Weg, einfach weg. Ralf J. Schwarz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Weg, einfach weg - Ralf J. Schwarz страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Weg, einfach weg - Ralf J. Schwarz

Скачать книгу

sollte. Danach trennten sich ihre Wege als sie nach Freiburg ging. Noch immer konnte er ihren Duft riechen, fühlte ihr seidenweiches Haar das sie zu einem losen Zopf gebunden hatte, spürte den salzigen Geschmack ihrer Haut. Sie war die Frau, die ihn für sein Leben prägen und seine Idealvorstellung einer Frau sein sollte.

       Jäh wurde er aus seinen Tagträumen gerissen als er mit einem der Entgegenkommenden zusammenstieß. »Blöder Fettsack, Du verdammtes Arschloch«, schimpfte der Mann und ging schnellen Schrittes weiter noch ehe Andreas etwas entgegnen konnte. Reflexartig fühlte er nach seinem Portemonnaie und stellte erleichtert fest, dass alles noch an seinem Platz war. Nicht dass der Verlust von ein paar Euro ihn geschmerzt hätte, aber brennend fiel ihm ein, dass seine persönlichen Dokumente noch darin waren. Nicht auszudenken, wenn ein Taschendieb seinen Geldbeutel mit dem Ausweis, der Kreditkarte, seinem Führerschein und was noch alles darin war, klaute und dann wegwarf. Dann war alles umsonst gewesen. Dann hatte er selbst eine Spur nach Süden gelegt. Er beschloss, besser aufzupassen und einen Ausweg für die Misere zu suchen.

       Zuerst aber musste er seinen Proviantvorrat weiter auffrischen. Wobei auffrischen das falsche Wort war. Schnell kaufte er noch einige Paprika und etwas Obst und verstaute alles sorgfältig in seinem Rucksack verstaute. Ziellos irrte er weiter durch die Stadt auf der Suche nach einem ruhigen Platz an dem er seinen Energiebedarf decken konnte. Schließlich fand er diesen an den Ufern des Bodensees.

       Schnell hatte er eine Bank im Schatten der Bäume gefunden und begann sein Mahl. Erstmal an diesem Tag kehrte Ruhe in ihm ein, konnte er sie vielen Menschen beobachten, die den Weg entlang des Sees benutzten. Hektisch daher eilende, in Anzüge gekleidete Geschäftsleute, schlendernde Touristen, Wanderer und allerlei sportliche Zeitgenossen, die den gut ausgebauten Weg nutzten, um ihre Joggingrunde zu drehen. Die unterschiedlichsten Menschen, die aber alle eines verband: Sie verfolgten ein Ziel. Und das hatten sie ihm voraus. Über sein Ziel hatte er noch nicht nachgedacht. Wobei er das Wort »Ziel« nicht unbedingt als ein geographisches erachtete. Schon ein kleiner Fingerzeig seines Gehirns, was er nun erreichen wollte, worin sich die Freiheit, nach der er strebte, ausdrücken sollte, würde ihm reichen. Wie sollte es nun weitergehen? In Gedanken prüfte er die antreibenden Gründe der Menschen die an seinem Platz vorbeikamen und kam zum Schluss, dass alle in einer Rolle gefangen waren. Genau dieser Zustand war es aber, dem er entkommen wollte. Die freiesten jedoch erschienen ihm die Wanderer. Sie konnten ihr Ziel frei wählen, jederzeit ihre Entscheidung überdenken und ändern, wenn es ihnen nicht passte.

       Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er wollte einer der ihren werden. Schwer gemacht wurde seine Entscheidung lediglich durch seinen schlechten Allgemeinzustand. Gewandert war er zum letzten Mal in der Hauptschule während eines Klassenausflugs. Konditionell war er in einem Zustand, der von jedem Zwölfjährigen übertroffen werden konnte. Nach zögerlichen Minuten stand sein Entschluss schließlich fest. Die Freude auf das Neue, die Freiheit entscheiden zu können wie er wollte und auch die perfekte Möglichkeit auf den Wanderwegen abseits der Öffentlichkeit weniger leicht entdeckt zu werden, verführten ihn schließlich zu diesem Vorhaben. Also schlenderte er zurück in die Stadt und suchte einen guten Laden in dem es die benötigte Ausrüstung gab. Eine Stunde später trat er mit einer riesigen Tragetasche ins Licht der Augustsonne.

       Neben an den Knien trennbaren Wanderhosen, Hemden, Wanderschuhen und einer regendichten Outdoorjacke hatte er auch einen Wanderführer gefunden. Darin wurde der Europa-Fernwanderweg E5 vorgestellt. Ganz in der Nähe, im bayrischen Oberstdorf begann dieser Weg und führte in Richtung Süden. Er wusste nicht, was er wollte, wohin er überhaupt wollte, aber die Vorstellung in wärmeren Gefilden sein Glück zu suchen, war schon verlockend. Seine wichtigste Errungenschaft jedoch, so war er sich sicher, war ein Schlafsack mit dem er sein Schlafproblem lösen wollte. So kam er nicht in die Verlegenheit seinen Ausweis vorzeigen zu müssen und damit eine Spur zu hinterlassen.

       Als er zurück zum Markt kam, suchte er einen Stand für Eisenwaren auf und kaufte neben einer Aluminiumtaschenlampe auch ein stabiles Taschenmesser mit etwa handlangen Klinge. So ausgerüstet, wurde er von dem Bus der ihn nach Oberstdorf gebracht hatte, mit einer ganzen Horde asiatischer Touristen ausgespuckt.

      Kapitel 10

      Deutlich waren die letzten Anstrengungen des Hochsommers zu spüren. Als er aus dem klimatisierten Bus ausstieg, umhüllte ihn die Hitze wie ein im Wind flatterndes Tuch, das aber die Wucht eines Hammerschlags mit sich brachte. Schon im Bus, in dieser Menge Asiaten die, unablässig in einer Sprache kommunizierend, die so fremd und unwirklich erschien, wild fotografierend durch den Bus eilten, schwitzte Andreas. Noch trug er den zur Tarnung benutzten Fat-Suit unter seinem Hemd. Nun sollte als erster seiner Schritte die Verwandlung des leicht Übergewichtigen in den sportlichen Wanderer folgen.

       Hier an der Bushaltestelle die sich inmitten des beschaulichen bayrischen Städtchens lag, wimmelte es von Menschen. Neben den eben ankommenden Touristen, standen Wandergruppen, ausgerüstet mit dem neusten technischen Equipment, teilweise jedoch in körperlich, erbärmlichen Zustand, im Schatten der Linden die den Platz umsäumten. »Na, da bin ich ja in bester Gesellschaft«, schoss es van Geerden durch den Kopf.

       Entspannt setzte er sich auf eine Mauer die eine Grünfläche eingrenzte und betrachtete die immer wieder heranrollenden Busse, die nie geahnte Menschenmassen ausspuckten. Es herrschte ein ständiges Gewusel und Durcheinander eilen, Stimmen erschollen, Reiseführer versuchten, mit in die Höhe gereckten Schirmen, ihre Gruppen auf sich aufmerksam zu machen. Schulklassen kamen an, schreiende Kinder rannten umher und verstärkten das Chaos das hier am Busbahnhof die Kontrolle übernommen hatte, noch um einiges. Lange saß Andreas hier, versuchte die Menschen abzuschätzen, ihre Hintergründe, ihre Vorhaben und Ziele. Immer war es nur ein Einschätzen, eine Vermutung, deren Wahrheitsgehalt er nie überprüfen können würde. Aber es war auch gleich. Er war froh, abseits dieses Trubels zu sitzen und zu warten. Diese Menschenmengen, die die Busse ausspuckten, machten ihm Angst. Noch vor einer Stunde, eingepfercht auf engem Raum, dichtgedrängt mit der asiatischen Invasion, hatte er die aufkommende Panik gespürt. Nur mit Mühe war es ihm gelungen, sich zu beherrschen. Das alles war ihm zu eng. In solchen Momenten hatte er das Gefühl die Kontrolle über die Situation zu verlieren.

       Sein Blick fiel auf einen älteren Mann, der gegenüber seinem Platz an einer Hauswand saß. Seine Habseligkeiten die er in Plastiktüten verstaut hatte, lagen neben ihm. Ein Schild, dessen Worte Andreas nicht lesen konnte, stand vor ihm. Vermutlich bettelte er. Sein Hut stand vor ihm auf dem Boden und sollte wohl die Münzen aufnehmen. Van Geerden sah ihm eine Weile zu. Seine Ausbeute schien gering zu sein.

       Als sich ihre Blicke trafen, lächelte der Mann. Andreas nahm seine Tüte und seinen Rucksack und ging über die Straße. Ohne ein Wort setzte er sich neben den Alten. »Na, willst Du auch etwas abhaben?«, fragte der Mann grinsend. »Nein. Ich brauche nichts. Hast Du Erfolg?« »Nicht gut, heute Morgen!«, waren seine knappen Worte. Andreas griff in seine Tasche und nahm sein Portemonnaie heraus. Er zog einen Fünfziger heraus und warf ihn in den Hut. »Besser?« Der Mann lachte.

       »Du kannst öfter kommen.« »Wie heißt Du?«, fragte van Geerden. »Don Corleone.« Andreas musste lachen. »Wie der Typ in dem Mafiathriller. Schöner Name.« Beide schwiegen als eine junge Frau eine Münze in den Hut warf. »Danke«, riefen sie im Chor. Jetzt lachten beide. »Andreas«, stellte sich van Geerden vor und reichte ihm die Hand. Don Corleone nahm sie und schüttelte sie. Lange saßen sie beieinander und unterhielten sich.

       »Schau Dir die alte Frau dort gegenüber an. Sie versucht schon eine ganze Weile, über die Straße zu gehen. Aber niemand stoppt mal kurz.« Die beiden Männer sahen zu der Alten. Sie war scheinbar kein Teil der Horden die den kleinen, bayrischen Ort überfielen. Alleine stand sie am Straßenrand und hatte sichtlich Mühe, die durch den ständig flutenden Bus- und Autoverkehr belegte Straße, zu überqueren. Immer wieder setzte sie einen Fuß auf den Überweg, zog ihn aber bei jedem sich nähernden Wagen mit ungeahnter Schnelligkeit zurück.

      

Скачать книгу