Marijke - Honiglippen. Swantje van Leeuwen

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Marijke - Honiglippen - Swantje van Leeuwen

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      Meistens wiederholten sich in Marijkes Kopf bestimmte Erinnerungen aus dem Club, wenn sie masturbierte. Dann sah sie sich in ihrer Latexuniform mit einem hautengen Rock, der so knapp bemessen war, dass je nach Blickwinkel ein Hauch von ihrer blank rasierten Spalte hervorblitzte, kombiniert mit einem engen Korsett, dass ihre nackten Brüste fest umschloss und einem einfachen schwarzen Lederhalsband, das sich schmeichelnd um ihren schlanken Hals legte. In ihrer Vorstellung griffen unsichtbare Hände nach ihr, während sie durch die Räume des Clubs lief. Dabei zerrten Finger an ihrem Kostüm, drängten sie dazu auf die Knie zu gehen und die Körper der Männer, die sie festhielten, beugten sich über sie, während sie mit ihm spielten und in ihn eindrangen. Zwangsweise öffnete sie ihre Lippen und bot ihnen ihren Mund an. In ihrer Illusion widersetzte sie sich nie dem, was ihre Fänger von ihr verlangten und mit ihr anstellten. In ihrem Kopfkino lieferte sie sich voll uns ganz der Gnade der Männer aus, und nie zuvor war sie so erregt gewesen. Anfangs waren diese Fantasien nur vereinzelt aufgetreten, doch inzwischen hatten sie überhand genommen und nur vereinzelt kam es beim Onanieren noch zu ›Vanillaschüben‹, wie sie das nun lächelnd bezeichnete.

      Sie schüttelte den Kopf und versuchte, das Bild beiseite zu schieben – schließlich liebte es Rikkert nicht warten zu müssen. Zügig schob sie sich ihren Rock zurecht. Plötzlich war sie sich seiner Kürze bewusst geworden und fühlte sich unbehaglich, weil sie der Anblick des Mädchens erregt hatte und sie die Feuchte zwischen ihren Beinen spürte. Mit schnellen Schritten stieg sie auf ihren High Heels die Treppe zu Rikkerts Büro empor und klopfte an dessen Tür, ehe sie zögernd öffnete.

      »Ah, Marijke, kom binnen![6]«, forderte Rikkert sie auf. »Na, komm', beeil' dich!« Er saß hinter seinem ausladenden Mahagonischreibtisch, den er so sehr liebte, und der Raum war angefüllt vom dichten Rauch und übelriechenden Gestank seiner kubanischen Zigarren.

      Sie trat durch die Tür in das große Arbeitszimmer und erblickte sofort den Klienten, den Neeltje erwähnt hatte. Der Mann hatte sich in die hinterste Ecke des Raumes zurückgezogen, möglichst weit vom scharfen, beißenden Rauch entfernt. Sie wagte es nicht, ihren Kopf in seine Richtung zu drehen – selbst als Servicekraft, so war es ihr von Rikkert eingeschärft worden, sollte sie den Kunden gegenüber devot auftreten. Aber sie wusste, dass sie ihn noch nie zuvor im ›Birdcage‹ gesehen hatte. Alles, was sie aus ihren Augenwinkeln heraus sehen konnte, war, dass er ein junger, eher durchschnittlicher Kunde war – vielleicht Anfang der Dreißig, mit kurzen, dunklen Haaren, und dass er einen einfachen, aber offensichtlich exzellent geschnittenen dunklen dreiteiligen Anzug trug.

      Kaum, dass sie vor Rikkerts Schreibtisch stand, vernahm sie, wie der Mann sich hinter ihr bewegte.

      »Ja«, sagte er mit tiefer, aber sanfter Stimme. »Nicht schlecht.«

      Marijke drehte sich nicht zu ihm um, hörte aber, wie sich die Tür schloss und spürte, dass er nicht mehr im Raum war.

      »Ga zitten, mijn meisje. Wil je wat drinken?[7]« Rikkert wartete nicht auf ihre Antwort und füllte zwei Gläser halb voll mit Bourbon aus einer Karaffe auf seinem Schreibtisch.

      »Sie haben mich rufen lassen?« Sie mochte es nicht sehr, wenn er sie ansah und sich an ihrer auffälligen Latexuniform ergötzte. Deshalb war es ihr lieber direkt zur Sache und auf den Punkt zu kommen. Sie setzte sich zaghaft und überschlug sofort ihre Beine, sodass er gar nicht erst dazu kam, ihr zwischen die Schenkel zu glotzen, um sich an ihrer Scham aufzugeilen.

      »Heb ik«, antwortete er nickend und nahm einen Schluck vom ›Tennessee Whiskey‹. »Kijk, Marijke, ik heb een klein probleempje, en ik denk, dat je misschien kunt helpen met de oplossing.[8]«

      Verwundert blickte sie ihn an. »Habe ich etwas falsch gemacht?«

      Rikkert schüttelte den Kopf. »Nein.« Er deutete auf die geschlossene Tür. »Der Mann, der gerade hinausgegangen ist, scheint mir eine mögliche, äußerst interessante Geldquelle zu sein. Ich bin ganz knapp davor, ihn aus einem Club in Rotterdam abzuwerben, wo er normalerweise seine Zeit verbringt ...« Er seufzte und nahm einen weiteren Schluck. »Das bleibt natürlich unter uns, Marijke! ... Aber der Mann ist ein echter ›High Roller‹!« An ihrem Blick bemerkte er, dass sie nicht verstand, was er ihr damit sagen wollte. »Ein ›High Limit Gambler‹, wenn du es in Casino-Sprache möchtest, jemand, der ausschließlich hohe Beträge, extrem hohe Summen, setzt, um zu bekommen, was er möchte.«

      »Ähm ...«, reagierte sie unverbindlich. Sie hatte keine Ahnung was das mit ihr zu tun hatte, geschweige denn, worauf Rikkert gerade hinauswollte. Alles was sie wusste war, dass derartig finanziell hochpotente Klienten sehr bevorzugt behandelt wurden. Diejenigen, die dem Club das meiste Geld einbrachten, erhielten immer die besten privaten Suiten und die teuersten und feinsten Getränke. Jeder Wunsch wurde ihnen förmlich von den Lippen abgelesen. Alles was Rikkert tat, war sie und ihre Kolleginnen auf einen solchen Kunden aufmerksam zu machen, um sicherstellen, dass er jederzeit bestens umsorgt wurde. »Nun, ich weiß nicht, inwieweit ich helfen könnte ... Soll ich ihm vielleicht eine gute Sub heraussuchen?«

      Rikkert gluckste verlegen und drehte das Glas leicht zwischen seinen Fingern.

      Marijke bekam den Eindruck, dass es ihm nicht ganz leicht fiel fortzufahren.

      »Nun«, setzte er nach einer geraumen Weile des Schweigens neu an, »es ist in gewisser Weise schon ein bisschen komplizierter.« Er schaute sie durchdringend an, als würde er etwas in ihr suchen. »Wie fange ich am besten an ...«

      »In het begin[9]«, forderte sie ihn auf.

      »Nun, dieser Kunde hat ein paar recht spezielle Vorlieben, und wenn wir ihn in unseren Club kriegen wollen, dann müssen wir ihm beweisen, dass wir auch entsprechend liefern können.« Er war bewusst vom ›Ich‹ ins ›Wir‹ gewechselt, um sie auf diese Weise auf seine Seite zu ziehen. »Er ...«

      »Zeg wat u wilt[10]«, mahnte sie ihn.

      »Ich bin bereits dabei, Marijke«, erwiderte er und leerte sein Glas mit einem Schluck. »Er verlangt nach einer neuen Sub.«

      Sie runzelte leicht die Stirn. »Sorry, ik begrijp het niet helemaal.[11]«

      »Was ich meine, Marijke, ist, dass er nach einem völlig unerfahrenen Mädchen sucht, eines, dass nicht perfekt ist ... Er möchte mit einem spielen, aus dem er erst eine richtige Sub machen muss.« Rikkert blickte sie jetzt unverhohlen an. Ein geldgieriges Lächeln umspielte die Lippen seines Rattengesichts. Dann ließ er die Katze aus dem Sack. »Er will dich, Marijke!«

      Sie stellte ihr Glas leise, aber mit Nachdruck auf den Schreibtisch und stand auf. »Oh, nein, Rikkert! Wir haben darüber gesprochen, als sie mich engagierten. Ich serviere Getränke, nicht mehr, nicht weniger. Dat is alles wat ik te zeggen heb![12] Ich bin in diese Scheiße nicht verknallt! Meine Antwort lautet: Nein!« Sie wandte sich von ihm ab, und war so wütend über das unglaubliche, ja unverschämte Angebot, wie sie es noch nie über etwas gewesen war. Sie hatte ihre Hand bereits auf den Türknauf gelegt, als sich Rikkert aus seinem Sessel erhob.

      »Wacht, wacht! Alsjeblieft, Marijke, luister naar me voordat je wegloopt![13]«, rief er. »Hör' mir bitte zu, dann kannst du immer noch aufgebracht losstürmen, eine Voodoo-Puppe basteln und solange mit einer Nadel hineinstechen, bis ich blutend am Boden liege!« Er machte eine einladende Geste in Richtung des Stuhls von dem sie gerade aufgestanden war. »Bitte, setz' dich.«

      Sie blieb stehen und ließ den Knauf los.

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