Weg, einfach weg. Ralf J. Schwarz

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Weg, einfach weg - Ralf J. Schwarz

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zog er den Schrank in dem er seine Akten die er gelegentlich mit nach Hause nahm, aufzubewahren pflegte, auf und nahm seine speziell für diesen Zweck besorgte Kleidung heraus. Einfache, dunkelblaue Jeans, ein dunkelgrünes T-Shirt mit einem Aufdruck einer Universität, und natürlich dunkelbraune, handgenähte und für ihn persönlich gefertigten Lederschuhe. Diese Schuhe sollten der einzige Komfort sein, den er sich in seinem neuen Leben leisten, ein Luxus auf den er nie verzichten wollte. Lange hatten die Vorbereitungen gedauert, hatte er Bücher gelesen, Anleitungen von den verschiedensten Geheimdienstmitarbeiter, wie man in der Masse der Menschen untertaucht und seinem Gegenüber wenig Möglichkeiten gab, an denen sich jemand erinnern konnte. Und am wenigsten auffällig war schließlich ein mittelblonder, schlicht gekleideter Mann mit etwas Bauchansatz. Natürlich waren auch verschiedene Verhaltensmuster nötig um nicht aufzufallen. Den Kopf leicht nach vorne gebeugt erzeugte einen unauffälligeren Gang, grundsätzlich keinen Augenkontakt mit jemand aufnehmen und vermeiden von direkten Gesprächen waren nur einige der Dinge, die er sich in mühevoller Kleinarbeit vor seinem Spiegel erarbeitet hatte. Und eben den Fat-Suit den er sich im Trubel des Karnevalsgeschäftes gekauft hatte.

       Mithilfe dieses rucksackähnlichen, am Oberkörper getragenen und mit Watte ausgestopften Teiles, welches natürlich vor dem Bauch getragen wurde, wollte er den Bauchansatz an seinem sonst gut trainierten Körper erscheinen lassen. Es war nur ein kleiner Bauchansatz der aber reichen sollte, auch von der Frauenwelt nicht als sonderlich attraktiv empfunden und somit auch nicht gedanklich abgespeichert zu werden.

       Nachdem er sich angezogen und die Haare von der Tönung befreit hatte, blickte er erstaunt in den Spiegel. Im flüchtigen Hinsehen hätte er sich nicht erkannt. Lediglich seine hellblauen Augen störten noch das Gesamtbild. Aber er wäre nicht so ein brillanter Kopf, so jedenfalls war sein Selbstbild, wenn er nicht auch daran gedacht hätte. Einfache, graue Kontaktlinsen ohne Sehfehlerkorrektur gaben ihm endlich das perfekte Aussehen.

       Er warf seinen Schlafanzug in die Wäschetonne im Bad und nahm seinen Rucksack und seinen Aktenkoffer. Auch den gepackten Koffer, den er für seine fingierte Reise brauchte, nahm er mit. Noch einmal drehte er sich um, stand in der Tür des Arbeitszimmers und betrachtete den Raum. Würde es so aussehen wenn jemand auf eine Geschäftsreise ging? Nie hatte er sich damit beschäftigt und aufgepasst wie ein verlassenes Büro auszusehen hatte. Aber es erschien gut so.

       Und nun meldeten sich auch die Stimmen in seinem Kopf wieder. Sprachen von Hierbleiben, von sicherem Leben, Reichtum und alle dem. Gespräche die verstummten als er vor die Eingangstür des Hauses trat und schließlich den rot gepflasterten Weg zur Tür nach draußen ging. Ute hatte er gesagt, dass er so früh weg müsse und deshalb den Wagen vor dem Grundstück parken werde um sie nicht zu wecken. Zwar hatte sie diese Maßnahme als nicht nötig bezeichnet, denn sie wisse ja warum er wegfahre, hatte aber dann doch geschwiegen und ihm seinen Willen gelassen.

       Die frische, morgendliche Luft erfrischte Andreas als er noch eine Weile im Schatten der Bäume stehen blieb und die Straße beobachtete. Noch stand sein Wagen auf seinem Platz. Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte 3:55 Uhr. Noch während er über die Konsequenzen seiner nun folgenden Handlungen nachdachte, hörte er in den sonst menschenleeren Straßen Schritte auf sich zukommen. Und schließlich erkannte er seinen Freund. Sah wie er sich unsicher dem Mercedes näherte und zu zögern schien. Trauer fasste nach seinem Herz. Einen lebenslangen Freund wie Hartmut einfach so zurückzulassen war für ihn das schwerste überhaupt. Schwerer als der Verlust allen Wohlstandes und selbst seiner Frau. Eines Menschen den er, wenn er nun darüber nachdachte, eigentlich nie richtig geliebt hatte. Sicherlich, mit ihrer präsenten Weiblichkeit übte sie nach wie vor eine starke, sexuelle Anziehung auf ihn aus, aber war es nicht nur dieser Aspekt, gepaart mit einer Art Gewöhnung die sie schon so lange zusammenbleiben ließ? Solche Momente des Zweifels machten immer wieder sein Leben schwer, ließen ihm keine Ruhe für die angenehmen Dinge des Lebens. Was sollte all sein angehäufter Reichtum, die Werte die er geschaffen hatte, wenn er zweifelte. Oft glitten seine Gedanken zurück in seine Jugend- und Studententage, eine Zeit in der die Armut und der Geldmangel seine ständigen Dämonen waren. Niemand unterstützte ihn damals, stand doch seine Berufung insgeheim schon fest. Er, dessen Vater sich schon so früh aus dem Staub gemacht hatte. Nie sprach jemand davon und er wusste auch offiziell nichts von dem Mann der nur in seinen Träumen je eine Rolle gespielt hatte. Verschwunden war er noch vor seiner Geburt und hatte seine Mutter einfach sitzen lassen. Kein feiner Zug von ihm, sicherlich, aber er wird seine Gründe gehabt haben. Erst als er schon mit seinem Studium fertig war und beruflich Fuß gefasst hatte, erfuhr er über sieben Ecken, dass sein Vater der Fremdenlegion beigetreten war und in Algerien verwundet wurde. Danach blieb er verschwunden.

       Seine Mutter brachte schließlich den gemeinsamen Sohn Andreas zur Welt und stellte sich auch als nicht besser heraus. Noch kein Jahr alt schob sie ihn zur Großmutter ab. Sie wollte sich einen besseren Mann angeln und dabei störte der Kleine entscheidend. Die Nachkriegszeit stellte den vorangegangenen Krieg in Bezug auf Gefühlskälte noch deutlich in den Schatten. Da zählte ein kleines Menschenleben nicht so viel wie das eigene Wohlergehen. Und da Männer Mangelware waren, musste seine Mutter mit anderen Frauen konkurrieren können. Da war Klein-Andreas eben im Weg. Aber anfangs hatte sie ihn noch alle zwei oder drei Wochen besucht und nach ihm geschaut. Davon wusste er aber nur noch aus Erzählungen seiner Großeltern. Selbst gesehen hatte er seine Mutter wohl nie.

       Die Jahre bei seiner Oma waren aber sehr glückliche Jahre gewesen. Stets hatten die beiden Alten versucht, ihrem Enkel jeden Wunsch zu erfüllen und meistens gelang es ihnen auch. Und immer versuchte er ihre Wünsche zu respektieren und strebte danach, alles was von ihm erwartet wurde auch zu leisten. Aber mit der Pubertät kamen auch die Probleme, jedoch nicht in aufkeimender Rebellion, wie bei den meisten seiner Altersgenossen, er konnte sich einfach nicht mit den Vorgaben seiner Erzieher abfinden. Er sollte eine Lehre als Schlosser machen. So jedenfalls stellte sich Opa seinen weiteren Lebensweg vor. War es aus der finanziellen Not heraus oder einfach nur weil sein Großvater in ihm einen Ersatz für einen eigenen Sohn, der in seine Fußstapfen treten sollte, sah, konnte er nie mit Sicherheit sagen. Sein Vorhaben ein Gymnasium zu besuchen, veränderte sofort die gegenseitigen Beziehungen. Aber er schaffte das Abitur und auch sein Studium trotz der versiegenden finanziellen Mittel. Und er war glücklich. Damals lernte er Hartmut kennen und fand in ihm einen treuen und vielleicht lebenslangen Freund. Ein Freund auf den er heute Nacht bauen konnte.

       Jäh rissen seine Gedanken als sein Wagen gestartet wurde. Zögernd und langsam setzte sich der Mercedes in Bewegung und rollte an ihm vorbei. Andreas jagte ein Schauer über den Rücken und nun wusste er, dass es kein Zurück mehr gab.

      Kapitel 7

      Nun durfte er keine Zeit verlieren und musste an seinem Plan festhalten. Er rannte mit seinen Gepäckstücken unter dem Arm durch die nächtlichen Straßen der Stadt. Die regenfeuchten Straßen spiegelten die Lichter der Straßenlaternen wider. Bei jedem Schritt, immer wenn einer seiner Schuhe auf den Boden auftraf, erzeugte das Zusammentreffen ein leises Patschen. Der leichte Nieselregen legte sich auf seine Kleidung, benetzte sein Gesicht, wusch mit jedem Tropfen die Zweifel die immer noch in seinem Kopf tobten, weg. Langsam ging die Dunkelheit in einen nebulösen Zustand zwischen Nacht und Tag über und machte ihn so sichtbar für Blicke die er vermeiden wollte. Nach nur wenigen Minuten war er an der vorbereiteten Stelle am Main angelangt. In den letzten Tagen vor seiner Flucht in die Freiheit hatte er hier große Steine zusammengetragen und unter einem der Weidensträucher deponiert. Nun öffnete er den Koffer, verstaute die Aktentasche und einige der Steine im Innenraum und verschloss den Reißverschluss wieder. Noch einmal überprüfte er die Löcher, die er in der harten Kofferseiten gebohrt hatte auf ihre Durchlässigkeit.

       Vor dem Spiegel hatte er immer wieder versucht den Koffer wie ein Hammerwerfer um seine Körperachse rotieren zu lassen. Das schwere Gewicht des Gegenstandes machte dieses Unterfangen jetzt zur Tortur. Mühevoll drehte er sich um die eigene Achse, immer schwerer atmend, und als er genügend Schwung aufgebaut hatte, ließ er den Hartschalenkoffer los. Mit einem weithin hörbaren Platschen tauchte er in etwa fünf

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