Joseph. Johannes Wierz

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Joseph - Johannes Wierz

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sieht er an der Decke den dunklen Blutfleck.

      „Ich würd’ gern den Paten geben. Tu mir einen Gefallen und schlag mir die Bitte nicht ab. Dem Jungen soll es an nichts fehlen.“

      „In Gottesnamen, dann soll es so sein“, antwortet ihm die Elisabeth und reicht ihm ihre raue Hand. Zu verschenken habe ich nichts, denkt sie, und wer weiß, wozu solch eine Patenschaft noch von Nutzen sein kann.

      „Nichts für ungut, aber ich muss dann wieder“, verabschiedet sich der Landarzt Dr. Julius Holzer, seines Zeichen designierter Landtagsabgeordneter, zieht seinen Kopf im Türsturz ein und verlässt den Hof.

      Als er in seinen Wagen steigt, hört er oben das Kind schreien.

      Brüll dir ruhig die Lunge aus dem Leib, es wird dir nichts nutzen, denkt der Landarzt. Er gibt dem Jungen drei bis vier Monate, alles andere wäre ein medizinisches Wunder. Aber das hat es in seinem Wirkungskreis noch nie gegeben.

      Gut gelaunt schaltet er das Radio ein. Er ist jetzt in der richtigen Stimmung, den Kirchenwirt aufzusuchen.

      Vorsichtig lenkt Holzer seinen Wagen über den steilen Schotterweg nach unten ins Tal. Als er durch eine Baumlichtung die ersten Dächer des Dorfes sieht, bremst er abrupt seinen Wagen ab und lässt ihn auf einem kleinen Stück Wiese auslaufen. Er öffnet seine Tür und atmet langsam die kalte Winterluft ein. Dr. Holzer ärgert sich über sich selber. Darauf hätte er direkt kommen müssen. Die Frage und vor allem die Antwort ist von besonderer Wichtigkeit. Wie hatte der Kirchenwirt die Bilder so schnell entwickeln können? Steckte etwa der Drogist aus der Nachbargemeinde mit ihm unter einer Decke? Oder hatte dieser unflätige Mensch gar noch einen anderen Komplizen?

      Barnabas kommt in ein Internat und dann zum Militär. Wenn es sein muss für immer. Weit weg muss es nur sein. Er muss mir aus den Augen, sonst passiert noch ein Unglück. Mit zitternder Hand öffnet er das silberne Etui mit seinen eingravierten Initialen und fischt sich eine Zigarette heraus.

      Genüsslich inhaliert er den warmen Rauch und schaut auf den kleinen Plastikrahmen neben dem Handschuhfach, in dem eine verblasste Farbfotografie seines treuen Freundes steckt. Wenn es ihm gelingen würde, den Jagdhund in seinen Plan einzubauen, wäre das mehr als von Nutzen.

      Die Gaststube des Kirchenwirtes ist für einen Wochentag um die Mittagszeit recht gut besucht. Drei Forstarbeiter haben die großen leeren Teller, die mit dampfender Nudelsuppe gefüllt waren, hastig gegessen, um noch ein paar Runden Bier mit dem abgegriffenen klebrigen Deutschen Blatt auszuspielen. An einem Ecktisch unter dem Herrgottswinkel sitzt der Dorfschullehrer zusammen mit dem Förster und dem Gemeindebediensteten. Schweigend essen sie ihr Suppenfleisch mit eingelegtem Wurzelgemüse und Röstkartoffeln, die als gelbbraune Halbkugeln serviert worden sind. Die drei haben, ohne es zu ahnen, viele Gemeinsamkeiten. Zum einen haben alle drei nur einen mäßigen Appetit - denn am Morgen haben sie alle Post erhalten. Einen kleinen Brief, geschrieben auf einer alten Schreibmaschine mit blassen, unsauberen und hüpfenden Buchstaben. Als Anlage beigelegt war eine Schwarzweißfotografie von der Nacht des 17. Februars. Im Mittelpunkt der eigene Nachwuchs.

      Nur dem Dorfgendarmen scheint es heute köstlich zu schmecken. Seine ganze Freude und Aufmerksamkeit gilt der Wildplatte die eigentlich für zwei Personen in der Karte gelistet ist und eigentlich nur an Sonn- und Feiertagen bestellt werden kann.

      Ein Auto rollt hinter dem Gasthof auf den mit Kieselsteinen aufgeschütteten Platz, wo im Sommer die Tische und Stühle stehen und die kleine Kirchweih abgehalten wird. Es ist der Wagen des Landarztes, dafür reicht dem Kirchenwirt, der gerade drei Halbe zapft, ein flüchtiger Blick aus dem kleinen Fenster.

      „Grüß Gott“, sagt Dr. Julius Holzer, als er die Gaststube betritt und seinen Mantel abklopft.

      „Ist jemand gestorben?“, will einer der Waldarbeiter wissen.

      „Na, ich war droben auf’m Huftreter Hof. Die Elisabeth hat a Kind entbunden!“

      Erschrocken lassen Dorflehrer, Förster und der Gemeindebedienstete ihr angelaufenes Besteck fallen. Aus ihren offenen Mündern tropft der Saft des eingelegten Wurzelgemüses.

      Der Landarzt geht schnurstracks auf die Doppeltür zu, betritt den leeren kleinen Saal und setzt sich nach hinten an den grünen Kachelofen.

      „Soll ich einheizen?“ fragt der Kirchenwirt und reicht ihm die vergilbte Speisekarte.

      „Wir müssen reden!“

      „Reden ist immer gut.“

      „Aber erst einmal wird gegessen.“

      Genüsslich lässt sich Dr. Holzer den Rostbraten, der nicht frisch, sondern aufgewärmt ist, schmecken. Kochen kann die Kirchenwirtin, das muss man ihr neidlos lassen. Ich werde dafür sorgen, dass sie das Gasthaus weiter betreiben kann. Sie ist jung, gut gebaut und wird bestimmt leicht einen neuen Mann finden.

      Er hört, wie der Kirchenwirt den großen Schlüssel im Schloss umdreht. Endlich allein. Der Landarzt legt das Besteck beiseite und zündet sich eine Zigarette an.

      „Wie ich sehe, hat es ihnen geschmeckt.“

      „Ihre Frau ist wirklich eine begnadete Köchin.“

      „Werd’s ihr ausrichten, wenn sie aus der Stadt zurück ist.“

      Wir sind also allein, denkt der Medizinalrat und überlegt, ob er die Gunst der Stunde nicht nutzen soll. Aber was, zu viele Menschen haben ihn gesehen, können vor Gericht bezeugen, dass er der letzte gewesen ist, der den Kirchenwirt lebendig gesehen hat.

      „Die Anträge für die Poststation müssen schon unterwegs sein.“

      „Nichts für ungut.“

      „Eine Frage tät mich schon interessieren, wie haben Sie die Bilder so schnell entwickeln können?“

      „Ja“, lacht der Kirchenwirt, „das ist wirklich kein Geheimnis. Ich hab’ drunten im Keller eine Dunkelkammer.“

      Dr. Julius Holzer versucht sein Erstaunen dadurch zu überspielen, indem er aufsteht und seine stattliche Erscheinung präsentiert. Dabei passiert ihm ein Missgeschick. Er bleibt mit seinem Gehrock aus englischem Tuch so an der Tischkante hängen, dass ein silberner Knopf abreißt und zu Boden fällt. Im Gegensatz zur Gaststube sind hier im Saal die Holzplanken lackiert. So kommt der Knopf augenblicklich ins Rollen und kullert in Richtung Kirchenwirt, der im Rahmen der Doppeltür steht. Interessiert folgt Dr. Holzers Blick dem kleinen silbernen Knopf.

      „Kommen Sie, kommen Sie, ich zeige ihnen das Labor!“

      In dem Moment rollt er durch die Beine des Kirchenwirtes und bleibt im Gastraum zwischen zwei Planken hängen. Ehe der Medizinalrat den Saal durchschritten hat, öffnet der Wirt die Klappe zum Keller. Stufe um Stufe springt der Knopf nach unten in das feuchte Loch.

      Moder- und Schimmelgeruch schießt den beiden in die Nase, als sie nach unten in den dunklen Keller steigen. Auf halber Höhe betätigt der Kirchenwirt den Drehschalter für das Licht.

      „Vor vier Jahren kam dieser Gast aus der Stadt, ein begnadeter Fotograf müssen Sie wissen, und fragte mich, ob er im Keller nicht ein Labor einrichten könnte. Er hat die Miete dafür auf zehn Jahre im Voraus bezahlt. Wirklich ein angenehmer ruhiger Gast.“

      Es geht über einen harten Lehmboden, aus dem ab und an eine Steinspitze herauslugt. Holzkästen mit leeren verstaubten Flaschen

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