Alte Männer - böser Traum. Linda Große

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Alte Männer - böser Traum - Linda Große

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ich bin niemals dorthin zurückgekehrt. Und ich hatte und habe kein Heimweh dorthin“, beantwortete sie nun Cleas anfängliche Frage ganz direkt. „Nicht mal Heimweh nach Frankreich in den ersten Jahren. Aber ich musste es noch fast zwei Jahre aushalten, bis Konrads Brief kam in dem er mich einlud nach Karlsruhe zu kommen und seine Frau zu werden. Ich packte auf der Stelle meine Koffer und bin zu ihm. Ich habe sogar versucht zu vergessen, dass ich Französin bin. Allerdings änderte sich mein Standpunkt mit den Jahren, als ich endlich begriff, dass es auch in Deutschland nicht anders war. Da hatte es scheinbar, genau wie in Frankreich, nie einen Nazi gegeben. Jedenfalls konnte sich niemand daran erinnern! Diese Zeit war ja auch in Deutschland ein Tabuthema. Aber wenn sie wirklich mal zur Sprache kam, hat keiner von irgendetwas gewusst. Der einzige Unterschied zu meinen Landsleuten bestand darin, das die nachträglich alle behaupteten, in der Resistance, im Widerstand gewesen zu sein, während es in Deutschland nur arme Opfer gab, aber keine Täter. Nun ja, lassen wir das, es bringt nichts.“

      „Trinken wir auf die Liebe. Vive l’amour!“, forderte Henri David mit seinem erhobenen Weinglas auf. Alle stießen erleichtert mit ihm an. Nur Clea dachte: Bei mir haut leider nicht mal das hin. Was für ein Käse! Be a rolling stone, Clea. Die anderen können das doch auch!

      Bis zum Frühstück war noch etwas Zeit. Lilo hatte gerade mit Kaspar das Haus verlassen. So klopfte Clea bei ihrem Vater an die Zimmertür. Er saß am Fenster und schaute hinaus in den Garten. Clea setzte sich dazu.

      „Das war ein interessanter Abend“, sagte sie. „Aber wie hast du das nur alles weggesteckt. Den Krieg und all das. Und dann noch Mamas Tod?“

      Er schwieg eine Weile bis er leicht die Schultern hob und erklärte:

      „Nun ja, was blieb mir denn anderes übrig, Kind?“

      Clea dachte über seine Antwort nach.

      „Wieso krieg ich das nicht gebacken? Ich habe heute Nacht von Friedemann geträumt! Jetzt, wo ich ihn doch endgültig aus meinem Leben streichen will, da fang ich wieder an, von ihm zu träumen.“

      „Was hast du denn geträumt?“

      „Total peinlich, Paps! Ich stand mit ihm vor dem Traualtar. Richtig glücklich war ich dabei. Doch dann sagte der Priester, er könne uns nicht trauen, erst müsse ich mir den Kopf kahlrasieren lassen. Irgendjemand tauchte mit einer großen Schere auf und gab sie Friedemann. Doch ich wollte nicht. Plötzlich war ich dann in meinem Laden, allein. Aber es waren keine Blumen, die ich verkaufte, sondern Perücken. Dann ging die Ladenglocke und ich bin aufgewacht.“

      „Nun ja“, beruhigte Simon sie, „ich bin kein Traumdeuter, wie du weißt. Aber ich finde der Traum hört sich gut an. Irgendwie sehr positiv.“

      „Findest du?“

      „Ja, wirklich. Du hast dich nicht unterkriegen lassen. So wie ich. Bist eben doch Papas Tochter!“

      Kapitel 9

      „Ist diese Blumenfrau denn immer noch in Urlaub?“, quengelte Plastrothmanns Mutter und schaute missbilligend auf seinen mitgebrachten Blumenstrauß. „Du weißt doch, ich verabscheue Schleierkraut! Das sieht so nach Beerdigung aus!“

      Nein, er wusste das nicht. Er wusste überhaupt nicht viel von dieser Frau. Obwohl er sie jeden Samstag besuchte, pünktlich wie ein Uhrwerk. Von zwölf bis fünfzehn Uhr. Dabei redete sie die ganzen drei Stunden fast ununterbrochen. Doch er hörte ihr nicht zu. Das machte diese Pflichtbesuche so erträglich für ihn, fast entspannend. Sie redete und er dachte an gar nichts. Doch heute stieg bei ihrer Klage über den Blumenstrauß eine leise Wut in ihm hoch, stieg ihm kribbelnd ins Genick. Eine völlig untypische Reaktion für ihn, den eiskalten, disziplinierten Logiker. Er hatte für alles was er tat gute Gründe, für Emotionen war da kein Platz. Selbst diese Besuche bei seiner Mutter hatten nichts mit irgendwelchen Empfindungen für sie zu tun. Er tat es aus reinem Pflichtgefühl, jedoch nicht ihr gegenüber, weil sie ihn geboren hatte. Nein, nur seinem Vater gegenüber, weil der sie erwählt hatte, ihm einen Sohn zu schenken. Dessen Ehefrau, die Plastrothmann nach wie vor als seine wahre Mutter betrachtete, eine große nordische Blondine, war unfruchtbar gewesen; ein Irrtum der Vorsehung. Ein grausamer Irrtum, wie Heinrich zu sagen pflegte.

      Er schaute ihr zu, wie sie die Blumen in einer Vase anordnete. Eine alte, verwelkte und verbitterte Frau, die mit all ihren Kräften, die ihr noch geblieben waren, darum kämpfte, die Reste ihres ehemaligen jugendlichen Aussehens zu bewahren. Viel mehr als das gab es auch nie an ihr. Sie war eine einfache Frau, die noch heute stolz darauf war, als Leihmutter eines so bedeutenden Mannes gedient zu haben. Dank ihrer Leichtlebigkeit empfand sie es auch nicht als Verlust, ihren Sohn von einer anderen großziehen zu lassen. Erst als Plastrothmann sich weigerte, sie nach dem plötzlichen Tod seiner Eltern in die geerbte Villa einziehen zu lassen, erlitt ihr Selbstwertgefühl einen recht heftigen Schlag.

      Diese wunderschöne Villa, vollgestopft mit Antiquitäten, Kunstgegenständen und Gemälden, die heute noch als vermisst galten. Scheinbar verloren gegangen in den Wirren des zweiten Weltkrieges. Entartete Kunst. Heinrich hatte sie damals eigenhändig aus dem Verkehr gezogen, und es gefiel ihm überhaupt nicht, dass sein Enkel ebenso unbekümmert damit umging wie sein verstorbener Sohn.

      „Wie findest du meine neue Tönung?“, sprach seine Mutter ihn plötzlich direkt an. Er bemerkte es an ihrer Körpersprache, wenn sie von ihm eine Antwort erwartete.

      „Ein wenig zu rot“, antwortete er unverblümt. „In deinem Alter!“

      Für einen kurzen Moment war seine Mutter sprachlos. Bis auf die Geschichte mit dem verweigerten Einzug in die Villa, war sie von ihrem Sohn ausschließlich zustimmende Bemerkungen gewohnt.

      „Was ist mit dir los? Hast du Sorgen?“, fragte sie mit dem sicheren Instinkt einer lebenserfahrenen Frau.

      „Nein, entschuldige“, wiegelte Plastrothmann ab. „Nur ein schwieriger Fall.“

      Damit war für seine Mutter die Sache erledigt. Auch Plastrothmanns Anwaltstätigkeit gehörte zu den Tabuthemen ihrer Beziehung.

      Zufrieden lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück und gab Bericht über die Ereignisse der vergangenen Woche. Es war immer das Gleiche. Die gestiegenen Preise, die vermeintlichen Unverschämtheiten der Hauswartsfrau, der neuste Tratsch aus dem Friseursalon, die Ungezogenheiten der Nachbarskinder und Ähnliches. Plastrothmann lehnte sich ebenfalls zurück, doch alles andere als entspannt. Seine Nervosität beunruhigte ihn. Er war solche Gefühle nicht gewohnt.

      Dieses Unbehagen, das ihn befallen hatte nach Heinrichs Telefonanruf in der Kanzlei. Er war sofort zu ihm gefahren und das, obwohl sie sowieso jeden Freitagabend zusammen speisten. Heinrich hatte ihn, auch das entgegen sonstiger Gepflogenheiten, Höchstselbst an der Wohnungstür empfangen. Er wirkte äußert besorgt, ja fast aufgeregt. Das verstärkte Plastrothmanns Unbehagen noch. Bis heute begriff er nicht, dass dieses ihm völlig unbekannte Gefühl Angst war. Einfach nur diffuse Angst.

      Heinrichs Haushälterin wirtschaftete bei seiner Ankunft unüberhörbar in der Küche. Der Tisch im Esszimmer war bereits gedeckt gewesen für die übliche freitägliche Abendmahlzeit. Auch dies ein unerschütterliches Ritual in seinem Leben. Das Essen mit Heinrich, seinem Mentor und Protektor.

      Heinrichs Haushälterin Henriette war eine ausgezeichnete Köchin. Selbst ihr hohes Alter konnte ihrem Geschmackssinn offensichtlich nichts anhaben. Zwar fanden sich in letzter Zeit ab und an Stückchen von Eierschale in ihrem göttlichen Käsekuchen oder auch mal ein Haar im Hirschragout, doch beide

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