Weg, einfach weg. Ralf J. Schwarz

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Weg, einfach weg - Ralf J. Schwarz

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auf den Boden. Mit zittrigen Händen ertastete er den Boden, spürte die Geldbündel darunter. In mühevoller Arbeit hatte er einen zweiten Boden in den Rucksack eingenäht. Mit jedem seiner Versuche, mit jedem Nadelstich stieg dabei seine Bewunderung für die Menschen die nähten, eine so gute Fingerfertigkeit hatten, dass sie solche Wunderdinge herstellen konnten. Im alltäglichen Leben beachtete niemand diese Gegenstände so, wie sie es verdient hätten. Erleichtert atmete er auf. Alles noch da. Zittrig begann er die Kleidungsstücke wieder auf ihren Platz zu räumen.

       Mit jedem Atemzug beruhigte sich sein erhitzter Körper wieder. Nun spürte er die Kälte, die Feuchte seines T-Shirts, seines Fett-Anzuges. Behutsam zog er die Sachen aus und streifte seine neuen, in Bregenz erstandenen Kleider über. Mit jedem neuen Kleidungsstück verwandelte er sich in einen neuen, ganz anderen Menschen. Eine Person nach der die Polizei nie suchen würde.

       Noch eine Stunde blieb er sitzen, verscharrte seine alten Sachen im weichen Waldboden und spähte dann vorsichtig durch die Hecken auf den Weg. Alles war menschenleer. Trotz seiner müden Beine, einer den ganzen Körper umfassenden Erschöpfung, fiel ihm nun jeder Schritt deutlich leichter. Die Müdigkeit und die obendrein langsam hereinbrechende Dämmerung ermahnten ihn aber auch, sich Gedanken über einen Schlafplatz zu machen. Schon reifte in Andreas der Plan, in einem Waldstück wie diesem, würde er sein Lager aufschlagen, seinen neuen Schlafsack ausrollen und einfach der Welt entfliehen. Aber noch musste er weiter. Er wollte sich so weit wie möglich aus dem Einzugskreis der Stadt entfernen und somit weniger entdeckbar werden.

       Nun stieg die Straße stetig an, rechts immer noch gesäumt von üppigem Wald, links die Sicht freigebend auf die fetten, hügeligen Wiesen auf denen vereinzelt in der Ferne Rinder standen. Schweiß lief Andreas über den Rücken, schwer ging sein Atem. Zunehmen spürte er die Ermüdung. Er war seit seinem Kleiderwechsel erst eine halbe Stunde gegangen und schon sehnte er sich nach einer Pause. Er zwang sich aber, weiter zu gehen und noch nicht aufzugeben. Wie wollte er ein neues Leben beginnen, wenn er nicht einmal die Kraft und das Durchhaltevermögen zum Weglaufen besaß? Also ging er langsam weiter. Und diese Langsamkeit verhalf ihm wieder zu neuer Kraft.

       Erst jetzt fielen ihm die Blumen auf, die den Wegrand säumten. Wunderschöne Blüten schmückten die Wiesenblumen, in der Abendsonne Juwelen gleichend. Erstmals roch er auch den Wald, nahm die verschiedensten Gerüche wahr. Düfte, die ihm noch nie aufgefallen waren. Vielleicht versagte der Geruchssinn des Stadtmenschen, wenn er durch die ständige Feinstaub- und Abgasbelastung geschädigt, um das Stadtleben erträglich zu machen. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er das Gefühl in einer realen Welt zu leben, geprägt und beeinflusst durch natürliche Vorgänge, Gerüche und auch die Anstrengung die er seinem Körper gerade abverlangte. Diese Eindrücke schienen sich mit der Dämmerung die nun langsam weiter fortschritt, noch verstärkt zu werden. Immer mehr gab nun die verschwindende Sonne den Platz frei für die Kühle der Nacht. Leise klang von unendlich weit weg die Glocke eines Kirchturmes, verkündete vom nahenden Abend.

       Er musste sich jetzt im langsam schwindenden Licht einen Schlafplatz suchen. Also schob er sich wieder durch den dichten Heckenbewuchs. Hier war der Hochwald nicht so ausgeprägt wie der den er nachmittags gesehen hatte. Ziemlich dichter Unterwuchs war zwischen den Bäumen aufgegangen, bildeten so kleine Heckeninseln die umwachsen waren mit einer dichten, dicken Moosschicht die ihm nun als Nachtquartier dienen sollte. Alte Fichten- und Tannenbeständen, vereinzelt mit einigen Laubbäumen durchzogen, waren hier mit viel Abstand auf der Fläche verteilt und ermöglichten somit das neu aufkeimende Leben darunter, nahmen aber durch ihre ziemlich dicht stehenden Kronen so viel Licht weg, dass es hier im Wald schon deutlich lichtärmer war, als eben noch auf dem Weg. Verstärkt wurde die zunehmende Dunkelheit auch, durch die Wolken, die sich nun zunehmen vor die verschwindende Sonne legten.

       In einem der Jungpflanzeninseln machte sich Andreas sein Lager. Hier war er vor Blicken geschützt. Sorgsam entfernte er alle Äste vom Boden, suchte mit den Händen nach Steinen die seinen Schlaf stören könnten und räumte alles beiseite. Schnell hatte er sich einen komfortablen Schlafplatz eingerichtet den er noch mit allerlei Moos polsterte. Er packte seine Habseligkeiten aus, rollte seinen Schlafsack aus und setzte sich darauf und aß etwas. Langsam kehrte seine innere Ruhe zurück. Gedanken über die Erlebnisse des Tages kamen in seinem Kopf hoch, an die Zugfahrt, seinen Freund der ihm geholfen hatte, die Angst vor Entdeckung die ihn seit heute Morgen begleitete, den Zwischenfall mit der Polizei. Aber auch an den Markt, den Mann der ihn angerempelt hatte. Hätte er ihm sein Portemonnaie geklaut, hätten ihn seine Karten vielleicht verraten. Diese Gefahr musste er ein für alle mal ausschließen. Kurzentschlossen griff er zu seinem Messer und schnitt die Karten in feine Streifen die er dann im Wald verstreute. Nacheinander fielen Krankenkassenkarte, Ausweis und der Führerschein der scharfen Klinge zum Opfer. Kurz zögerte er bei seiner Kreditkarte, verdrängte aber den wehmütigen Gedanken seinen Wohlstand für das aufkeimende Gefühl der Freiheit opfern zu müssen. Müde legte er sich in seinen Schlafsack. Zog, um eventuell eindringendem Ungeziefer den Weg zu versperren, den Reißverschluss bis unter sein Kinn zu und versuchte eine geeignete Liegeposition zu finden. Mehrmals drehte er sich, ein Vorgang der nicht ganz einfach zu bewerkstelligen war, da sich seine Arme ebenfalls im Schlafsack befanden. Lediglich sein Gesicht schaute noch heraus. Der Schlafsack verdiente seinen Namen zu Recht. Darin sah er wirklich aus wie eine Mumie. Es vergingen nur Minuten bis seine Augen zu und er in tiefen Schlaf fiel.

      Kapitel 11

      Missmutig betrat Volker May sein Büro. Er mochte die frühen Morgenstunden nicht, das war einfach nicht seine Zeit. Er ließ die Rollos an seinen Fenstern herunter und atmete erleichtert auf. Endlich schloss eine angenehme Düsterheit seinen Körper ein, entspannte sich sein verkrampfter Geist. Diese Sommermorgen waren nicht seine Welt. »Viel zu hell für einen normalen Menschen«, dachte er. May liebte den Herbst, viel mehr aber noch den Winter. Nicht die Wintertage an denen Schnee gefallen war, eher die diesigen, nassen und mäßig kalten Tage an denen sich niemand nach draußen wagte, an denen die Hälfte der Frankfurter Bevölkerung mit einem ordentlichen Winterblues in der Wohnung saß und sich selbst bedauerte.

       Er dachte an die Migräneschübe, die seine Tante früher gehabt hatte. Auch sie war so extrem lichtempfindlich gewesen. Das warf natürlich die Frage auf, ob Männer ebenfalls Migräne bekommen können. Oder war das ein rein weibliches Phänomen?

       Aber zusätzlich plagte ihn das frühe Aufstehen. Er war überzeugter Langschläfer und nur schwer zu bewegen, im frühen Morgengrauen aufzustehen um schließlich schon um neun Uhr auf seiner Dienststelle zu erscheinen. Obwohl er als Kommissar gleitende Arbeitszeiten hatte, war er schon bei Arbeitsbeginn zu müde, auch nur einen Finger zu regen. Dann kam nur ruhige Büroarbeit in Frage. Seine Kollegen und auch sein Chef waren im Laufe der Jahre mit seinen Eigenarten und Schwächen mehr oder weniger zurechtgekommen, besser gesagt, zurechtkommen müssen und hatten irgendwann kapituliert. Da er mit die höchste Aufklärungsquote hatte, konnte er sich solche Eskapaden leisten. Er hatte die Vorhänge geschlossen und die restliche Wache wusste, dass niemand ihn stören durfte und auch keine Anrufe durchgestellt wurden. Jeder seiner Arbeitskollegen kam scheinbar mit seinem Eremitenleben und seinen damit verbundenen dienstlichen Alleingängen zurecht.

       Volker saß aber noch nicht richtig an seinem Schreibtisch als das Telefon zu klingeln begann. Er nahm den Hörer von der Gabel und ließ ihn wieder auf zurückfallen. Augenblicklich verstummte das Telefon. »Na, wenn der Tag schon so beginnt, kann das ja heiter werden!« dachte er. »Diesen Mist muss ich mir so früh nicht bieten lassen«, murmelte er und stand auf. Ein schneller Griff nach seiner Tasse und schon verließ er den Raum mit dem erneut klingelnden Nervtöter. Solche dreisten Störungen um diese Zeit durfte er sich nicht bieten lassen und hoffte, dass der Anrufer durch seine Ignoranz irgendwann aufgeben würde.

       Als May eine halbe Stunde später wieder den Raum betrat, herrschte Ruhe. »Na, geht doch!« dachte er und noch bevor das »doch« im Geiste verklungen war, störte das Klingeln schon wieder. »Da hat aber jemand eine ordentliche Ausdauer. Oder zu viel Zeit«, schoss es durch seinen Kopf. Nach den

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