Die Kinder der Schiffbrüchigen. Jonas Nowotny

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Kinder der Schiffbrüchigen - Jonas Nowotny страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Kinder der Schiffbrüchigen - Jonas Nowotny

Скачать книгу

des alkoholfreien Sekts abmühte. Oliver drückte auf den Auslöser.

      Catrin reichte ein Glas an Björn. »Bekomme ich auch einen?«, fragte Rebecca, Catrins Älteste. »Aber natürlich!«, antwortete Alexander und gab der Achtjährigen den nächsten Sekt.

      »Du auch einen, Ruth?«, erkundigte sich Christian, während er bereits einen Kinderbecher füllte, »der schmeckt ganz lecker! Den trinke ich auch immer!«

      Statt ihrem Onkel zu antworten, vergrub Ruth ihr Gesicht im Baumwollrock der Mutter.

      »Sie darf bei mir nippen«, sagte Catrin, nahm den Becher und trank hastig, ohne jemandem zuzuprosten. »Übrigens, Becky«, fuhr sie fort, als sie den Becher absetzte, »magst du Louis nicht unser Geschenk geben?«

      Das Mädchen nickte. Entgegen Olivers Erwartung befand sich das Geschenk nicht in Catrins Weidenkorb. Becky nahm einen violetten Rucksack vom Rücken und zerrte ein schmal geschnürtes Päckchen heraus.

      »Das Geschenkpapier habe ich selbst bemalt«, erklärte sie stolz und überreichte Alexander das zerknitterte Paket.

      »Vielen Dank. Ich bin vorsichtig beim Auspacken.« Mit einem Messer, das auf dem Partytisch lag, schnitt er die bunten Schnüre durch und löste mit spitzen Fingern den Klebestreifen.

      »Schau mal, Christian, das Geschenkpapier hat Becky selbst gemalt«, sagte Alexander zu Christian, als habe dieser das Bisherige nicht mitbekommen. Er strich das Papier über seinem Knie sorgfältig glatt. Rote Herzen und gelbe Sterne umrandeten drei Strichmännchen.

      »Das bist du, Onkel Chris, und der kleine Louis«, erklärte Rebecca strahlend.

      »Habe ich sofort erkannt«, behauptete Alexander und drückte seiner Nichte einen Kuss auf die Stirn. Becky kicherte.

      »Wollen wir uns jetzt Louis‘ Geschenk vornehmen?«, fragte Alexander. Becky nickte. »Ich tippe auf Strampler«, sagte Alexander und faltete den weißen Stoff auseinander. Dann hielt er einen Moment inne, suchte Blickkontakt zu Catrin. »Du kannst es wirklich nicht lassen, oder?«, fragte er matt. Oliver sah ihn um Fassung ringen und drückte rasch den Auslöser, als Alexander das Kleidungsstück hochhob, damit auch Christian den roten Schriftzug lesen konnte.

      »Jesus loves me«, las Rebecca vor, »Das bedeutet: Jesus liebt mich.«

      »Danke für die Übersetzung, mein Schatz«, erwiderte Alexander leise und schaute in Richtung seiner Schwester.

      »Der Kleine soll wissen, dass er trotzdem nicht verloren sein muss«, erklärte sie unschuldig. Alexander presste die Lippen aufeinander und nickte langsam, als begreife er endlich, welch schlechter Mensch er war.

      »Trotzdem?«, mischte Christian sich ein. Das Wort zuckte wie ein Blitz zwischen ihm und Catrin. »Trotzdem Louis zwei Väter hat, oder was?«, präzisierte er. Catrin versteckte ihr Grinsen hinter einem Nippen am Kindersekt.

      »Und ich dachte, ihr seid gekommen, weil ihr unsere Familie endlich akzeptiert!«, fuhr Christian fort.

      »Um Himmelswillen! Wie naiv du doch bist!« Catrin lachte abschätzig und wiegte Maria im Arm. »Ich bin hier, weil mein Vater es wünscht und ich ihn nicht vergrämen will. Ich werde nie akzeptieren können, was vor Gott eine Sünde ist.« Sie schüttelte den Kopf, als käme sie nicht über die Blauäugigkeit ihres Schwagers hinweg. »Wenn jemand bei einem Manne liegt«, fuhr sie fort, »wie bei einer Frau, haben sie getan, was ein Gräuel ist. Drittes ...«

      »Drittes Buch Mose, Vers 20, 13«, unterbrach Christian ihren Vortrag, »und sollen beide des Todes sterben; Blutschuld lastet auf ihnen. Ich hab den Scheiß auch gelesen, Catrin.« Er nahm das Messer vom Partytischchen. »Und? Was schlägst du jetzt vor?«, forderte er Catrin heraus, »soll ich mir gleich hier die Pulsadern aufschneiden oder mich lieber später vor einen Zug legen? Was verlangt die Bibel? Steinigen?« Christian drückte sich die Klinge an den Unterarm, Oliver den Auslöser seiner Kamera.

      »Lästere du nur!«, raunte Catrin. Verstohlen schaute sie sich um, als würde ihr die Unterhaltung unangenehm. Als sie jedoch bemerkte, dass sich die übrigen Partygäste nur füreinander interessierten, setzte sie nach: »Du wirst deine Strafe bekommen, wenn ihr Euer Leben zum Zorn Gottes fortführt. Und jetzt zieht ihr noch ein unschuldiges Kind in das Ganze hinein.«

      Christian lachte. »Vielleicht sollte ich mir besser die Kehle durchschneiden?« Er ließ die Klinge vor seinem Hals tanzen.

      »Du bist peinlich«, zischte Alexander und wand Christian das Messer aus der Hand.

      »Peinlich? Ich?« Christian stemmte die Hände in die Hüften. »Deine Schwester ist es doch, die ...«

      Alexander zog Christian an sich und schloss ihm mit einem Kuss den Mund.

      »Isch do... wa...«, versuchte Christian weiterzusprechen. Für alle sichtbar schob Alexander ihm seine Zunge in den Mund.

      »Ekelhaft!« Catrin drehte sich weg. »Lasst uns Oma suchen«, schlug sie den Kindern vor, Björn trottete stumm seiner Familie hinterher.

      »Ein richtig kleiner Drache!«, lachte Rüdiger. Oliver erwiderte nichts. Stumm blickte er Catrin nach, bis sie verschwunden war. Er glaubte nicht an das Märchen von der Liebe auf den ersten Blick, denn nie zuvor hatte ihm der bloße Anblick einer Frau ein wohliges Bauchkribbeln beschert. Gern wäre er jetzt Catrin gefolgt, doch er erinnerte sich, warum er hier war. Er lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf die beiden Väter. Gerade schwankte ein Herr, dessen zotteliger Schopf schon länger keine Friseurschere begegnet war, auf die beiden zu. Sein weißes Hemd trug Schwitzflecken und ragte im Schritt aus der Hose heraus.

      »Was hat Catrin denn wieder gebissen?«, lallte er, während er an einem Partytischchen Halt suchte.

      Christian bedachte den Betrunkenen mit einem verächtlichen Blick und löste sich aus Alexanders Umarmung. Oliver rückte näher ans Geschehen. Eine unbestimmte Ahnung verriet ihm, er würde gleich weitere Familieninterna lernen.

      Und dann sah er sie. Mit einem dunkelblauen Blazer gekleidet, bahnte sie sich vorsichtig einen Weg durch die Trauben aus Gästen.

      »Da bist du, Horst!« sagte sie und stellte sich neben den schwankenden Mann. Oliver schätzte sie auf Mitte fünfzig, obwohl der Dutt, zu dem ihr graublondes Haar geknotet war, sie älter wirken ließ.

      »Ihr habt doch nicht etwa wieder gestritten?« Ihre besorgten Augen sprangen zwischen Horst und Christian hin und her.

      »Streit? Wer streitet sich denn?« Horst gab sich empört. »Sohn, sag deiner Mutter, dass ich nicht zoffen wollte.«

      Christian blies die Backen auf und blickte hilfesuchend auf die Frau hinab.

      »Ich hab nur wissen wolln«, lallte Horst weiter, »was deine Freundin wieder zu stänkern hatte.«

      »Catrin ist hier?« Die Miene der Frau erhellte sich. »Dann will ich sie suchen und ihr hallo sagen.«

      »Mama.« Christians Stimme klang flehend.

      Ein warmes Ziehen durchwanderte Olivers Magen. Wenn Christian die Frau im Blazer, dessen Kragen phantasievoll mit Pailletten bestickt war, Mama nannte, bedeutete dies, dass sie die Gesuchte war: Renate Bensch.

      »Kommst du, Horst?« Renate zog ihn am Ärmel. Horst riss sich von ihr los. »Lass mich und geh!«

      Renate

Скачать книгу