Weg, einfach weg. Ralf J. Schwarz

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Weg, einfach weg - Ralf J. Schwarz

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was er ihr sagen wollte. »Können Sie mich verstehen? Darf ich Ihnen über die Straße helfen?« Wieder sah sie ihn mit großen Augen an. »Möglicherweise hörte die Frau auch schlecht«, dachte sich Andreas und griff beherzt nach den Sachen der Frau, nahm ihren Arm und versuchte nun seinerseits die Wagen zu anhalten zu bringen. Schon beim ersten Schritt auf die Fahrbahn bremsten der erste Fahrer, hielt an und begann wütend in seinem Wagen zu zetern. Andreas konnte die Flüche des Mannes hören. Nur einen Sekundenbruchteil später wurden die bösen Worte aber durch den Schrei seiner Begleitung übertönt. »Hilfe!«, schrie die sichtlich verwirrte Frau, »Hilfe, bitte helfen Sie mir! Er will mich bestehlen. Er versucht mir die Tasche zu stehlen!«

       Sofort blieben die Passanten die noch vor kurzer Zeit keinen Blick an der Dame verschwendet hatten stehen. Panisch sah sich Andreas um. »Halt, bleiben Sie stehen«, rief ein älterer, grauhaariger Herr und kam drohend auf van Geerden zu. Eine Frau telefonierte aufgeregt mit ihrem Handy, wild gestikulierend. »Aber das ist ein Missverständnis!«, protestierte Andreas. »Sie missverstehen die Sache. Ich wollte doch nur …« Weiter kam Andreas nicht. Die Handtasche der alten Dame sauste mit voller Wucht in sein Gesicht. Ein feuerroter Blitz durchzuckte seinen Kopf und für einen kurzen Moment war alles dunkel. Schon spürte er Hände die nach ihm packten und ihn mit Kraft nach unten rissen. Ganz von ferne hörte er Sirenen eines Polizeiautos. Dumpfe Stimmen drangen zu ihm vor, zerrissen die Dunkelheit und er realisierte die Situation.

       Er lag auf dem Boden und ein junger, vielleicht zwanzigjähriger, Mann kniete auf seinem Brustkorb, hielt mit beiden Händen seine Arme auf den Boden gedrückt, fest. Andreas versuchte sich zu befreien, stellte aber sofort fest, dass sein Bewacher ihm deutlich an Körperkraft überlegen war. »Gut jetzt!«, hörte er eine Männerstimme, »Wir sind jetzt da. Lassen Sie ihn los.« Sein Bewacher lockerte seinen schraubstockfesten Griff und als er zurückwich, sah Andreas die zwei Polizisten, die gerade angekommen waren.

       »Stehen Sie auf«, herrschte ihn der jüngere der Beamten an. Van Geerden rappelte sich auf und klopfte sich den Staub aus seinen Kleidern. »Was ist passiert? Eine Anruferin hat berichtet, dass eine alte Dame bestohlen wurde. Waren Sie das?«, fragte er in Andreas Richtung. »Nein, das ist ein Missverständnis. Ich wollte der Frau…« »Doch, er hat sie versucht zu bestehlen!«, unterbrach ihn die eben noch telefonierende Frau, »Ich kann alles bezeugen. Ich habe alles gesehen.« Andreas stockte er Atem. Er drehte sich zu der Frau um: »Ach, Sie haben alles gesehen. Dann ist Ihnen sicherlich auch aufgefallen, dass diese alte Dame hier über die Straße wollte und niemand hat ihr geholfen.« »So ein Quatsch!«, rief die eben noch so stumme, alte und hilfsbedürftige Frau, »ich habe hier auf den Bus gewartet. Dann kam er und hat versucht mir die Handtasche zu stehlen. Aber so leicht gebe ich mich nicht geschlagen!« Mit einer mächtigen Bewegung schwang sie die Handtasche nach hinten, stoppte aber ihren Angriff als ihr der Polizeibeamte einen bösen Blick zuwarf.

       »Gut jetzt. Mein Kollege wird Ihre Personalien aufnehmen und dann können Sie gehen. Danke, dass Sie der Dame geholfen haben. Wir brauchen mehr Menschen mit Zivilcourage.« Sein Blick fiel auf Andreas. »Wir beiden werden uns jetzt mal unterhalten. Ihren Ausweis bitte!« Ein Peitschenhieb konnte nicht mehr schmerzen, als das Wort Ausweis. Das war also nun das Ende seiner Reise. Nach nur so kurzer Zeit war sein Plan zum Scheitern verurteilt. »Den Ausweis!« Die erneute Aufforderung des Beamten riss ihn aus seinen Gedanken.

       »Herr Wachtmeister. Bitte. Es stimmt, was ich Ihnen erzählt habe. Ich habe einen Zeugen. Der kann meine Geschichte bestätigen.« »Gut. Wo ist ihr Zeuge?« Andreas drehte sich zu dem Obdachlosen um. Er war weg. Er starrte in Richtung der Hauswand. »Na, wo ist er denn? Ihr Zeuge?« »Eben war er noch da. Er hat da drüben am Haus gesessen. Ein Obdachloser.« »Aha, ein Obdachloser also. Sein Name?« Andreas schwieg. »Sagen Sie schon. Wie heißt der Mann?« »Don Corleone«, schon während er den Namen sagte, wusste van Geerden, dass ihm das niemand glauben würde. Prustend lachte der Polizist los: »He Franz. Der Typ hier kennt Don Corleone. Den Kerl aus »der Pate«. Du weißt doch, dem Mafiafilm.« Auch sein Kollege Franz begann zu lachen. »Los, den Ausweis. Aber fix!«

       »Ja, sofort«, bestätigte er die Aufforderung, »In meinem Rucksack. Er ist da drin!« »Dann holen Sie ihn. Oder brauchen Sie eine Extra-Aufforderung?« Andreas ging zu seinem Rucksack der nur etwa zwei Meter entfernt lag und begann drin zu kramen. Seine Gedanken rasten. Wie konnte er hier rauskommen? Es gab nur eine Möglichkeit. Noch bevor seine Idee zum Gehirn vorgedrungen war, rissen seine Hände die Tüte mir den neuen Kleidern und seinen Rucksack nach oben, schon rannten seine Beine. Er wusste nicht wohin er lief, denn er rannte einfach kopflos davon. Wie von ferne hörte er die Rufe der Polizisten, ihre Schritte auf dem Straßenpflaster, die Geräusche, die von den eng stehenden Häuserwänden reflektiert wurden. Die Schreie der Menschen, die ihn eben noch festgehalten hatten, wurden immer leiser. Nach nur wenigen Metern übertönte sein rasselnder Atem alles.

       Aus den Augenwinkeln sah er die beiden Beamten hinter ihm her rennen. Eine leichte Kopfbewegung reichte aus um die ganze, verworren zusammenstehende Gruppe Menschen wahrzunehmen. Er hatte den einzigen Moment ausgenützt den er zur Verfügung hatte. Wieder eine leichte Drehung und er sah die beiden Verfolger, die immer kleiner wurden und schließlich stehen blieben. Erleichterung trat ein. Zum einen, weil er den mit Bäumen bestandenen Feldern immer näher kam. Das Gestrüpp konnte seine Rettung sein, sein Sichtschutz vor den Häschern. Zum anderen, weil diese Polizisten anscheinend ihren Sportunterricht regelmäßig zu schwänzen schienen. Ein weiterer Blick bestätige seine Vermutung. Die Beiden waren stehen geblieben, beugten sich vor, stützten ihre Hände auf die Knie, rangen nach Luft. Nun spürte er seine Lungen brennen. Seine Beine schmerzten. Hier stieg die Straße, die mittlerweile in einen Feldweg übergegangen war, schon mächtig an. Aber die Angst verlieh im Flügel. Nie hätte er geahnt, dass solch ein sportlicher Kerl in ihm ruhte. Und er lief, weiter und weiter. Immer wieder versuchte er die Geräusche zu deuten. Er erwartete, dass ihn die Beamten weiter verfolgen würden. Möglicherweise mit dem Auto. Also musste er hier weg. Also rannte er. Er lief so schnell wie ihn seine Beine tragen konnten. Und er schwitzte. Sein Fat-Suite, den er immer noch trug, war durchnässt vom Schweiß. Endlich erreichte er die Bäume, den Wald. Aber er lief weiter.

       Schweißtropfen liefen ihm über die Stirn, blieben in den Augenbrauen hängen. Aber er lief. Erst als eine dieser salzgeschwängerten Perlen in sein Auge lief, sich hinter die noch immer auf dem Augapfel sitzende Kontaktlinse setzte, und sich partout nicht wegblinzeln ließ, wurde er langsamer. Er sah sich um. Zu seiner rechten Seite stieg der Berg nun steil an, stand dichtes Unterholz bis dicht an den Weg. Links fielen Bergwiesen steil ab. Er war sich sicher, hier stand er wie auf einem Präsentierteller, gut sichtbar für jeden der ihn verfolgte. Mit ein paar beherzten Schritten war er im dichten Unterholz verschwunden. Wie eine Mauer schlugen die Pflanzen hinter ihm zu, so als wollten sie sagen: »Fühl Dich sicher. Wir beschützen Dich!«

       Hinter dem dichten Heckenbewuchs fand er nun einen, mit alten, hohen Fichten bewachsenen Wald vor, der jedes Herz erfreut hätte. Der Boden war moosbewachsen, wenig Unterwuchs verdeckte die Sicht, einfach eine Einladung der Natur, ihre Schönheit zu sehen, zu riechen und eine Zeit zu verweilen. Eine Schatzkammer der Natur, die dem Wanderer verlockende Versprechungen machte. Er jedoch hatte keinen Blick für die Schönheiten die ihm dieser Fleck bot. Er warf sich auf den feuchten, modrig riechenden Waldboden und war froh, dass das Moos seinen Fall bremste. Schwer atmend lauschte er nach den Geräuschen die vom Weg zu ihm drangen. Stille. Er glaubte, in der Ferne das Tuckern eines Traktors zu hören. Aber sonst war es still. Mit spitzen, vor Anstrengung zitternden Fingern, versuchte er die feurig brennenden Kontaktlinsen aus seinen Augen zu bekommen. Links reichte ein Versuch aus und schon lag die kleine, bunte Plastikschale auf seinem Finger. An seinem rechten Auge musste er länger herumfingern. Aber auch hier gelang es schließlich.

       Sein Atem jagte noch immer. Nun fühlte er auch seine brennenden Oberschenkel, seine Waden die das steile Bergstück hoch die härteste Arbeit hatten leisten müssen. »So eine Scheiße!«, raunte er leise, »Fast wäre alles verloren gewesen. Und das nur, weil ich Idiot jemanden helfen wollte.« Eiskalt lief ihm ein Schauer über den Rücken. Sein Geld! Seine ganzen Geldvorräte waren im Rucksack versteckt. Hoffentlich hatte er

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