Eine Frau für Mama. Elmar Zinke

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Eine Frau für Mama - Elmar Zinke

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zu ihr.

      „Hast Du eine Frau?“ fragt sie nach einer Ewigkeit.

      „Nein.“

      „Warum nicht?“

      Von Klopp verkürzt den Sachverhalt auf den maßgeblichen Kern, schwächt den Ernst des Gesagten zuweilen durch ein Lächeln ab. Es ist die Wahrheit, denkt er in der Stille. Stärkt sie mein Ansehen ihr gegenüber? Oder schadet sie eher meinem Ansehen? Am besten, ich sage ihr noch etwas anderes. Dass ich eine Frau für Mama suche.

      „Wie heißt Du?“

      „Martin. Und Du?“

      „Ball.“

      „Wie der …?“

      Er wiederholt das Gehörte nicht wie im Fremdsprachenunterricht, im Begrifferklären gewährt er der Zeichensprache den Vorrang. Ein Finger malt einen Rundkörper in die Luft, sie nickt lächelnd. Ein Missverständnis liegt nahe, denkt er, immerhin deute ich einen Kreis an und der Unterschied zu einem Ball liegt im Nichtvorhandensein des Dreidimensionalen. Von Klopp erwägt die Formung von etwas Ballähnlichem durch das Verknäulen beider Hände. Er verwirft diese Eingebung, schnellt aus dem Bett, deutet im aufrechten Stillstand den Wurf eines Balles an. Er erntet höfliches Lächeln, grübelt nach Steigerungsformen für seinen Anschauungsunterricht, ahmt einen Fußballdribbelkünstler nach. Er kürt zwei Stühle und den Tisch zu Spielern der Gegenmannschaft, führt tänzelndes Kreisklasseniveau vor. Nach der hundertprozentigen Gewinnquote der Zweikämpfe reckt er die Arme nach oben.

      Ihr erneut lächelndes Nichtbegreifen treibt ihn zur Rezeption, ein Mann im weißen Hemd erfüllt seine Bitte nach einem Ball mit der Herausgabe eines Golfballes, von Klopp sichert ihm die Rückgabe zum Frühstück zu. Im Fahrstuhl denkt er, bestimmt vermutet der Nachtportier, dass wir unsere Zeit im Zimmer mit Minigolf totschlagen, anstatt das Übliche zu tun. Im Übrigen wäre ein Mixtum compositum nicht die schlechteste Idee. Als Schläger eignet sich ein geschlossenes Buch, als Loch ein aufgeschlagenes Buch. Als Zielprämie für mich winkt ein anderes Loch außer der Reihe. Von Klopp schüttelt den Kopf über seine Auslassung, im Zimmer hält er den Golfball wie eine Trophäe hoch.

      „Ball“, sagt die mädchenhafte Frau, nickt heftig. „Ich Ball.“

      Ball rekelt ihren Körper, strampelt ihn nackt. Von welch schöner Welt ich umgeben bin, denkt er. Er mutmaßt das unerschöpfliche Vorhandensein erotischer Energievorräte, beäugt die Übertragungsmöglichkeiten, spürt schon ohne eine Direkteinwirkung körperliche Folgeerscheinungen. Ball legt ihre warmen Hände auf seine Brustwarzen, die Temperatur steigt ohne Bewegungsmerkmale ins Hitzige. Er widersteht der Versuchung einer prompten Umsetzung seiner Überreizung, rollt zur Seite, nach einem Schluck aus der Bierbüchse begibt er sich ans Fenster. Du Frau, ich Mann, denkt er, lächelt verstohlen, kehrt zum Bett zurück.

      „Massage“, bittet er.

      Im Anblick ihrer Fingernägel verbirgt sie ihre Enttäuschung nur bedingt.

      „Massage keine Liebe“, sagt sie.

      „Massage ist Spiel vor der Liebe. Vorspiel.“

      Von Klopp schiebt den Körper in Bauchlage über das Bett, Ball schwenkt ihren Körper auf seinen in Gesäßhöhe. Sie setzt das Studium ihrer Fingernägel fort, ein sanfter Fauststoß an ihre Oberschenkel ruft sein Anliegen in Erinnerung. Die körperliche Konversation leitet Ball im Sektor Schulter und Nacken ein, erweitert das Pflichtprogramm auf die Rückenzone. Seinen Körper vom Gesäß abwärts spart sie als Tätigkeitsfeld ihres vielfingrigen Kundendienstes aus. Der Liebenummeraufschub findet ein Ende.

      Ein schmaler Lichteinfall aus dem Bad führt zu Dämmerlicht, ihre Körper ruhen nebeneinander, ihre Augen begegnen einander.

      „Sprichst Du gut Englisch?“ fragt er.

      Ihre Hand hebt sich, den Spalt zwischen Daumen und Zeigefinger schätzt er auf drei Millimeter. Wie viele Wörter mögen dazwischen passen?, denkt er. Mehr als drei.

      „Ich liebe Dich“, erklingt ihre Stimme in freudiger Munterkeit.

      Von Klopp deutscht das Worttrio ein, Ball übersetzt es in ihre Muttersprache.

      „Bong slang one“, spricht er ihr nach.

      Ball nickt verhalten Einverständnis, sagt: „Baby, gontpai.“

      Er wiederholt beide Worte, Ball spreizt rechtshändig Zeigefinger und Mittelfinger zu einem schmalen Victoryzeichen, führt die Hand zu den Lippen.

      „Barei“, sagt sie, ihre Stimmlage bekundet Abscheu.

      „Smoking“, lächelt er seine Vermutung hinaus, „Rauchen“.

      Er klopft eine Fingerspitze an die Brust, vollführt eine beiderseitige Kopfdrehung.

      Ball faltet die Hände in Kinnhöhe, sagt: „Tamate“.

      Die Körpersprache fördert nicht die Übersetzung, auch das Zeigen auf die gegenständliche Welt im Zimmer dient nicht der Wahrheitsfindung. Von Klopp erklärt das Wort kurzerhand zum unlösbaren Rätsel, küsst ihre aalglatte Wange. Den gesprochenen Worten folgt Geschriebenes in sein leeres Notizheft. Ihre Khmerschriftbild wirkt auf von Klopp uniform, die Buchstabenlängen im Falle von ´Tamate´ ähneln aus seiner Sicht den ungelenken Schreibeigenheiten eines Schulanfängers. Die Schreibweise seines Namens, ihres Namens und des Wortes Baby festigen seine Eindrücke, zugleich entdeckt er in ihren Achselhöhlen mehrere Leberflecken.

      Womit diene ich uns noch?, denkt er und rutscht vom Bett. Das gesuchte Badetuch findet er feucht auf dem Badfußboden vor. Er schlingt es um seine Hüften, strebt zielbewusst zu einer Wand. Sie liegt dem Bett gegenüber, seine Finger richtet er zum einzigen Bild im Raum. Die lackholzgerahmte Farbfotografie rückt Angkor Wat vor einen verlöschenden Sonnenball, das Nichtvorhandensein von Menschen steigert die besinnliche Grundstimmung.

      „Angkor Wat“, strahlt sie.

      „Bild“, sagt er. „Das ist ein Bild.“

      „Angkor Wat“, wiederholt sie rechthaberisch.

      Von Klopp anerkennt den missverständlichen Charakter des Gegenstandes, zeigt in Balls Richtung: „Bett“!

      Ihre Hände gleiten über das Metallbettgestell, unsicher entfährt ihr: „Beed“.

      „Bett“, wiederholt er ausdrucksstark.

      „Bett.“

      Von Klopp hebt den Daumen vor Anerkennung, beide steigern ihr Lächeln ins Übertriebene. Das Geschäftspaar bezieht den Stuhl, die Lampe und den Schrank in diese Redeebene ein, im Weiteren dehnt sich der Wunsch zur Verständigung auf das Schreiben in deutsch und in Khmer aus. Die ausgelassene Heiterkeit beflügelt beide zum verbalen Zerlegen des Zimmers bis zu den Nebendingen Bodenvase, Bademantel, Lichtschalter, Kugelschreiber, Menükarte, Klodeckel, Eiswürfel und Zahnbürste. Ball unterbindet das Ausreizen der Idee bis zum letzten Gegenstand. Sie greift vom Nachtschränkchen den Kambodschareiseführer, fortan dienen Fotos als Hilfsmittel zum Reden und Lachen. Von Klopp hört ihr genau zu und denkt, Mama könnte Kuh heißen. Und diese enorm lange Zeit zwischen beiden Silben, hochinteressant. Ball blättert immer neue Bilder auf, sie einigen sich auf die Übersetzung von Tatkru mit Krokodil, von patei meit mit Himmel, von Lok Dschadlei mit Stupa.

      Ein

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