Die Kinder der Schiffbrüchigen. Jonas Nowotny

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Die Kinder der Schiffbrüchigen - Jonas Nowotny

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Oliver Wagner«, antwortete Oliver. Er wischte die schweißnasse Hand an seiner Stoffhose ab, ehe er sie Alexander entgegenstreckte. »Ich bin hier heute für die Fotos zuständig.«

      Alexander nahm die Hand. »Sehr erfreut.«

      »Und wo ist … wo ist seine Mama?«, fragte Oliver, während er jetzt Christian die Hand reichte.

      »Sie schütteln ihr gerade die Hand«, antwortete Christian. »Wir«, er legte Alexander demonstrativ den Arm um den Hals, »sind Louis' Eltern.«

      Oliver nickte. Es war nicht nur die Nachmittagssonne, die ihm weiter den Schweiß auf die Stirn trieb.

      »Ach so. Ach so ist das«, stammelte er.

      »So ist das«, lachte der Kapitän. »Dann sind wir ja jetzt vollzählig und ich kann endlich ablegen.« Thalberg salutierte und ging.

      Oliver bemerkte Christians misstrauisch taxierenden Blick auf sich ruhen. Mit Christian hatte er keinen guten Start, so viel war sicher. Schützend hob er sich die Kamera vor das Gesicht. »Cheese.« Das Kommando wirkte: Die beiden Männer prosteten gestellt lächelnd in die Linse.

      »Es tut mir Leid, falls ich eben in ein Fettnäpfchen getreten bin.« Oliver senkte die Kamera. »Ich wusste nicht, dass ...«, er zögerte. Auf keinen Fall sollte er nochmal jemanden brüskieren. Er begann den Satz neu. »Ihr habt das Baby adoptiert?«

      Alexander nickte.

      »Cool.« Oliver räusperte sich. »Wirklich. Geht das denn heutzutage? Ich meine … äh … zwei Männer und so?«

      »Nicht in Deutschland«, erklärte Christian schnippisch, »Louis ist aus den USA. Da funktioniert das«.

      »Verstehe«, sagte Oliver, »wie lange musstet ihr in den USA leben, bis die Adoption abgeschlossen war?«

      »Gar nicht«, gab Christian zurück. Ihn nervte die Unterhaltung sichtlich. »Wir haben die ganze Zeit in Deutschland gelebt.«

      »Wie geht das denn? Musstet ihr nicht überprüft werden, ehe sie euch ein Kind geben?« Oliver war ehrlich an dem Prozedere interessiert, als beträfe ihn das Thema persönlich. Und das tat es auch, das wurde ihm in diesem Moment bewusst.

      »Selbstverständlich brauchten wir einen Sozialbericht«, sagte Christian. »Wir wurden insgesamt acht Mal von der amerikanischen Sozialarbeiterin besucht, ehe wir Louis zugesprochen bekamen. Nur das deutsche Jugendamt, das haben wir nicht gefragt.«

      »Und das lässt sich das Amt so gefallen?« Oliver war verblüfft. »Eine Adoption quasi durch die Hintertür, da sollte man meinen, das Amt wäre ...« Er unterbrach sich selbst, weil Christians Blick sich verfinsterte.

      »Ich denke, das Thema Behörden lassen wir heute lieber«, schlug Alexander ruhig vor, »da liegt das eine oder andere im Argen.«

      »Genau«, gab Oliver retour und wich einen Schritt zurück. »Ich mische mich dann mal unter die Leute und mach ein paar Fotos.« Er nickte den beiden Männern freundlich zu und schnappte sich zur Nervenberuhigung ein Glas von den Tablett, das ein Kellner eben an ihm vorbeitrug. Wow, dachte er, nachdem er den Sekt auf Ex geleert hatte, was für eine kaputte Familie: Zwei Homos und ein schwarzes Baby! Außerdem irritierte ihn der Familienname Thalberg. Hatte der Hausmeister nicht von einer Feier der Benschs gesprochen? Oliver ließ Revue passieren, was er bisher wusste: Der Kapitän, Claus Thalberg, war der Großvater des adoptierten Babys Louis und Vater von Alexander Thalberg. Der Christian ... Christian! Oliver schluckte; kalt traf ihn die Erkenntnis. Er zoomte auf Christian. Die Kamera klickte drei Mal. Wenn Christian ihr Sohn war, dann ...

      »Na, auch heimlich in den Typen verliebt?«, unterbrach jemand seine Gedanken. Oliver senkte die Kamera. »Wie bitte?«

      Er musterte den hochgewachsenen, auffallend schlanken Mann, der sich neben ihn gesellt hatte. Sein Krawattenknopf saß passgenau am ordentlich aufgestellten Hemdkragen. Nur die rote Schleife wollte nicht recht zu dem braunen Anzug passen.

      »Leidensgenosse Rüdiger«, stellte sich der Fremde vor.

      »Leidensgenosse?«, erwiderte Oliver, »ich glaube nicht, dass ...«

      »Ach, zier dich nicht.« Der Schlanke grinste. »So oft, wie du die jetzt fotografiert hast. In welchen der beiden bist du denn verknallt?«

      Ein scheues Lächeln huschte Oliver über die Lippen. Hielt Rüdiger ihn für schwul?

      »Ich bin der Eventfotograf«, antwortete Oliver schnell. In das Gesicht des Unbekannten stieg ungesunde Röte. Verlegen nippte er am Orangensaft. »Entschuldigen Sie.«

      Oliver schmunzelte. »Und zu welchem Teil der Familie gehörst du?«

      Rüdiger seufzte. »Der Dunkelblonde ist mein Ex. Schau dir nur die Grübchen an, wenn er lächelt!« Er verschränkte die Arme und seine Stimme wurde ernst. »Zwei Jahre waren wir zusammen, bis ich Idiot dienstlich ein Jahr nach Australien musste und prophylaktisch mit ihm Schluss gemacht hab. Ich wollte ungebunden sein in Down Under.« Wieder nippte er an seinem Orangensaft. »Lass uns Freunde bleiben, hab ich zu ihm gesagt. Und als ich zurückkam, war er mit dem anderen verlobt.« Er deutete auf Alexander. »Freunde sind wir tatsächlich geblieben.« Oliver beobachtete Christian und wartete auf ein grübchendurchzogenes Lächeln, aber es erschien keines. Stattdessen erklang jetzt die Schiffsglocke, ein Dieselmotor röhrte und durch das Schiff zog ein Ruck. Thalberg hatte Fahrt aufgenommen. Die Anetta entfernte sich rasch vom Ufer.

      »Achtung!«, raunte Rüdiger ihm zu, »Catrin im Anmarsch! Das kann interessant werden. Vielleicht sollte der Bildberichterstatter näher treten.«

      »Who the fuck is Catrin«, murmelte Oliver und beobachtete die ganz in Schwarz gekleidete Frau, die jetzt auf das Elternpaar zuging. Sie trug ein kleines Mädchen im Arm; ein weiteres hatte sich scheu an ihr Kleid geklammert. Am anderen Arm baumelte lässig ein Weidenkorb.

      »Alex' Schwester und ihr Mann«, erklärte Rüdiger und deutete mit dem Kinn auf den farblosen Mann, der Catrin folgte. Auch er trug ein Mädchen im Arm. Oliver traf ein Blick aus Catrins nussbraunen Augen. Sie strahlten aus einem blassen, aber porzellanpüppchenschönen Gesicht zu ihm her. Für ein paar Sekunden stockte ihm der Atem.

      »Catrin!«, rief Alexander mit sektgelöster Stimme, »mit euch hab ich nicht wirklich gerechnet!«

      »Mama und Papa haben drauf bestanden«, antwortete Catrin trocken und stellte den Weidenkorb neben sich auf die Schiffsdielen.

      Alexander schien das Gesagte nicht zu enttäuschen. Er wandte sich lächelnd dem Mädchen auf ihrem Arm zu.

      »Schön, dass du da bist, Maria.« Speckbäckig sabberte die Kleine auf ihr weißes Kleidchen. Alexander streichelte sie über die Wange und begrüßte die beiden älteren Mädchen. »Gut Euch zu sehen.« Zuletzt reichte er Björn, Catrins Ehemann, die Hand.

      »Lasst uns anstoßen!«, sagte Alexander.

      »Du weißt, dass wir nicht trinken«, entgegnete Catrin. Die Kälte ihrer Stimme wehte zu Oliver herüber. Er wischte sich eine wohlige Gänsehaut vom Arm.

      »Wir haben für den Fall der Fälle auch Kindersekt«, mischte sich nun Christian ein, der sich zuvor, der Begrüßung entziehend, etwas abseits gestellt hatte. Catrin brachte ein steifes Lächeln zustande. »Also gut.« Sie linste in den Kinderwagen. »Der Junge schläft friedlich, als ginge ihn die ganze Chose hier

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