Sucht Ho Ki Su. Hans Gerd Scholz

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Sucht Ho Ki Su - Hans Gerd Scholz

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gegenüber.

      Es hatte schon im Jahr 2002 einen Mobilfunkbetreiber gegeben. Doch achtzehn Monate später war die Firma bereits verboten worden. Die Regierung fürchtete, dass unliebsame Informationen ins Land gelangen könnten. Oder, noch schlimmer, Informationen das Land verlassen könnten. Am meisten aber fürchtete sie sich davor, dass Oppositionelle geheime Verabredungen treffen könnten. Doch das galt für die normale Bevölkerung. Militär und Polizei konnten die Geräte selbstverständlich uneingeschränkt nutzen.

      Natürlich würde man jetzt, nach seiner Flucht, die Grenzüberwachung drastisch verschärfen. Doch je länger er unentdeckt blieb, desto mehr erhöhten sich seine Chancen. Das gleiche galt für die Himmelsrichtung. Je weiter er nach Westen gelangte, desto weniger würde gesucht werden. Im Westen würde mit jedem Kilometer der Weg durch China nach Japan, dem einzig logischen Ziel, länger. Und China war gefährlich. Je länger er in China blieb, desto größer war die Chance, aufzufliegen.

      Zuvor musste er noch fast das komplette Land durchqueren. Wie sollte er das anstellen? Sie würden ihn bald haben, falls er den Wagen benutzen sollte. Den Hubschraubern, die die wenigen Straßenverbindungen und Feldwege absuchen würden, konnte er nicht entgehen. Woher bekam er Benzin? Schon jetzt zeigte die Treibstoffuhr, dass der linke der beiden 40 Liter Treibstoff fassenden Tanks fast leer war. Er schaltete auf den rechten. Dieser war noch gut gefüllt. Gott sei Dank.

      Der Kommandant hatte immer wieder einige Häftlinge dem Militär ausgeliehen, wo sie für private Zwecke der Offiziere eingesetzt wurden. Er selbst war einmal beim Ausschachten der Fundamente eines Privathauses im Einsatz gewesen. Bezahlt wurde diese Gefangenenvermietung in Naturalien wie Lebensmitteln oder Treibstoff.

      Diese Möglichkeiten hatte er nicht. Wenn der Tank leer wurde, war das Auto wertlos. Jetzt aber konnte es dazu dienen, eine falsche Spur zu legen. Er wollte in die Küstenebene zur Bahnstrecke. Dorthin, wo das Magnesiumerz, das auch er gefördert hatte, auf die Eisenbahn umgeschlagen wurde.

      Nach zwei Stunden Fahrt über die halsbrecherische Piste durchs schroffe Inlandsgebirge erreicht er die Kleinstadt Kanji-Dong. Sie war der Ausgangspunkt der Zugstrecke zur 80 km entfernten

      Hauptverbindungslinie in den Norden und Süden entlang der Ostküste. Hier befand sich das Erzterminal, wo das Gestein von den LKW auf die Bahn umgeschlagen wurde.

      Doch vorher musste er den Geländewagen verschwinden lassen. Er fuhr bis zum Damm, dort wo der Fluss durchs Tal zur Stromgewinnung aufgestaut wurde. Kurz vorher, außer Sichtweite des Wachpersonals, hielt er oberhalb der steilen Uferböschung den Wagen an. Er stieg aus, kam mit einem dicken Felsbrocken zum Wagen zurück, der im Leerlauf schnurrte. Bevor er den Jeep das Ufer hinab stürzen wollte, musste er ihn auf verwertbare Gegenstände absuchen. Sehr viel fand er nicht. In den beiden Klappen, der Fortsetzung der hinteren Kotflügel im Inneren des Fahrzeugs, fand er etwas Bindedraht. Außerdem, und dies war ungleich wertvoller, eine Ein-Mann-Zeltbahn. Sie stellte in fast allen Armeen einen festen Bestandteil der Ausrüstung dar. Knüpfte man sie zusammen mit der Bahn eines Kameraden, wurde ein Zelt daraus. Aber auch allein war sie nicht nur als als Wetterschutz für die Nacht verwendbar, sondern man konnte sie tagsüber auch als Poncho gegen Wind und Regen beim Marschieren tragen.

      Als er die Gegenstände auf den Straßenrand geworfen hatte, beugte er sich mit der rechten Körperseite in das Fahrzeug, legte den ersten Gang ein und hielt die Kupplung mit dem rechten Fuß getreten. Den Felsbrocken legte er auf das Gaspedal. Nun heulte der Motor auf. Er zog sein Bein zurück und rollte sich auf die Straße. Der schwere Wagen überwand problemlos die fehlenden Meter bis zur Uferböschung und plumpste ins Wasser. Sehr bald darauf verstarb der Motor. Dicke Luftblasen begleiteten den Weg des Jeeps in die Tiefe.

      Ki Su zog sich wieder den Mantel an, den er vor der Versenkung auf einen Stein am Straßenrand gelegt hatte, damit er sauber bleiben sollte. Er schlang sich den Beutel mit den Lebensmitteln um die Schulter. Dann machte er sich auf, um zu Fuß die restlichen sechs Kilometer bis zur Bahnlinie zurückzulegen. Dort hoffte er, einen Fahrer der LKW-Kipper zu finden, der ihn zurück in Richtung der Erzmine und des Lagers mitnehmen würde. Er war sicher, dass jetzt noch niemand von seinem Ausbruch wusste.

      ********

      Ja, er musste zurück. In unmittelbarer Nähe des Lagers würde ihn niemand vermuten. Dies war der einzige Platz im Land, in dem er nicht gesucht würde. So tolldreist es war, so logisch war es auch. Wer sollte auf die Idee kommen, dass er zurückkehren würde?

      Er musste einen LkW-Fahrer finden, der keine Fragen stellte. Der mit dem halben Wochenlohn, mit dem er ihn bestechen wollte, zufrieden sein würde. Der hoffentlich intelligent genug war, auf keinen Fall ein Wörtchen zu dem Sicherheitspersonal, schon gar nicht der Geheimpolizei gegenüber, zu verlieren. Denn dann müsste er nicht nur das Geld abgeben, sondern möglicherweise auch den Kopf.

      Nach Kanji-Dong würde er noch zwei Stunden unterwegs sein. Er konnte sich Zeit lassen. Die Straße war leer. Kein Kraftfahrzeug, kein sonstiges Fuhrwerk oder irgendwelche Menschen waren unterwegs. In den frühen Morgenstunden würde sich das ändern. Kleinbauern, die es trotz der Landreform noch hier und da gab, würden ihre Waren, zumeist Obst und Gemüse, vielleicht sogar etwas Fleisch, in die Stadt bringen und sie verkaufen. Arbeiter aus den kleinen Dörfern der Umgebung würden sich zu Fuß oder auf dem Fahrrad zu ihren Arbeitsstellen in der Stadt aufmachen. Dann musste er bereits in einem LKW Richtung Nordwesten unterwegs sein. Auf der Straße, auf der er gerade gekommen war.

      Denn dann war mit intensiven, strengen Polizeikontrollen zu rechen. Bald würde sein Konterfei auf riesigen Plakaten von den Wänden herunter schauen. Er war nun der Staatsfeind Nummer eins. Auf seinen Kopf würde eine Belohnung ausgesetzt werden.

      Er erreichte das Bahnhofsgebäude und verzog sich in den hintersten Winkel des kalten, ungeheizten

      Warteraums. Noch war er der einzige Besucher in dem ungemütlichen, von einer trüben, nackten Glühbirne erhellten Raum. Der Tisch, aus rohem, verkratztem Holz war überzogen vom Schmutz der letzten Gäste. Sonnenblumenkerne, Papier und Nussschalen konnte er identifizieren. In Nordkorea wie auch im ganzen Chinesischen Reich war es üblich, alles Unverdauliche im Essen einfach auf den Boden zu spucken. Manchmal gab es Spuckschalen in den einfachen Gaststätten jedoch meist nicht.

      Mit dem Ärmel schob er den Müll vom Tisch zu dem, der bereits den Boden bedeckte. Er öffnete die Tragetasche und sah nach, was sie enthielt. Wie vom Kommandanten angegeben, fand er Lebensmittel. Zwei große Brote, ein Stück Schinkenspeck von einem halben Kilo, dazu etwas bröckeligen Kuchen und eine kleine Flasche mit Wodka. Das war mehr, als er zu hoffen gewagt hatte.

      Wann hatte er so etwas zum letzten mal gesehen? Jetzt spürte er den Hunger, der seit Tagen, seit Wochen und Monaten in seinen Eingeweiden tobte. Die Anspannung der letzten Stunden begann von ihm abzufallen. Er schnitt ein dickes Stück von dem bereits trockenen Brot ab, dazu einen dünnen Streifen Speck. Langsam kauend genoss er das beste Essen seit langer Zeit. Er kaute langsam und bedächtig. Um zu genießen. Um alle Nährwerte des Brotes bereits im Mund vorzuverdauen und damit aufzuschlüsseln. Den Alkohol rührte er nicht an, auch wenn es ihn stark danach gelüstete. Er musste hellwach bleiben. Doch dann wurden seine Augenlider zusehends schwerer. Der Schlaf drohte ihn zu übermannen.

      Der Kommandant wollte mit den Esswaren ein Gelage mit seiner Geliebten feiern. Oder sie für ihre Dienste bezahlen. Daraus würde nun nichts werden. Vergeblich würde sie auf ihn warten. Auf Ki Su wartete niemand mehr. Er durfte nicht weiter an seine Frau, seine Familie denken. Sie waren verloren. Für immer verloren, als wären sie wie Schiffbrüchige im Meer ertrunken, während er es auf eine unbewohnte Insel geschafft hatte. Er konnte nichts für sie tun. Würde es wohl nie mehr können.

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