Alte Männer - böser Traum. Linda Große

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Alte Männer - böser Traum - Linda Große

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ich verschwinde jetzt in die Heia!“, erklärte Clea. „Habe schließlich einen extrem langen Tag hinter mir. Gute Nacht ihr zwei!“

      Sie gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange. Dann war Lilo dran, weich und puderig. Zum ersten Mal fiel Clea auf, dass sie ihre Stiefmutter noch nie ungeschminkt gesehen hatte. Auch das Hotelbett war weich. Eigentlich zu weich, aber irgendwie doch ganz angenehm. Clea kuschelte sich richtig ein und wunderte sich nach einer halben Stunde darüber, dass sie immer noch nicht eingeschlafen war. Die roten Ziffern der Uhr machten beim Wechsel der Zahlen ein leises Tack-Tack. Draußen rauschten unvermindert die Autos über den Asphalt. Verdammt, dachte Clea, mein Urlaub wird doch nicht mit einer schlaflosen Nacht anfangen?

      Kapitel 3

      Heute wollte er sich einen Cognac gönnen. Das spartanische Abendessen stimmte nicht mit seinen Empfindungen überein. Den guten, französischen Cognac in dem großen Cognacschwenker, dessen Boden seine ganze Handfläche ausfüllte. Er begab sich gemessenen Schrittes zu dem Bücherschrank, in dem sich ein kleines, mit einer Klappe versehenes Barfach befand. Die selten gebrauchte Flasche stand gleich vorne, neben einem Kräuterlikör. Er nahm sie heraus, schloss die, durch Klavierband gehaltene Tür und entnahm der daneben stehenden Vitrine das Cognacglas und füllte das Glas fast zur Hälfte. Nun wandte er seine volle Aufmerksamkeit dem Glas zu, schwenkte es mit kurzen Drehbewegungen, bis die goldbraune Flüssigkeit Kreise zog. Er führte die Öffnung zu seinem Gesicht und sog den Duft ein. Langsam schob er die Lippen um den Rand und nippte behutsam etwas von dem Cognac. Die Wirkung erfolgte sofort. Der Geschmackssinn aktivierte Gefühle, die auf längst vergangenen, guten Erinnerungen beruhten. Gute Gefühle, angenehme Empfindungen, das hatte er sich jetzt wirklich verdient.

      Zufrieden setzte sich Heinrich wieder in seinen Sessel hinter dem Schreibtisch. Auf der Platte ausgebreitet lagen die Orden und Ehrenzeichen, die ihm damals während des Krieges verliehen wurden. Heute gab er sich dem Luxus hin, in angenehmen Erinnerungen zu schwelgen. Sein größter Stolz, das Ritterkreuz, lag in der Mitte der beachtlichen Ansammlung.

      Erneut nahm er einen Schluck Cognac zu sich, lehnte sich entspannt zurück und dachte an die Situation die ihn, relativ jung, zum Major und Ritterkreuzträger gemacht hatte. Mutig und entschlossen war er gewesen. Angst hatte er nicht verspürt. Einfach den Befehl erteilt, die Geschütze zu wenden, um auf die russischen LKWs zu schießen. Eine gelungene Anweisung! Dadurch war seine Truppe rausgekommen. Obwohl sie fast noch gescheitert wären an diesem Fluss, dessen Namen er mittlerweile vergessen hatte. Dieser Gefreite mit seinem Krad. Ein verwegener Kerl, leider mit einem herben Mangel an Disziplin. Ohne den Befehl abzuwarten, reagierte er auf die, schwer einzuschätzenden Handzeichen der russischen Bauern am gegenüber liegenden Ufer. Mit Vollgas war er in den Fluss gerast. Und hatte so die Furt entdeckt.

      Es klopfte an die Tür des Büros, und Henriette betrat den Raum.

      „Ich gehe jetzt zu Bett. Kann ich Ihnen vorher noch irgendetwas bringen?“ So entspannt durch den Alkohol erfreute ihn ihre gewohnte Unterwürfigkeit. Diese Freude wollte er auskosten.

      „Mach mir doch noch ein Spiegelei. Mit Speck, knusprig gebraten. Und eine Scheibe getoastetes Graubrot dazu.“

      Henriette ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken, fragte lediglich: „Hier oder im Esszimmer servieren?“

      „Hier.“

      Er verspürte nicht den geringsten Appetit auf Spiegelei mit Speck, auch keine Spur von Hunger, aber es tat gut, einen so brav befolgten Befehl zu erteilen. Henriette war die vollkommene Dienerin schlechthin. Es sollte mehr solcher Frauen geben, dachte er. Für Sigurd hatte er bereits eine solche Frau gefunden. Und er würde sie, zum Wohle der Partei, bald ehelichen. Daran hegte er keinen Zweifel, auch wenn sein Enkel noch nichts davon wusste. Er war immer ein gehorsamer Junge gewesen. Man musste ihm nur genug Leine lassen.

      Das uralte Rezept: Brot und Spiele. Ließ man ihm seine Spielchen, funktionierte er brav. Zur Lenkung gehörte zwar ab und an auch etwas Druck, aber der sollte möglichst unmerklich erfolgen. Er lachte leise vor sich hin. Der Höhepunkt seiner mühevollen Arbeit lag in greifbarer Nähe. Nichts würde seine Pläne stören können. Menschen zu lenken, das war seine Gabe. Und Sigurd war schon immer Wachs in seinen Händen gewesen, ganz anders als dessen Vater. Leichtsinn und Eigensinn hatten ihn ungeeignet gemacht für den Dienst am Vaterland. Wie gut, dass die Vorsehung auch Herr über die Zeit ist, dachte Heinrich und spülte die unangenehme Erinnerung an Albert mit einem großen Schluck Cognac hinunter. Und trotz allem konnte schließlich auch Albert seinen Teil dazu beitragen. Ja, Menschenführung, dass war die Gabe, die ihn ausmachte und erfüllte. So hatte er letztlich auch Albert in sein gut vorbereitetes Netz einbeziehen können.

      Henriettes Klopfen überhörte er dieses Mal, eingesponnen in seine wohltuenden Erinnerungen. Sie stellte den Teller vor ihn hin, wünschte guten Appetit und verschwand wieder.

      Der Anblick des gebratenen Eies mit dem Speck löste die nächste Erinnerung aus. Der Rückzug. Das russische Dorf. Seine Männer jagten die Hühner, die russischen Frauen kochten sie in einem großen Kessel. Und damit das Warten nicht zu lang wurde, brieten die Russen einige Eier. Dafür teilten seine Männer die Hühnersuppe mit den Bauersleuten. Wortführer dabei war wieder dieser Kradfahrer. Er holte alle an den Tisch, so als wären es Kameraden. Mit einer unbewusst heftigen Bewegung kippte Heinrich den letzten Schluck Cognac in sich hinein, schlug mit geballter Faust auf den Schreibtisch und verkündete laut:

      “Die Zeiten sind vorbei. Es wird wieder gehorcht!“

      Kapitel 4

      „Ganz ruhig, mein kleiner Kaspar! Mami ist ja bei dir!“

      Seit Stunden wiederholte Lilo diesen Satz. Als wenn der sowieso total apathische Mops, der wie eine schlecht gestopfte Wurst auf dem Rücksitz lag, diesen Zuspruch nötig hätte. Dafür entfaltete er seine hypnotisierende Wirkung ungewollt bei Clea. Sie hing mit hin und her pendelndem Kopf schlafend in ihrem Sicherheitsgurt. Simon war trotz seines hohen Alters fast die gesamte Strecke von Köln aus alleine gefahren. Die Nacht im ungewohnten Bett hatte ihm anscheinend weniger zugesetzt als seiner Tochter und seiner Ehefrau. Lilo war nicht bloß müde, sondern unüberhörbar entnervt. Seit sie durch Frankreich fuhren, erklärte sie alle fünf Minuten, sie fühle sich völlig “derangiert“.

      Das konnte Simons guter Laune allerdings nicht das Geringste anhaben. Seit sie kurz hinter Mons die belgisch-französische Grenze überquert hatten, summte er immer wieder die französische Nationalhymne vor sich hin. Schließlich sang er laut die erste Zeile. Mehr vom Text konnte er zu Lilos Leidwesen nicht. So fing er immer wieder von vorne an: „Allons enfants de la patriiiiije...“

      Die vielen i’s holten Clea endgültig aus ihrem unruhigen Schlummer. Auch Kaspar schreckte hoch. Wenn man bei seinen trägen Bewegungen überhaupt von Aufschrecken reden konnte. Jedenfalls öffneten sich die speckigen Fellröllchen um seinem Maul und er stieß einen hohen, langgezogenen Ton aus. Der hörte sich nicht im Entferntesten nach Hundegebell an. Eher nach dem Gesang eines Wals, fand Clea. Der nächste Urlaub geht nach Grönland, Wale beobachten, dachte sie, aber ohne das Hundevieh!

      „Ganz ruhig mein kleiner Kaspar, Mami ist ja bei dir“, säuselte Lilo und knetete die Speckröllchen in Kaspars Genick. „Papi hat gute Laune“, erklärte sie dem Mops. Der ließ daraufhin augenblicklich seine Stimmmuskeln gemeinsam mit den Halsmuskeln erschlaffen und lag erneut so reglos wie zuvor.

      „Du hast den armen Hund erschreckt, Simon!“, wandte sich Lilo nun an ihren Mann. Da Clea absolut keine Lust auf Diskussionen über Kaspars Seelenleben verspürte, schlug

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