plötzlich anders. Beide hatten ihr Lächeln verloren, zeigten versteinerte Mienen. Gut, dies konnte bei jungen Männern, die auf einem Zimmer lagen während der gesamten Woche, schon einmal vorkommen. Streit gab es überall. Sicher hatte es nichts zu bedeuten. Glaubten die Kameraden alle. Fast alle.

      Doch da war der kleine hässliche Dai Wan Chu, den alle das Wiesel nannten. Er traute der Sache nicht. Ob da irgend etwas dahintersteckte? Scharf beobachtete er alles, was die beiden taten.

      Gerade fauchte der Gruppenkommandeur Kim Sun an, dass er sich besser konzentrieren solle. Er hatte auf die Frage seines Gegenübers nicht reagiert, schien weit entrückt, gar nicht anwesend. Auch Ki Su redete zusammenhangloses Zeug. War ebenfalls nicht bei der Sache.

      In den Räumen hingen, wie in den Fluren fast aller Gebäude, bunte Warnplakate. Die Farbe Rot überwog. Und auch der Text, dass man auf der Hut sein müsse vor Verrätern, Abweichlern, Andersdenkenden. Kritikern des Systems, des Großen Hon Kai Chengs. Dass nichts so gefährlich wäre, wie dieser Personenkreis, von dem immer wieder der eine oder andere aufflog und im Straflager landete.

      Aber für die Aufmerksamen, die Denunzianten, wurden im Erfolgsfall tolle Belohnungen in Aussicht gestellt. Eine rasche Beförderung zum Beispiel. Oder zumindest zusätzliche Essensrationen.

      Dai Wan machte sich keine Gedanken darüber, ob er sich richtig verhielt oder nicht. Er wusste, dass er so handeln musste. Nicht wegen der Belohnung, die war nebensächlich. Er wollte den großen Hon Kai Cheng schützen mit allem, was ihm zur Verfügung stand. Verbrecher dieser Art mussten ausgemerzt werden, hatten keine Lebensberechtigung mehr. Der Schutz des Landes, ihres Paradieses zählte. Sonst nichts.

      Also beobachtete er weiter. Immer wieder warfen sich die beiden vielsagende Blicke zu. Hätten sie Streit, wie er zunächst glaubte, würden sie sich eher ignorieren. Zwar konnte er keine verdächtige Äußerung erhaschen, doch sein Gefühl verstärkte sich mehr und mehr.

      Wenn er sich täuschte, würde das Zimmer der beiden zwar durchsucht, sie einer intensiven Befragung, vielleicht mit ein paar Stockschlägen zur Aufmunterung unterzogen werden, aber sonst würde ihnen wohl nicht viel passieren. Er war sich auch sicher, dass sein Name bei einer Denunziation nicht genannt würde. Was hatte er also zu verlieren?

      Im Verlauf des Abendessens, das wohl wie meistens aus einer dünnen Graupensuppe, in der ein paar sehnige Fleischbröckchen schwammen und hartem trockenen Brot bestehen würde, wollte er zum Telefon schleichen, welches, für alle zugänglich, in der Eingangshalle des Kasernengebäudes stand.

      Zu seinem Sitznachbarn gewandt, entschuldigte er sich für sein plötzliches Aufstehen. Er müsse kurz zur Toilette. Das kam öfter vor. Die Mahlzeiten waren durchaus geeignet, dass einem schlecht werden konnte.

      Er schlich in das dunkle Kabiff, in dem es nach abgestandener Luft und dem sauren Schweiß des Diensthabenden roch, der jetzt aber am Tisch saß. Schnell wählte er die bekannte Nummer, die Nummer auf den Plakaten. Man fragte ihn barsch, was er wolle. Zögernd und mit zitternder Stimme nannte er die Namen Hai Sun Kim und Oh Ki Su. „Na und“, raunzte es am anderen Ende der Leitung. „Sie benehmen sich seltsam. Wirken geistesabwesend, die haben irgendetwas. Da müsste mal nachgeschaut werden“! „So, so, was genaueres hast du nicht?“, antwortete sein Gesprächspartner

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