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fuhr sie um. Es war ein Bursche von Anfang 20, in schwarzblauen Jeans und einem karierten Hemd, worüber er einen schäbigen beigen Anorak mit roten Ärmelstreifen trug, der nach Rauch und billigem Fusel stank. Sein schütteres Haar war ihm im Suff über die Stirn gefallen und sein Atem roch wie ein Schnapsfass.

      „Nein, Nichtraucher“, antwortete sie schroff und entwandt sich seinem dreisten Zudringen. Doch er setzte nach, grabschte nach ihrem Nacken und wühlte in ihrem Haar, wobei er mit seiner hellen Fistelstimme unentwegt auf sie einquatschte, als hätte er wochenlang mit niemandem geredet. Dabei kicherte er immerfort, allein seinen lüsternen Gedanken verhangen, die er mit abschätzig geschürzten Lippen ganz unverhohlen zeigte. Und hatte ihn ihre Abwehr anfangs noch belustigt, wurde er schließlich doch ärgerlich.

      „Halt doch endlich still ... Warte, gleich... Na also.“

      Nun betrachtete er mit riesigen Augen einen winzigen Fussel, den er wie eine unschätzbare Kostbarkeit zwischen Daumen und Zeigefinger hielt.

      „Und wenn ich noch mal... vielleicht...“

      „Oh nein, danke, nicht nötig.“ Sie lächelte gequält, nahm ihre Tasche auf und wich weiter zurück.

      „Mach ich aber gern.“

      „Kann ich mir vorstellen. Aber bemühen Sie sich nicht, ich warte hier auf jemanden. Er muss bestimmt gleich kommen.“

      Doch obwohl er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, drängte er erneut an sie heran, legte den Arm um sie, was er wohl witzig fand, denn er zischte, den Finger an die feuchten Lippen gelegt, im sichtlichen Bemühen, seinen Worten eine gewisse wärmende Vertraulichkeit zu geben: „Pssst Lütte, musst keine Angst haben, ... aber du sollst nicht lügen.“

      Erneut nahm er einen Schluck, wobei ihm die Hälfte über Kinn sabberte und versicherte, nicht besoffen zu sein.

      Aber warum half denn niemand? Ilka versuchte sein lästiges Zudringen abzuwehren, indem sie sich brüsk entwand, doch niemand beachtete sie. Selbst der ältere Herr neben ihr blieb stumm. So ein Feigling! Anstatt ihr zu helfen, wie es sich gehörte, guckte er weg, nur um nicht in Verlegenheit zu kommen.

      „Aber Schnucki, ich will doch nur...“

      Schon wieder grabschte dieser freche Kerl sie an. Er sollte das lassen, sonst ... Und gerade als sie sich etwas losmachen konnte, um ihm eine zu kleben, wurde er plötzlich zurückgerissen.

      „Schon gut, Gukki“, sagte ein Matrose in dunkelblauer Uniform, den sie zuvor gar nicht bemerkt hatte und der ihn nun sanft aber bestimmt zur Seite führte. „Setz dich – hier ... So ist’s besser.“

      Daraufhin plumpste der Betrunkene wie ein Sack auf die nebenstehende Bank, wo er mit seinem verschobenen Schafsgesicht entgeistert zu ihm aufschaute, ohne sich im Geringsten zu widersetzen.

      Sogleich entschuldigte der sich für das Benehmen seines Kameraden, der wohl zu viel getrunken habe. Nun ja, wenn der Urlaub zu Ende ginge, komme so etwas schon mal vor, aber deswegen wäre er bestimmt kein schlechter Kerl, versicherte er und suchte immer wieder das Ganze zu verharmlosen.

      Ilka indes, noch immer vom Schrecken gelähmt, fand diese Ausflucht reichlich deplaziert, zumal ihr jedes Verständnis für solche Taktlosigkeiten fehlte. Und da er es merkte, zurrte er schließlich verlegen, mehr aus Befangenheit denn Notwendigkeit, seinem Kumpel den Reißverschluss zu, nahm ihm die Flasche aus der Hand und stopfte sie kopfüber in die nebenstehende Mülltonne.

      Doch seltsam, - obwohl sie noch immer so verbittert und gereizt war und sich in ihrem gekränkten Stolz wie eine Schildkröte in ihren Panzer verkroch, beruhigten sie seine Worte, ja machte ihr der Umstand, dass er sie gleich duzte, gar nichts aus. Im Gegenteil, anstatt beleidigt zu sein, fand sie eine derartige Vertraulichkeit sogar drollig. Was blieb, war eine sonderbare Komik, in der es ihr bestimmt nicht schwergefallen wäre, ihn jetzt lachend einen Dummkopf zu nennen, der wohl noch immer glaubte, sie hätte ihn nicht längst durchschaut.

      Einen Augenblick wusste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Aber dann gab sie ihm unmissverständlich zu verstehen, dass sie keinen Wert auf irgendwelchen Beistand lege und durchaus alleine klarkäme.

      Er sah sie daraufhin verwundert, gleichsam bedauernd an, zuckte die Achseln, was sie wiederum düpierte und meinte trocken: „Dann eben nicht.“

      ’Blöder Affe!’ dachte sie, den Blick stur an ihm vorbei gerichtet.

      Er wollte weggehen, kam jedoch noch mal zurück und sagte dann mit kalter Sachlichkeit: „Dort vorn findest du die Militärstreife. Sie haben immer das erste Abteil. Setz dich in ihre Nähe, und es wir dich niemand mehr belästigen.“

      Und dann kehrte er wieder zu seiner Gruppe zurück, während der Betrunkene noch immer auf der Bank saß, die Beine weit fortgereckt, das Kinn auf die Brust gesenkt und zufrieden vor sich hin döste.

      Oh, wie graute ihr bei dem Gedanken an die folgende Fahrt, die vollen Abteile, die schlechte Luft und die vielen betrunkenen Kerle. Und wenn sie ihr Freund, dieser verdammte Holm-Hendrik, nicht im Stich gelassen hätte, wäre das auch nicht passiert!

      Einen Moment fühlte sie ihre Einsamkeit in ganzer Härte, was ihre Bitterkeit gegen alle Welt nur noch steigerte. Sie war verzweifelt, hätte schreien können, so dass sie nahe dran war, auf der Stelle umzukehren. Und doch war zugleich auch eine merkwürdige Stille in ihrer Herzgrube, durchsetzt von einer zarten Süße, welche den gewohnten Schmerz etwas linderte.

      Was geschehen war, wusste sie selber nicht. Während der folgenden Minuten ertappte sie sich, wie ihr Blick zögernd zu ihm zurückkehrte. Er rauchte und nahm hin und wieder einen Schluck aus einer Flasche, die dort die Runde machte. Hendrik würde das niemals tun. Er wusste was sich gehörte, besaß Etikette - vor allem trank er nicht, schon gar nicht aus einer Flasche. Eigentlich stieß sie so etwas ab, und sie hätte sich bestimmt auch abgewandt, hätte nicht gerade diese Geschmacklosigkeit ihre Neugier geweckt.

      Ein Mädchen war nicht in seiner Nähe. Aber warum interessierte sie das? Natürlich interessierte sie das nicht, sie stellte nur fest. Er war kaum älter als sie, war nicht sehr groß, eher untersetzt, hatte in der Mitte gescheiteltes dunkelblondes Haar, eine schmale gerade Nase und graue, kalte Augen, wie sie fand. Zudem besaß er herbe, ein wenig kantige Züge, was ihm eine gewisse Strenge verlieh, was jedoch durch ungewöhnlich sanften Augen gemildert wurde. Im Gegensatz zum rauchigen Räuberzivil des anderen trug er eine Marineuniform, bestehendaus einer weiten Klapphose und einer taillierten Bluse, die im Nacken in den typischen tiefblauen Kragen auslief. Zwei Orden und eine blaue Kordel mit silbernem Abzeichen prangten an seiner linken Brust. Und obgleich er im Grunde ziemlich nachlässig, vielleicht sogar etwas verroht wirkte und ganz und gar nicht ihren Vorstellungen von einem Matrosen entsprach, war dennoch etwas an ihm, das nicht recht zu bestimmen war und ihr Interesse weckte.

      Allein das Wissen um seine Nähe empfand sie plötzlich als beruhigend. Darüber hinaus gab es ihr das warme Gefühl, interessant, vielleicht sogar attraktiv zu sein. Und gerade das war es, was sie schon seit langem vermisste: Eine Aufwertung ihrer Persönlichkeit, die endlich all die schrecklichen Zweifel dämpfte, welche sie in letzter Zeit in teilweise fürchterliche Komplexe getrieben hatten. Hendrik, dieser Zyniker, hatte diese noch durch seinen Sarkasmus genährt, indem er sie fortwährend foppte, sie hätte zu viele Sommersprossen, ihre Schenkel seien zu stramm und ihr Busen für ihr Alter einfach zu groß. Zudem hatte er sich am Ende immer häufiger wie ein selbstverliebter Snob aufgeführt, dessen arroganter Dünkel kaum noch zu ertragen war. Nein, sie mochte nicht mehr daran denken, nicht jetzt.

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