Eine Frau für Mama. Elmar Zinke

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Eine Frau für Mama - Elmar Zinke

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Balls Sinne geraten in helle Aufruhr. Ihr Mittelfinger hämmert in die Senke ihrer Brüste, aus ihren Augen quellen Tränen.

      „Deine Heimat?“, fragt er ergriffen.

      Ihr Gesicht drückt Unverständnis aus, mit gedämpfter Stimme setzt er neu an: „Mama, Papa“?

      Sie bejaht die Frage mit ungestümen Regungen, die Klingeltöne ihres Handys schrillen in dieses mitreißende Gefühl. Die andere Seite redet unaufhörlich, von Klopp zieht sich ins Bad zurück, fummelt vor dem Spiegel im Gesicht. Nach seiner Rückkehr zappt die junge Frau durch die Fernsehprogramme, sie wirkt angegriffen und blickleer. Ein Sportsender überträgt Thaiboxen in einer überfüllten Arena, sie stoppt die Suche, von Klopp atmet erleichtert auf,

      die unangenehme Luftkühle der Klimaanlage bewegt von Klopp unter das Bettlaken. Du lieber Gott, was so ein Mann nicht alles alles denken kann, redet er mit sich. Beschämt nur steh ich vor ihm da und sag zu allen Sachen ja. Bin doch ein arm unwissend Kind, begreife nicht, was er an mir findt. Ihre kalten Hände wagen einen Annäherungsversuch, das Verinnerlichte in ihm klingt aus, er blickt umher. Ball löst sich aus ihrer Wartestellung, an der Türschwelle zückt er das Portmonee für ein gutes Handgeld.

      „Du lieben Mann?“, fragt sie ängstlich.

      Er verneint es erschrocken, wie zur Beglaubigung streichelt er ihre vollständig freie Schulter.

      „Kein Mann, kein Kind, kein Krankheit“, sagt sie, es fehlt nicht an Gefühlen zwischen Gedrücktheit und Zuversicht.

      Wenige Minuten nach ihrem Weggang klingelt das Zimmertelefon.

      „Hallo Sir“, meldet sich die Stimme des Nachtportiers. „Ihre Lady will das Hotel verlassen. Ist das in Ihrem Sinne?“

      „Das geht in Ordnung“, bestätigt von Klopp.

      „Gute Nacht, Sir“, sagt der andere, legt auf.

      Kapitel 3

      Ein Traum zeigt von Klopp mit Betty am Pool seines jetzigen Hotels. Er liegt auf dem blanken Gestell einer Liege, Betty führt Kunststücke eines Zirkusakrobaten vor. Ihre Hände werfen und fangen tennisgroße Bälle, mal drei und mal vier. Klingenlange Messer schlagen in eine Palme ein, an einer Holzwand umreißen vier Äxte ein Quadrat. Im Badeanzug springt Betty ins Wasser, speit aus dem Mund eine Stichflamme, ihr Abtauchen löscht das Feuer. Der Traum reißt ihn im Morgengrauen aus dem Schlaf, die Rückholaktion der Traumbilder macht von Klopp hellwach. Wieso diese Betty und nicht Ball?, denkt er. Er versucht sich im Bücherlesen, ermüdet alsbald für die Reststunden bis zur üblichen Frühstückszeit.

      Der Helfershelfer von gestern schwingt von Klopp die Ausgangstür auf, sein Gesicht kündet von verschworener Nähe. Vor der Hotelanlage riecht von Klopp den Geruch von frisch gemähtem Rasen, der Tuk-tuk steht im Schatten eines laubreichen Baumes, der Fahrer wienert den Lederbezug der Rückbank. Nach der Handreichung stellt sich von Klopp mit Martin und der Fahrer mit Dschin vor. Von Klopp steigt ein, breitet über seine bedeckten Oberschenkel eine Karte von der weitläufigen Tempelanlage Angkor. Er kennt die Vorzeigeobjekte aus dem Vorjahr, nennt sie Dschin. Dschins skizzierte Streckenführung beugt einer Wiederholung vor, findet ein gesundes Maß zwischen der Entfernung und der Bedeutsamkeit der Sehenswürdigkeit.

      „Angkor Wat möchte ich natürlich wieder sehen“, spricht von Klopp in Vorfreude. „Als krönenden Abschluss.“

      Geschmeidig ordnet sich Dschin in einen gut fließenden Verkehr ein, zwischendurch lobpreist er den Fußball in Deutschland. Die Namen Schweinsteiger, Klinsmann und Beckenbauer fallen, der Fahrgast quittiert die Namensnennungen mit nickender Zustimmung und denkt kurz über die Generationenabfolge nach.

      Dschin breitet sein mittelprächtiges Fußballwissen weiter aus, eine Leerstelle nutzt von Klopp zur Frage: „Tamatei, was bedeutet dieses Wort?“

      Der Fahrer bezeugt stumm seine Unwissenheit, ohne Erfolg schiebt von Klopp alle gängigen Betonungsvarianten hinterher. Die Sonne legt an Stärke zu, das multinationale Touristenheer fällt über die Tempelstadt im Urwald her. Sein Kopf speichert Ankors Bilder lupengenau ab, das magische Nimmersatt auf das Kommende bleibt bestehen. Er klettert emsig Tempelgipfel empor, weidet sich am Ausblick ins Malerische. Er schluckt den feinen Staub halbdunkler Gänge, häufig zwingt die Enge zum gebeugten Gehen. Von Klopp fotografiert weniger als die meisten Touristen, die eigene Person spart er grundsätzlich aus, die hundertfache Vielfalt von in Stein gehauenen Figuren erklärt er allesamt zu Studienobjekten. Er betastet die Reliefkunst und denkt, keine Ahnung, warum mich der Direktkontakt genauer an alles erinnert. Aber es ist so.

      Während der langen Strecke zu Prasat Sour Prat drängen Luxusreisebusse den Tuk-Tuk durch dröhnendes Hupen auf den unbefestigten Straßenrand, in Folge sieht von Klopp mehrfach eingerüstete Ruinen und Trupps von Restauratoren. Anstatt Unsummen in die Restaurierung zu stecken, täten die Menschen besser, hier alles beim Alten zu lassen, grübelt er. Wiederaufbau bedeutet Nachahmung. Dieses Handeln besiegelt den endgültigen Ruin für die Pracht und Herrlichkeit einer versunkenen Welt.

      Angkor Wat verabreicht lähmende Frühnachmittagsglut, im Schatten eines Restaurantsonnenschirmes überwältigen von Klopp die fünf Lotosblumentürme im schillernden Licht. Er dankt einem Halbwüchsigen zwinkernd für den Kaffee, löffelt einen Zuckerwürfel flüssig. Angkor, das Taj Mahal, Machu Picchu, denkt er mit geschlossenen Augen. Das ist ewige Schönheit, ewige Würde, ein ewiger Hauch des Rätselhaften. Nimmt die große Liebe es auf mit diesen Weltwundern? Im Einzigartigen! Träume ich mich immer noch ins Unverbesserliche?

      Dschins Tuk-tuk steht inmitten hundert Anderer, der Fahrer nutzt die Wartezeit zu einem Nickerchen. Von Klopps Kameraklicken weckt ihn, die Beine und der Kopf schrecken hoch, in den Augen überwiegt das Eingeständnis einer Bloßstellung.

      „Was kannst Du mir noch zeigen?“, fragt von Klopp.

      „Es gibt eine Krokodilfarm“, antwortet der Andere eilfertig, schüttelt die letzte Müdigkeit ab.

      Die Farm liegt unauffällig in Siem Reaps Stadtmitte, die Tickettverkäuferin wirkt verschlafen wie der Vorplatz. Die Reptilien bevölkern hundertfach im dichten Nebeneinander und Übereinander ein halbes Dutzend Wasserbecken mit Auslaufzone. Von Klopp lehnt sich auf die wackelige Brüstung, schießt eine Reihe Fotos. Sie sehen aus wie tot, denkt er. Angesichts der körperlichen Unversehrtheit stimmt der Vergleich aber nur bedingt. Sie schauen aus wie ausgestopft.

      Zwei junge Amerikaner nähern sich von Klopp, der Größere trägt einen Rucksack mit Schlafsack, Isomatte und Kochgarnitur, der Andere trägt ein Huhn vor der Brust. Direkt vor dem Deutschen packt er das Tier an den Flügeln, wirft es in das Becken. Die Reptilien lauern mehr im Wasser als an Land, schlagartig entbrennt ein erbittertes Ringen um das Nahrungsmittel. Das Huhn hüpft lautstark gackernd über mehrere Krokodilrücken, stemmt sich mit hektischem Geflatter gegen das Schicksal. Ein Reptil dreht sich blitzartig, mit weit aufgerissenem Maul schnellt der Kopf hoch, besiegelt das Aus.

      Im übertrieben heruntergekühlten Shop locken farbenfroh und ideenreich Taschen aus Krokodilleder zum Kauf. Mittendrin stehen wie Zierrat ausgestopfte Reptilien in den Längenmaßen eines erwachsenen Unterarmes bis zu eines dreijährigen Kindes. Die Amerikaner kaufen ein Präparat in mittlerer Größe, von Klopp erwägt nur kurzzeitig den Erwerb eines Portmonees für seine Mutter.

      Am Pool klickt er die Aufnahmen von der Krokodilfarm in der Kamera durch und denkt, was für eine Tierquälerei. Wer aber lädt die größere Schuld bei diesem mörderischen Akt auf sich? Der Verkäufer des Huhnes oder diese beiden Amerikaner,

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