Die Kinder der Schiffbrüchigen. Jonas Nowotny

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Die Kinder der Schiffbrüchigen - Jonas Nowotny

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mir haben Sie das Gefühl, ich schaue durch Sie hindurch?« Er war sich unsicher, ob Catrin etwas wusste oder nur im Trüben stocherte. »Und was suche ich, Ihrer Meinung nach?« Oliver sah sie hart an; nicht noch einmal wollte er hören, er blicke durch Menschen hindurch.

      »Oh, ich bin Ihnen zu nahe getreten«, stellte Catrin fest.

      »Nein, so ist es nicht. Ich kann nur nicht verstehen, was Sie ...«

      »Oliver, es hat nichts Anrüchiges, ein Suchender zu sein. Alle suchen wir. Nach Wahrheiten. Nach Antworten. Nach einer Frau. Vielleicht nach Gott.« Sie hatte sich ihm zugewandt und schien auf eine Reaktion zu warten. Doch mehr als ein kehliges »ähm« brachte er nicht zustande. Er konnte es nicht fassen: Baggerte ihn gerade die Schwester des Gastgebers an? Oliver konnte sich nicht empören. Im Gegenteil. Er fühlte sich geschmeichelt. Catrin gefiel ihm, und dass Frauen ihm offen Interesse bekundeten, geschah nicht oft.

      »Sie müssen mir nicht antworten. Entschuldigen Sie. Es war unhöflich, Sie anzusprechen.« Catrin senkte den Blick.

      »Ihnen muss nichts leid tun. Ich war nur irritiert. Ich finde es schön, dass Sie sich für mich interessieren.« Wieder schwappte Oliver Röte ins Gesicht. Seit wann ließ er sich von Frauen derartig aus der Fassung bringen? Wieder diese Schweißperlen.

      Catrin hob den Kopf und lächelte erleichtert.

      »Also. Wonach suchen Sie?«

      Ehe Oliver sich darüber klar werden konnte, ob er ihr antworten wollte, unterbrach Catrins Mann die Unterhaltung.

      »Da bist du ja!«, sagte Björn und musterte Oliver.

      Catrin schien sich in keiner Weise ertappt zu fühlen und stellte die beiden Männer einander vor.

      »Wo sind die Kinder?«, fragte sie anschließend.

      »Bei Oma am Bug. Becky übt die Kate-Winslet-Pose. Wir sollten Oma nicht zu lange mit den Wirbelwinden allein lassen.« Björns Heiterkeit wirkte gezwungen.

      »Ach!«, meinte Catrin, »ich habe mich gerade so schön mit Oliver unterhalten. Und es wäre unhöflich, das Gespräch so angebrochen zurückzulassen.«

      Björn hob misstrauisch die Augenbrauen.

      Oliver stotterte: »Schon gut, Frau äh ... Thalberg?«

      »Wulf«, half Björn, der sichtlich ungeduldig wurde.

      »Es war schön, mit Ihnen zu plaudern. Aber ich müsste ohnehin mal für … ähm … kleine Fotografen.«

      Catrin zwirbelte neckisch an einer Haarsträhne. »Verstehe. Dann setzen wir das Gespräch gern ein andermal fort.« Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, dennoch entging Oliver nicht das vorwurfsvolle Glimmen in ihren Augen, mit dem sie ihren Gatten bedachte. Oliver lächelte dem Ehepaar verbindlich zu. Welch bizarre Familie!

       Kapitel 3

      Die Lounge der MS Anetta befand sich im vorderen Teil des Hauptdecks, zwischen der Treppe zum Oberdeck, der Toilette und dem Salon. Eine schwere Mahagonitür führte in den mit bequemen Sitzmöbeln und einer Bar ausgestatteten Raum. Christian stand am Tresen, schüttete einhändig Milchpulver aus dem Dosierer in Louis' Milchflasche und goss heißes Wasser aus der Thermoskanne darüber. Louis weinte schrill vor Hunger.

      »Gleich ist es so weit, mein Herz. Es ist noch zu heiß«, tröstete Christian und wiegte seinen Sohn im Arm. Mit der freien Hand schüttelte er die Flasche, damit die Milch rascher abkühlte.

      Die schwere Holztür öffnete sich leise. Renate steckte den Kopf herein. »Den habe ich dem Kellner abgenommen.« Sie hielt einen mit Eiswasser gefüllten Sektkühler. »Ich dachte mir, der Kleine hat Hunger. Und so geht es schneller.«

      Christian rang sich ein Schmunzeln ab. Er konnte ihr noch nicht ganz verzeihen, dass sie ihn eben allein mit seinem Vater hatte stehen lassen, um die unsägliche Catrin zu begrüßen. Aber Renate dachte mit, das musste er ihr lassen und, das war am wichtigsten, sie vergötterte ihren Enkel. Von dem ersten Tag an, als sei Louis ihr Fleisch und Blut. Sie gab eine großartige Oma ab. Ebenso wie sie eine großartige Mutter sein konnte, wenn sein Vater nicht in der Nähe war. Sie verteidigte ihren Sohn gegen alles und jeden. Diese Tatsache hatte ihm schon im Kindergarten den Ruf eines Muttersöhnchen eingebracht. Das Image ließ ihn auch auf der Realschule nicht los, wo Renate für ihn manchen Kampf mit den Lehrern ausfocht. Allein gegen einen Menschen musste er sich selbst behaupten: Horst. Seinen Vater. Ihm gegenüber war auch Renate machtlos.

      »Danke!« Christian lächelte und gab ihr die heiße Milchflasche. »Gleich ist es so weit, Süßer!« Er drückte Louis einen Kuss auf die Stirn. Das Wiegen beruhigte ihn.

      »Was wollte dein Vater denn?«, fragte Renate. Sie hatte den Blick fest im Sektkühler, rührte das Eis mit der Flasche.

      »Das Übliche. Er kippt wieder mal im Akkord Biere. Er wurde redselig und laut. Er wollte wissen, warum wir Louis nicht taufen lassen.«

      »Hm«, machte Renate. »Hat er's verstanden?« Sie hielt die Flasche prüfend an ihre Hand und packte sie dann zurück ins Eis.

      »Ich bin gegangen. Mir war's peinlich. All meine Freunde sind hier, und er führt sich so auf.«

      »Ärgere dich nicht über ihn. Er meint es nicht so.« Renate bedeutete ihm, sich auf die Ledercouch zu setzen. Die Milch hatte Trinktemperatur erreicht. Sie setzte sich neben ihn.

      »Wie hältst du das nur aus?«, fragte Christian. »Diese Sauferei, diese Demütigungen!« Er tauschte Louis‘ Schnuller gegen die Milchflasche. Sofort saugte Louis gierig daran.

      »Dein Vater ist krank«, sagte sie leise, »aber tief im Herzen ist er ein guter Mensch.«

      Christian blickte sie verständnislos an.

      »Er ist krank«, schob sie seufzend nach, »und genau deshalb darf ich nicht gehen.« Renate kramte in der Innentasche des Blazers. Sie fand ihr Handy, legte es beiseite und suchte weiter. Dann zog sie ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Augen.

      »Alkoholiker können sich helfen lassen, Mama. Aber das tut er nicht! Er macht dich kaputt, er macht unsere Familie kaputt!« Christian flüsterte – nicht wegen Louis, sondern des Themas wegen, das große Familientabu. Dabei wusste alle Welt von Horsts Problemen. Dass er seine Frau schlug und seinen Sohn geprügelt hatte, bis dieser endlich ausgezogen war.

      Die Tür öffnete sich erneut. Oliver stolperte in den Raum. »Oh ... Verzeihung«, stotterte er, »ich suche die Toiletten.«

      Christian verdrehte die Augen und konzentrierte sich auf Louis, gierig saugte er am Milchfläschchen.

      »Sie müssen daran vorbeigegangen sein: Gleich links neben der Treppe«, erklärte Renate.

      »Danke, danke«, sagte Oliver und behielt ein paar Sekunden Blickkontakt mit Renate. Erst als sie sich abwandte und Louis über das krause Haar strich, zog Oliver den Kopf aus der Tür.

      »Wie der dich angegafft hat«, bemerkte Christian unwirsch.

      Seine Mutter schüttelte den Kopf. »Was du immer siehst!«

      »Also, mir kommt er komisch vor«, beharrte Christian. Renate winkte ab. Eine Stille,

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