Joseph. Johannes Wierz

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Joseph - Johannes Wierz

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ist, da Maria Magdalena Huftreter ihren Hof seit sechs Monaten nicht mehr verlassen hat. Niemand, - mit Ausnahme den Leuten auf dem Hof, - weiß etwas von ihrer Schwangerschaft. Der Pfarrer, der sich geweigert hatte, die beiden dunklen Klumpen aus ihrem Leib in geweihter Erde zu beerdigen, hatte damals von einem Omen gesprochen und zwei Messen für die Seele der Huftreterin gelesen.

      „Am besten is, i näh di zua“, hatte der Landarzt zu ihr gesagt. Dr. Julius Holzer war für seine einfachen Diagnosen und sonderbaren Behandlungsmethoden weit über die Landesgrenze bekannt.

      „Is besser, es weiß niemand was“, hatte Maria Magdalena geantwortet. Mit einer Bestimmtheit, die den Landarzt zum Verstummen gebracht hatte. Vielleicht war es ihr durchdringender Blick gewesen, der ihn zurück ins Tal trieb. Vielleicht aber auch die Siegesgewißheit in ihrer Stimme.

      Die Deiche brechen. Gurgelnd und schäumend bahnt sich das gefräßige Wasser einen Weg hinter die Deiche. Es verschlingt alles, lässt ein paar Güterzüge entgleisen und überschwemmt nebenbei 20 Prozent des Hamburger Stadtgebietes. Den Hamburger Hafen flutet es im Vorbeigehen. Allein im Stadtteil Wilhelmsburg werden über Nacht 73.000 Menschen obdachlos, 12.000 Hektar Land stehen unter Wasser.

      Maria Magdalena liegt in ihrem nassen Bett und hat das Gefühl, es zerreiße sie. Gundi, die Magd steht neben dem Bett, stiert blöde und lallt etwas von einem Kälberstrick. Elisabeth, könnte helfen, aber sie ist nicht da. Sie ist schon seit Stunden fort, um die Hebamme zu holen. Die Gundi ist erst vierzehn, spricht nicht viel, kennt sich aber in der Anatomie recht gut aus. Mit einem Schwamm versucht sie, das Blut aufzusammeln, das sie in einem Eimer wieder auspreßt. Ansonsten tut sie nichts und betrachtet die blutspeiende Öffnung der Bäuerin. Die Huftreterin schnauft heftig und verdreht die Augen. Aber sie ist keine, die schnell aufgibt. Ein Sturkopf wie ihr Vater, der, als der Kirchenwirt ihn herausgeschmissen hatte, mit dem Kopf durch die Wand wieder zurückkam. In diesem Fall durch eine schwere Eichentür. Er machte solch einen Krawall, dass der Wirt ihm wieder Einlass in das nach Bier und Urin stinkende Loch gewährt hatte. Mit blutigem Kopf hatte er wieder Einzug gehalten, triumphierend und torkelnd. Mit seinem Dickschädel hatte er nicht nur den Willen des Kirchenwirts, sondern auch die schwere Eichentür gebrochen, was naturgemäß nicht ohne Folgen blieb. Die Schädeldecke war näher an sein Gehirn gerückt und drückte auf die Nervenbahnen. Mitten im Gehen konnte es passieren, dass er urplötzlich stehenblieb, steif wie ein Brett wurde, und - wenn der Wind ihn richtig erwischte, - einfach der Länge nach hinfiel. In diesem Zustand hatte er sich zweimal ein Stück seiner Zunge abgebissen, fünfmal den Kiefer ausgerenkt und siebenmal die Nase gebrochen. Da die Verletzungen nie so schnell verheilen konnten, wie ein neuer Anfall bevorstand, lief der Huftreter Adolf immer mit einem geschwollenen Kopf herum, einer Warzenmelone nicht unähnlich. Die alten Fahrradschläuche, die um seinen Schädel gebunden waren und einen Sturz zumindest lindern sollten, taten ihr übriges zu seinem recht seltsamen Aussehen.

      Ein paar Pilzsammler fanden ihn schließlich bei einer Bank mit offenem Mund. Nicht etwa auf ihr sitzend, sondern in einem Winkel von fast 90 Grad wie einen vergessenen Wanderstock daran angelehnt. Er schaute ein wenig verwundert in die Welt und wollte sich nicht dazu bewegen lassen, sich zu setzen. Selbst im Tod hatte er nicht von seinem Starrsinn verloren.

      „Nein und nochmals nein! So kann ich ihn nicht einsargen“, hatte der Schäfer Josef, der Schreiner und Bestatter des Ortes, gejammert. Und sich bei Maria Magdalena die Erlaubnis und beim Pfarrer den Segen geholt, dem Adolf sämtliche Glieder zu brechen, damit er endlich in die Holzkiste passte.

      „Meinen Erstgeborenen werd ich nach dir nennen“, hatte die Huftreterin dem Dorfschreiner versprochen und ihm nach der Beerdigung einen trockenen Kuss auf seinen Stoppelbart gedrückt.

      „Na, wenn’s denn in Gottes Namen sein muss“, hatte der Schäfer Josef gegrummelt, und noch ehe er sich bekreuzigen konnte, war ein gewaltiger Blitz hernieder gegangen, der die Kirchenbirke wie eine Banane schälte, und ein Regen hatte eingesetzt, dass man den grob gehobelten Sarg des Huftreter Adolf mit Steinen beschweren musste, damit er nicht von den ins Tal drückenden Wassermassen weggeschwemmt wurde.

      Während in dieser Nacht 312 Menschen im Hamburger Elbgebiet ertrinken oder erfrieren, im niedersächsischen Küstenbereich 19 Menschen ums Leben kommen und die Freie Hansestadt Bremen sechs Tote zu beklagen hat, ist man im einzigen Gasthaus des Dorfes guter Dinge. Die Burschen saufen, was die Blase hält, und selbst an der angerosteten Pissrinne im Hof ist die Stimmung groß. Nutzlose leicht erigierte Schwänze schauen sich an und wollen nicht wahrhaben, dass das für einen Samstag alles gewesen sein soll.

      Außerdem ist Fasching und somit ziemlich alles erlaubt. Da kommt die Elisabeth auf ihrem klapprigen Fahrrad gerade recht. Der Johann Ganser ist der erste, der auf sie drauf darf. Immerhin hat er sie in einem gewagten Hechtsprung von hinten angefallen, zu Boden gerissen und ihr dabei das Nasenbein gebrochen. Was soll’s, sagen sich die Burschen und lösen grinsend ihre Gürtel, die Elisabeth ist ohnehin nicht die schönste. Und auf die vierzig geht sie auch schon zu.

      „Na, und wie ist sie?“ wollen die anderen wissen und schauen in das verzerrte rot anlaufende Gesicht des Johann Ganser. Er stöhnt begeistert, bevor er kommt und die Elisabeth für den nächsten frei macht. Brav stellen sich die Burschen des Dorfes und des Umkreises in einer Reihe auf, wie die Kühe, wenn sie abends in den Stall geführt werden. Auch der Wirt, der hinter dem Fenster steht und sich abwechselnd seinen Bauch und seinen Kopf kratzt, ist Zeuge der Vergewaltigung, die genau siebenunddreißig Burschen an der Elisabeth vollziehen wollen. Für den Wirt bedeutet das naturgemäß Einbußen. Da aber alles auf seinem Grund und Boden geschieht, beschließt er für den heutigen Abend einen Aufpreis zu nehmen.

      Wahrend ein gewisser Walter Großmann, seines Zeichen Binnenschiffer, mit seinem Beiboot über einen überfluteten Hamburger Kleingartenverein schippert und fünfzig Menschen das Leben rettet, spritzt es aus Maria Magdalena Huftreter wie ein Springbrunnen. Gundi rudert hilflos mit den Armen, bringt nur laute Lalltöne heraus und fängt, so wie es ihre Art ist, an zu seibern. Wie der Hofhund Kranzmann, der hereingetrottet kommt, als sie die Tür öffnet, sich müde auf das Bett quält und das blutfeuchte Laken ableckt, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf der Welt.

      Als Gundi barfuß das Haupthaus verlässt, um in den Stall zu laufen, kommt ein starker Wind auf, und dicke schwere Tropfen fallen auf ihre nackten Füße. Zum Glück ist der Stall nicht sehr groß und alles schnell bei der Hand. Kälberstrick, frisches Stroh, ein scharfes Messer, - mehr fällt der Gundi nicht ein, aber das ist für sie schon sehr viel, vor allem, weil sie so aufgeregt ist. Auch sonst kann sie sich höchstens eine Sache merken und das auch nicht immer. Den Kälberstrick wie ein Alpinist geschultert, kehrt sie mit ihren Werkzeugen zurück in die Kammer, wo Maria Magdalena Huftreter nicht mehr schreien kann. Die Hälfte ihrer Stimmbänder scheint gerissen. Sie glaubt schon das große, gleißende Licht zu sehen. Alles in allem kein gutes Zeichen. Gundi scheucht den leckenden Hund vom Bett, bekreuzigt sich und macht sich an die Arbeit.

      Aufgeregt berichtet der Binnenschiffer Walter Großmann von dem, was er alles gesehen hat: Die Sträucher voller Leichen, auf einem Baum ein Taxifahrer mit seinem Fahrgast. Inzwischen sind rund 100.000 Menschen von den Wassermassen eingeschlossen. Die Innenstadt von Hamburg ist bis zum Rathaus hin überflutet.

      Gundi spürt die kleinen Füßchen des Kindes. Aber müsste da nicht der Kopf sein? Elisabeth, die ältere der Huftreter Töchter, liegt neben der rostigen Pissrinne und hat aufgehört eine Frau zu sein. Es regnet in Strömen, und die Burschen haben von ihr abgelassen. Der vierunddreißigste wäre der Servatius gewesen. Auch die anderen Namen hat sie sich gemerkt. Mag sie auch unten tot sein, ihr Kopf ist noch nie so klar gewesen wie in dieser Stunde.

      Gundi versucht, ein Lied anzustimmen, während sie mit ihren Händen immer tiefer in Maria Magdalena eindringt, um nach dem Kopf des Kindes zu forschen. Aber sie kann sich nun mal keine Melodie und schon gar nicht einen Text merken. So beginnt sie, spontan zu komponieren und fiept wie ein Delphin, während

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