Die Kinder der Schiffbrüchigen. Jonas Nowotny

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Kinder der Schiffbrüchigen - Jonas Nowotny страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Kinder der Schiffbrüchigen - Jonas Nowotny

Скачать книгу

ihr zweimal mit der Kamera hinterher, als könne er damit die Versuchung unterdrücken, ihr zu folgen. Versonnen befühlte er das Pfand in seiner Hosentasche; warm und leicht lag es in seiner Hand. Der Betrunkene stänkerte unterdessen weiter. War er der, für den Oliver ihn halten durfte? Der Gedanke ernüchterte ihn.

      »Catrin hat wohl nicht gepasst, dass ihr euren kleinen Wadenbeißer nicht ordentlich taufen lasst, was?«, riet Horst und sog an seiner Bierflasche. Schwankend linste er in den Kinderwagen, ehe er die Flasche absetzte und rülpste. »Und soll ich euch was sagen?«

      »Nein, Papa«, fuhr Christian ihn an.

      Horst sprach weiter: »Ich kapier‘s auch nicht. Was soll dieses bunte Treiben hier?« Horst wedelte mit der Flasche, dabei schwappte Bier heraus. Die Aufmerksamkeit der Gäste galt jetzt ungeteilt ihm. Amüsiert steckten sie die Köpfe zusammen.

      »Warum gibt es keine richtige Taufe, mit Pfarrer und Weihwasser?«

      Christian drückte sich die Hände vor das Gesicht, als perlten Horsts gelallte Fragen an ihm ab wie der verschüttete Alkohol.

      »Papa, du machst dich hier zum Affen!«, raunte er seinem Vater zu. Horst fasste sich ans Herz, als sei Christians Vorwurf ein vergifteter Pfeil. »Ich hab nur was gefragt. Ist es nicht mehr erlaubt, seinen Sohn was zu fragen? Ein Kind gehört getauft. In einer Kirche. Frag Mutter!« Horst setzte die Flasche an.

      »Im Gegensatz zu dir scheint Mutter kapiert zu haben, dass Louis nicht in unserer Familie wäre, wenn es nach dem Willen ihrer Kirche ginge, in die euer Enkel getauft werden soll!«, antwortete Christian. »Eure verlogene Kirche bekämpft das Adoptionsrecht für Schwule, als wäre es das schlimmste Übel auf dem Planeten.« Den Wutschaum um Christians Mund hielt Oliver fotografisch fest. Das Bild jedoch, das sich auf dem Bildschirm der Kamera zeigte, war verschwommen: Christian hatte sich mit den Worten »Louis braucht seine Flasche« abgewandt und war gegangen.

      »Jetzt spielt er wieder die beleidigte Leberwurst«, jammerte Horst, die Flasche nur kurz von den Lippen nehmend. Alexander legte den Arm um die Schulter seines Schwiegervaters. Gerade noch für Oliver vernehmbar, raunte er ihm zu: »Wenn du uns hier die Party versaust, werfe ich dich höchstpersönlich von Bord!«

      Oliver wandte sich ab. Das Beobachtete hinterließ in ihm ein unbestimmtes Gefühl. Plötzlich erfasste ihn der Gedanke, seine Pläne zu verwerfen, es einfach sein zu lassen und von Bord zu gehen. Vielleicht würde es ihm nicht gut bekommen, im Leben von Renate Bensch herumzuschnüffeln.

       Kapitel 2

      Oliver stellte sich abseits des Trubels an die Reling und holte Luft. Über seinem Kopf segelten drei Möwen und motzten. Er fotografierte sie, ehe er den Rucksack neben sich stellte und das schwarze Sakko auszog. Eine Brise kühlte ihm den nassen Rücken. Er hielt sich mit beiden Händen an der Balustrade fest und zog die Luft tief durch die Nase ein. Dann seufzte er. Was tat er hier? Er gehörte nicht hierher. Wie naiv war es gewesen zu glauben, ihr Leben habe sich ab dem Moment, als sie ihm das Pfand zusteckte, jeder weiteren Entwicklung entzogen. Nein, selbstverständlich war sie verheiratet, und selbstverständlich hatte sie einen Sohn. Das Kreischen eines Mädchens schreckte ihn aus seinen Gedanken …

      »Mein Bild! Mein Bild!« Rebecca rannte über das Deck. Sie verfolgte ein Blatt Papier, das von eine Böe erfasst worden war. Flatternd kam es auf Oliver zu. Dann wurde es von den Eisenstangen der Reling aufgehalten. Oliver versuchte es zu ergreifen, doch ehe seine Hand es erreichte, wurde es von der nächsten Böe erfasst und landete im Fluss. Rebecca weinte.

      »Ich hab so ein schönes Pferd gemalt!«

      Oliver ging in die Hocke. »Dann mal einfach ein neues.« Er blickte sie mitleidsvoll an. Eine Träne kullerte ihr über ihre Wange. »Ich habe aber kein Papier mehr!«

      »Ich hab dir gesagt, du sollst aufpassen, Becky!«

      Oliver sah in die Richtung, aus der die weibliche Stimme gekommen war. Catrin hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Das schwarzes Kleid und die dunklen Haare flatterten kontrastvoll zu ihrem elfenbeinblassen Gesicht im Wind. Becky hörte augenblicklich auf zu weinen. Mit verdrücktem Schluchzen wischte sie den Ärmel durch das Gesicht.

      »Geh zu deinem Vater und hol dir ein Taschentuch. Putz dir damit die Nase!« Rebecca nickte, warf Oliver einen flinken Blick zu und huschte davon.

      »Kindern kann man alles tausendmal sagen, sie tun es doch nicht«, sagte Catrin.

      »Hmm«, gab Oliver zurück. Er lächelte verlegen, »Da kann ich nicht mitreden, ich habe keine Kinder.«

      »Das geht manchmal schneller, als man denkt.«

      »Na, dafür bräuchte es eine Frau.« Oliver merkte, dass ihm Röte in die Wangen stieg.

      Catrin lachte. Olivers Unsicherheit schien ihr zu gefallen. »Wir wurden uns vorhin gar nicht vorgestellt«, sagte sie.

      »Ähm, ja.« Oliver war aus dem Konzept. »Ich bin... äh ... Oliver Wagner. Und Sie sind?«

      »Catrin, Alexanders Schwester.« Sie lächelte und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Oliver fiel ein erbsenfeiner Perlenohrring auf.

      »In welchem Zusammenhang stehen Sie zu Christian?«, forschte Catrin.

      »Genaugenommen in keinem.« Oliver bemerkte, wie ihm die Stirn unter feinen Schweißperlen kribbelte. »Ihr Vater hat mich mit dem Fotografieren beauftragt.« Er deutete auf die Kamera.

      »Ach, verstehe. Dabei hätte ich schwören können, dass Sie zu seiner Familie gehören.«

      »Nein, tut mir Leid, da täuschen Sie sich.«

      Catrin zuckte mit den Schultern. »Macht ja nichts.«

      Die Verlegenheit lächelte aus Olivers Gesicht. Catrins Haare wehten im Wind, während sie ihn offen musterte. Er konnte ihren Augen nicht standhalten und wich aus. Alexanders Schwester hatte etwas an sich, das ihm gleichermaßen gefiel und abschreckte. Ein scheuer Seitenblick zeigte ihm, dass sie ihren Blick abgewandt und auf den Neckar gerichtet hatte. Sie sortierte ihr schwarzes Haar. Wieder sprangen Oliver die blassrosafarbenen Perlen ins Auge. »Schöne Ohrringe haben Sie. Flussperlen?«

      »Was für ein guter Beobachter!« Catrin lächelte anerkennend. »Ja, das sind Süßwasserperlen. Sie wurden angeblich vor hundert Jahren aus dem Neckar gefischt. Mein Mann hat sie auf dem Flohmarkt gefunden. Ich finde Sie wunderschön.«

      »Ja, das sind sie«, antwortete Oliver leise. Sein Blick spazierte über das glitzernde Wasser.

      »Darf ich Sie was Persönliches fragen?«, sagte Catrin gegen das Rauschen des Stimmengewirrs. Oliver nickte auf den Neckar hinaus.

      »Wonach suchen Sie? Weshalb sind Sie hier?«

      Oliver wandte sich Catrin zu, versuchte ihren Blick zu deuten, doch ihr Gesicht war verschlossen. Noch nie hatte ihm jemand eine so sonderbare Frage gestellt.

      »Ich verstehe Sie nicht. Ich sagte Ihnen bereits, dass Ihr Vater ...«

      »Oliver, keine Ausflüchte«, lachte Catrin, »Sie sind ein Suchender!«

      »Ein Suchender«, fragte Oliver heiser.

      »Ich merke es sofort, wenn Menschen etwas auf dem Herzen haben. Sie haben einen

Скачать книгу