Amélie - Wo Schatten ist. Genèvieve Dufort
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Mit einem letzten, harten Schlag trieb ihn Inès über die Grenze seiner Lust, was er mit einem animalischen Aufschrei quittierte.
Augenblicklich sackte er auf dem Bett in sich zusammen. Er fühlte sich erleichtert und irgendwie von einer schweren Last befreit.
Reglos hatte Amélie ihnen zugewandt dagestanden. Er tut mir leid, ging es ihr durch den Kopf. Eigentlich müsste ich wirklich Mitleid mit ihm haben. Er kommt, weil er das braucht und Inès spielt ihm alles nur vor. Sie interessiert sich nur für sein Geld, ansonsten ist er ihr völlig gleichgültig. Und ihm bleibt kein anderer Weg … Das muss bestimmt schrecklich für ihn sein, so seinen Zwängen unterworfen zu sein. In diesem Moment kamen Zweifel in ihr auf, ob sie solch ein Leben als Prostituierte und Kunden wie ihn wirklich wollte.
Sie fühlte sich unwohl und peinlich berührt, als sie den reichen Mann so auf dem Bett liegen sah.
*
Eine Viertelstunde später stand Pierre wieder angezogen vor ihnen. Kühl und gelassen zückte er seine Brieftasche. Er reichte Inès einige Scheine und drückte auch Amélie einen in die Hand.
»Ist das wirklich für mich?« Fassungslos starrte sie die orangefarbene Banknote an. Nie zuvor hatte sie einen Fünfzig-Euro-Schein besessen, geschweige denn in der Hand gehalten.
»Klar!«, lachte Inès.
»Dann bis zum nächsten Mal«, lächelte Pierre zufrieden und ließ sich von Inès zur Tür bringen.
Noch immer starrte Amélie den Geldschein an.
»Pierre ist mein nobelster Kunde«, meinte Inès, die neben sie getreten war.
»Aber ich habe doch gar nichts getan«, murmelte Amélie leise.
»Ich weiß auch nicht, warum er das so wollte.« Inès zuckte die Schultern. »Er hat einfach seine Macken. Die muss man nicht verstehen.«
»Sind die denn alle so?« Amélie schaute sie mit großen Augen an.
»Nein, die sind alle verschieden und doch irgendwie auch wieder gleich gestrickt«, erwiderte Inès lächelnd. »Einige wollen mir einfach nur auf meine bestrumpften Füße oder die Stiefel spritzen, andere soll ich mit einem Dildo in den Arsch ficken, damit sie zum Höhepunkt kommen.« Sie lachte kurz auf. »Ich hab' sogar einen, der kann nur, wenn er Damenwäsche trägt und man ihn wie ein Mädchen behandelt … Die meisten wollen angeschrien und beschimpft werden. Und natürlich die Peitsche spüren.«
»Aber warum?«, fragte Amélie erschrocken. »Ich würde mich wehren, wenn mich jemand auspeitschen wollte, wirklich.«
»Tja, ›Ma Petit‹, das ist so eine Sache. Die brauchen das einfach«, erwiderte Inès lapidar.
»Hast du nie weiter darüber nachgedacht?«, hakte sie nach.
»Nein, wozu auch?«
Amélie stand auf. »Ich muss jetzt gehen.«
»Willst du es denn immer noch machen? Ich meine nachdem …« Inès verschluckte den Rest und deutete stattdessen aufs Bett, leicht ihre Gerte schwingend.
»Ich muss mir über Vieles klar werden, denke ich«, entgegnete Amélie ausweichend.
Inès, die ihre Gerte und ›Chat-a-neufs-queues‹ beiseite gelegt hatte, kam wieder näher. »Ich mache dir einen Vorschlag, ›Ma Petit‹ ... Wenn du dich wirklich dazu entschließen solltest, … nun, dann würde ich dich anlernen.« Sie trat einen Schritt zurück und schaute an ihr herab. »Machen wir uns nichts vor. Für die normale Tour kannst du dich ja nicht anbieten, dafür bist du einfach nicht hübsch genug. »Aber für meine Kundschaft bist du genau richtig. Wenn wir das richtig aufziehen, dann kannst du damit dein Geld machen. Versprochen!« Sie machte es ihr so schmackhaft, wie sie konnte und ließ Amélie nicht ahnen, dass es auf Ausbeutung hinauslaufen würde. »Na, was meinst du zu meinem Vorschlag?«
»Ich werde jetzt erst mal gehen.«
Inès lächelte vielsagend. »Du weißt ja, wo du mich findest, und wenn du es dir überlegt hast, dann komm' halt zu mir.«
»Ja.«
***
Kapitel 3
Als Amélie wieder auf der Straße stand, atmete sie erst einmal richtig tief durch. In ihrer Rocktasche steckte sicher verwahrt die fette Banknote. Nie zuvor hatte sie soviel Geld besessen. Fünfzig Euro, dachte sie und lächelte still vergnügt in sich hinein. Was ich mir davon alles kaufen kann.
Ein paar halbstarke Jungen strichen an ihr vorbei und holten sie in die Wirklichkeit zurück. »Seht mal, da ist die bescheuerte ›Souriceau‹!«
Komisch, ich habe gar keine Angst mehr vor ihnen, ging es ihr durch den Kopf, während sie es sogar wagte, die Burschen anzuschauen. Nein, wirklich, ich fühle mich befreit. Jetzt weiß ich ja alles! Ich kenne den Schlüssel zu euren Geheimnissen. Ihr könnt mir nichts mehr vormachen! Nichts! »Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe und sucht euch ein anderes Opfer?!«, schrie sie ihnen zu.
Augenblicklich stoppte die Gruppe, wandte sich ihr zu und starrte sie verblüfft an.
»Hey, seit wann reißt du denn das Maul auf? Ich habe dich noch nie was sagen hören!«, rief der Wortführer zurück.
»Seit heute!« Sie riss ihren rechten Arm nach oben und zeigte ihnen ihren ausgestreckten Mittelfinger. Dann ging sie ohne ein weiteres Wort weiter.
*
Als sie nach Hause kam, lief sie fast ihrem Bruder in die Arme.
»Na, gehst du noch immer nicht auf den Strich?«, blaffte Raphael sie an und weidete sich an ihrer Verlegenheit. »Wird Zeit, dass du endlich mal Kohle nach Hause bringst!«
Bislang hatte sie ihm diesen Gefallen auch immer getan und war unwillkürlich rot geworden. Nie hatte sie wirklich gewusst, wie sie darauf reagieren sollte, wo sie eh keiner in Schutz nahm. Ihrer Mutter war völlig egal, was aus ihr wurde. Alles was sie interessierte, war dass sie ihr nicht mehr allzu lange auf der Tasche lag. Aber heute sah Amélie ihren Bruder mit anderen Augen an. Er war bald zweiundzwanzig Jahre alt und hatte ein aknezerfressendes Gesicht. Sie wusste nur zu gut, dass er so einige kriminelle Dinger drehte. Und es waren keine kleinen Gaunereien, mit denen er zu Hause prahlte. Irgendwann würde er deswegen in das in ganz Frankreich bekannte ›La Santé‹ im ›Vierzehnten Arrondissement‹ einfahren, dessen war sie sich sicher.
Doch, seit heute!, beantwortete sie seine Frage schweigend und hing weiter ihren Gedanken nach. Auch er ist von Frauen abhängig. Alle sind sie es, ob arm, reich, dumm, dünn oder so bescheuert wie mein Vater, der bald den letzten Funken seines Verstanden versoffen haben dürfte. Sie alle brauchen uns Frauen. Aber wir brauchen sie nicht. Sie verspürte ein leichtes innerliches Zittern. Ob meine Mutter es auch weiß? Ob sie das je kapiert hat, dass wir eigentlich alle Männer unter Druck setzen können? Die müssen ja zu uns! Jetzt versteh' ich erst, warum so viele Mädchen Huren