Joseph. Johannes Wierz

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Joseph - Johannes Wierz

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eine Huftreter Elisabeth kann so leicht nichts erschüttern.

      „Also is doch gesund!“

      „Na ja, den Umständen entsprechend eben.“ Der Landarzt überlegt sich genau, was er sagt, schließlich steht jetzt alles auf dem Spiel, sein ganzes Leben. Und das nur, weil der Rotzbua von Sohn mit der gemeinen Dorfjugend mithalten musste, dieser gottverdammte Idiot.

      Noch in der Nacht zum 17. Februar hat ihn, als der Sturm und der Regen bereits über die Berge gezogen waren und er nach dem Genuss einer Flasche seines besten französischen Rotweins endlich Schlaf gefunden hatte, der Kirchenwirt aufgesucht und ihm zum wiederholten Mal die Bitte angetragen, seine Beziehungen spielen zu lassen und ihm doch die Lizenz der freien Poststation zu übertragen. Natürlich müsste er die beiden angrenzenden Grundstücke bekommen, hat er mit Unschuldsmiene hinzugefügt und sich geräuschvoll in sein kariertes Taschentuch geschnäuzt. Er benötige sie, um die Remise auf Landeskosten bauen zu lassen. Richtig böse ist da der Landarzt Dr. Julius Holzer, seines Zeichens designierter Landtagsabgeordneter, geworden, dass selbst sein Jagdhund gefährlich angefangen hat zu knurren und seine Lefzen gezeigt hat.

      „Es ist nur“, ist der Kirchenwirt in ruhigem Ton fortgefahren - und hat im Bemühen, ein korrektes Behördendeutsch zu sprechen, - hinzugefügt: „Ihr Junge hat da gestern Nacht einen ziemlichen Unsinn gemacht, man könnte auch sagen, er hat eine Straftat begangen. Gut, wir waren alle einmal jung, aber ist jetzt samstagabends Vergewaltigung in unserem Landkreis erlaubt?“

      Urplötzlich hat der Jagdhund einen Satz nach vorn gemacht, dass der Kirchenwirt vor Angst fast vom Treppenabsatz herunter auf den Kiesweg gefallen wäre.

      Der Landarzt Dr. Julius Holzer hat daraufhin den Lederziemer genommen und seinem einzigen Freund so eins über das braune glänzende Fell gezogen, dass dieser wie ein Höllenhund aufgeheult hat.

      „Nun, ich habe mir erlaubt ein paar Fotografien von ihrem Zögling zu machen. Und ich finde, trotz anhaltendem Regen und der Dunkelheit ist das Wesentliche recht gut zu erkennen.“ Das Grinsen des Kirchenwirts ist höhnisch gewesen.

      „Na, kommen sie schon rein!“

      Wie lächerlich und erbärmlich doch Männer mit heruntergelassenen Hosen aussehen, vor allem, wenn sie noch keine Männer sind, hat er beim Anblick der Bilder gedacht und seinen Spross auf den leicht unscharfen Schwarzweißfotografien lange betrachtet. Besonders abstoßend hat er jenes Bild gefunden, das seinen Jungen in völliger Verausgabung mit offenem Mund und hervorstechenden, fast herausquellenden Augen zeigte. So sehen die Basedow-Patienten in seinen medizinischen Nachschlagewerken aus. Diese bestialische Art an gruppendynamischen Exzessen hat Dr. Julius Holzer das letzte Mal beim Russlandfeldzug erlebt.

      Unflätig ist der Kirchenwirt im Lederohrensessel gelümmelt, dem Lieblingsplatz des Medizinalrates, was unter anderen Umständen seinen sicheren Tod bedeutet hätte. Naturgemäß hat Dr. Holzer für einen kurzen Moment daran gedacht, den Waffenschrank zu öffnen und dieser schamlos aufdringlichen Person den Garaus zu machen. Der Jagdhund ist unschlüssig mitten im Raum gestanden und hat nur auf ein Zeichen gewartet, um sich um die Beute zu kümmern. Die Beweise sind aber leider eindeutig. Sein Sohn hat die Huftreterin vergewaltigt. Dr. Holzer ist sofort klar: Ohne die Negative würde er sich für immer in der Hand dieses kleinen, miesen Schankwirtes befinden.

      Ein unheimliches Schweigen ist über dem Raum gelegen. Die Tierpräparationen aller Größen und Klassen an den Wänden haben im spärlichen Licht der ovalen Schreibtischlampe plötzlich gespenstisch gewirkt. Der Kirchenwirt hat sich umgeschaut und beim Blick in große funkelnde Augen und aufgerissene Schnauzen mit messerscharfen Zähnen plötzlich die Courage verloren. Schweißperlen haben sich auf seiner Stirn gebildet, und er hat gespürt, wie ein kleines warmes Rinnsal seinen Rücken herunter zu laufen begann.

      „Ich werde die Tage mit dem Landratsamt sprechen“, hat Dr. Holzer sich sagen gehört, wobei ihm seine eigene Stimme plötzlich ungemein leise, fast heiser, vorgekommen ist. Trotzdem stellt er die Bedingungen.

      „Aber ins Geschäft kommen wir nur mit den Negativen.“

      „Ehrensache, Herr Landtagsabgeordneter“, hat der Kirchenwirt gesäuselt. Devot wie immer. Angesichts seines vermeintlichen Sieges über Dr. Holzer ist er dann vertraulich geworden und näher an ihn herangerückt. „Oder darf man noch nicht gratulieren?“

      Du nicht, du Hund, hat Dr. Julius Holzer gedacht, der schlagartig wieder der Alte wurde. Ohne es zu wissen, hat der Kirchenwirt mit seiner Geschwätzigkeit sein eigenes Schicksal besiegelt.

      Selbstzufrieden ist der Erpresser den Heimweg angetreten, wobei er in Trippelschritten einen großen Bogen um den Jagdhund gemacht hat. Keine hundert Meter vom Anwesen entfernt, hat er den Landarzt dann durch die doppelt verglasten Fenster des Hauses brüllen gehört:

      „Barnabas! Barnabas, mit Schlauch in den Keller, wenn ich bitten darf!“

      Der Kirchenwirt hat sich in seinen fehlenden Bart gegrinst und sich gegen die Kälte einen krummen Hund angezündet. Eines hat ihm sicher wie das Amen in der Kirche geschienen: Mit seinem Laden würde es bald aufwärts gehen. Zudem er ja auch noch Bilder von den Söhnen, des Fleischers, des Bäckers und des Schreiners gehabt hat.

      Naturgemäß hat sich der Landarzt, nachdem er seinen missratenen Sohn im Keller zwischen den Einmachgläsern und Krötenpfützen mit einem Stück Gartenschlauch grün und blau geschlagen hatte, überlegt, wie er aus der Sache anders, als der Kirchenwirt wohl dachte, herauskommen könnte. Jeder hat doch eine Leiche im Keller, hat er sich Mut zugesprochen, und gerade er, der Landarzt Dr. Julius Holzer, seines Zeichen designierter Landtagsabgeordneter, kann davon mehr als ein Liederbuch schreiben.

      Er könnte ihn verhaften lassen, ist sein erster Gedanke gewesen. So schwer würde das sicher nicht werden...kein Wirt der Welt, der nur halbwegs alle beisammen hat und mit fünfzig nicht im Armenhaus landen will, hält die Gesetze ein. Aber reicht die Missachtung des Eichstriches, die Entjungferung der minderjährigen Dienstmagd, die Übervorteilung bei der Abrechnung der Zeche, das Wildbret von Wilderen, die Hinterziehung von Steuern wirklich aus, um ihn längerfristig - am besten bei Wasser und Brot - ins Zuchthaus bringen zu lassen? Nein, nein, dafür ist er lange genug in der Politik. Dieser Plan würde nicht aufgehen. So nicht. Er würde sich etwas anderes einfallen lassen müssen, er würde das selber regeln müssen. Und zwar endgültig. Soweit ist es schon gekommen.

      Und ohne mit der Wimper zu zucken, schreibt der Landarzt Dr. Julius Holzer, seines Zeichen designierter Landtagsabgeordneter, jetzt in der Küche des hoch gelegenen Huftreter-Anwesens den Totenschein für die Landfrau Maria Magdalena Huftreter aus. Er möchte gar nicht so genau wissen, woran die Bäuerin tatsächlich gestorben ist und schon gar nicht, wo die beiden anderen Frauen die Überreste der Bäuerin beerdigt haben. Naturgemäß ist ihm bewusst, dass die Elisabeth seinen missratenen Sohn erkannt hat, und ehe er beim Ausfüllen der Formulare darüber nachdenken kann, spricht die Elisabeth ihn auch schon an.

      „Ich möchte, dass ihr den Jungen als den meinen eintragt.“

      Ohne aufzublicken, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, trägt der Landarzt den Namen Elisabeth Huftreter als Mutter des Neugeborenen ein. Bei der Rubrik Erzeuger zieht er mit dem Füllfederhalter einen dicken diagonalen Strich.

      „Alle anderen Formalitäten werde ich für dich auf dem Gemeindeamt erledigen, ist ja Ehrensache!“

      Du und eine Ehrensach’, denkt die Elisabeth und spuckt innerlich vor dem Holzer aus. Es wird nicht gut ausgehen mit dir und deiner missratenen Bagage, das verspreche ich, bei allem was mir heilig ist.

      Als der Landarzt

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