Das Doppelkonzert. Arnulf Meyer-Piening

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Das Doppelkonzert - Arnulf Meyer-Piening

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sich zusammengezogen und schütteten den Regen in Kübeln auf die Landschaft. Nach dem Gewitterregen zeigten sich erste Silberstreifen am Horizont. Gab es noch eine Rettung? Erst müsste die Firma neu geordnet werden und wieder Gewinne machen. Dann könnte man sie verkaufen, vielleicht sogar an einen Wettbewerber oder an einen Lieferanten. Warum nicht? Aber Vater würde nie zustimmen. Man müsste einen Berater haben, der sich mit der Reorganisation von Firmen auskennt. Vielleicht könnte sogar Isabelle eine Lösung bringen? Sie kannte viele einflussreiche Leute und besaß gute Kontakte zu vermögenden Leuten im In- und Ausland. Ja, er müsste sie ansprechen. Genau das war seine schicksalhafte Bestimmung, der er sich stellen würde. Er selbst müsste die Firma retten. Diese Frau, dies teuflische Weib im Bunde mit finsteren Mächten, könnte vielleicht die Rettung bringen. Das müsste er arrangieren. Wer sonst, wenn nicht sie? Und vielleicht könnte sie Einfluss auf seinen Vater nehmen. Sie könnte den Vater bewegen, die Firmenleitung abzugeben.

      Das war seine Idee. War es die rettende Idee?

      Vor der Abfahrt des Krankenwagens trafen sie sich in der Vorhalle des Hauses. Isabelle hatte angeboten, ihn ins Krankenhaus zu begleiten. Das Ansinnen aber wurde von Ingrid ziemlich schroff abgelehnt, weil sie nicht mit ihm verwandt sei. Außerdem machte ihr Ingrid den Vorwurf, für das Unglück mit verantwortlich zu sein. Vor allem wollte nicht, dass sie sich in die internen Angelegenheiten der Familie einmischte. Zu allem Überfluss sagte Ingrid, wenn Isabelle nicht gewesen wäre, dann wäre das Unglück nicht passiert.

      - Den Vorwurf verstehe ich nicht, gab Isabelle ziemlich heftig zurück: Sie sollten mir dankbar sein. Sie jedenfalls haben sich nicht um ihn bemüht als er hilflos am Boden lag. Was habe ich mit seinem Anfall zu tun? Ihr Bruder ist während des Konzerts ohnmächtig geworden, und ich habe mich um ihn gekümmert. Das ist alles.

      - Nein, das ist nicht alles, entgegnete Ingrid mit kaum unterdrückter Aggressivität. Ich habe Sie beobachtet, ich weiß mehr über Sie, als Sie ahnen. Seit einiger Zeit haben Sie sich systematisch an meinen Bruder herangemacht, suchten seine Nähe und Ihren persönlichen Vorteil. Sie haben ihm ganz ungeniert vor allen Leuten einen Kuss gegeben, und Hinrich hat das beobachtet. Glauben Sie, ich hätte nicht gemerkt, wie Sie seine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt haben und sie gestreichelt haben?

      - Isabelle blickte zur Decke und zuckte mit den Schultern, als ob sie sagen wollte: Sind Sie nun endlich fertig?

      - Ingrid ließ sich nicht beirren und fuhr fort: Tun sie nicht so scheinheilig. Dies unwürdige Schauspiel hat Hinrich aus dem Takt gebracht. Wenn Sie nicht gewesen wären, dann wäre alles gut gewesen. Ohne Ihre peinlichen Annäherungsversuche hätten wir einen erfolgreichen Abend erlebt. Hinrich hätte das Vertrauen seines Vaters gewonnen, wäre sein Nachfolger geworden, aber jetzt ist alles verloren. Und Sie tragen daran maßgeblich die Schuld.

      Feindselig sah Isabelle sie an. Ihre Augen blitzten vor Zorn: Frau Sämann, Sie machen sich die Sache zu leicht. Sie suchen einen Schuldigen für das heutige Desaster, aber die Ursachen liegen weit zurück: Ihr Bruder hat seinen Sohn nie richtig verstanden, hat nie begriffen, was er wirklich wollte. Er hat ihn von früh an zu etwas gezwungen, was er nicht wollte und auch nicht konnte. Er wollte aus ihm sein Ebenbild machen. Aber das gelang ihm nicht. Ihr Bruder fühlte sich für Hinrichs Versagen mitverantwortlich. Schließlich war Hinrich sein Sohn. Er wollte einen Sohn, wie er es gewesen war. Er suchte sein Ebenbild.

      - Das müssen Sie mir nicht erzählen. Das weiß ich selber. Wollen Sie mir erklären, wer Hinrich ist? Was wissen Sie schon von ihm? Sie kennen ihn überhaupt nicht.

      - Vielleicht verstehe ich ihn viel besser als Sie, entgegnete Isabelle, denn Sie sehen nur sich selbst, sonst niemanden. Hinrich hat die wahre Liebe nie kennengelernt, weder von seiner Mutter noch von seinem Vater und wahrscheinlich auch von Ihnen nicht. Aber das können wir ein anderes Mal besprechen, wenn Sie wollen.

      - Ingrid wandte sich dem Krankenwagen zu, in dem ihr Bruder mit Sauerstoff versorgt wurde. Julia war bei ihm und hielt seine Hand. Sie kämpfte mit ihren Tränen. In gewisser Weise fühlte sie sich schuldig, denn letztlich war sie es gewesen, die ihren Bruder aus dem Konzept gebracht hatte.

      Ingrid kümmerte sich nicht um den Patienten. Ihrer Ansicht nach waren genügend Helfer da. Zu Isabelle gewandt, sagte sie über die Schulter mit schneidender Stimme: Ich sehe keinen Sinn darin, mich mit Ihnen weiter zu unterhalten. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.

      - Jetzt geht es in erster Linie um Ihren Bruder, antwortete Isabelle, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Ihr Bruder braucht mich mehr als Sie wahrhaben wollen. Und nun wollen Sie mir die Schuld für seinen Anfall zuschieben? Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Suchen Sie sich einen anderen Sündenbock.

      - Ingrid nahm auf dem Beifahrersitz Platz: Wir können fahren, sagte sie mit der herrischen Bestimmtheit der Chefärztin und schlug die Tür zu. Das Fenster aber war offen geblieben.

      - Sie glauben mich abschieben zu können, und dabei brauchen Sie mich mehr als Sie wahrhaben wollen, sagte Isabelle. Ich weiß, dass Sie dringend Geld brauchen, aber ihr Bruder kann das nicht leisten, denn die Firma Sämann hat selbst kein Geld.

      - Das ist eine infame Lüge, schrie Ingrid durch das geöffnete Fenster. Ihre Vermutung ist völlig aus der Luft gegriffen. Wir brauchen Sie nicht.

      - Sie brauchen mich mehr, als Sie glauben und zugeben wollen.

      Der Notarztwagen schaltete erneut das Blaulicht ein und verließ das Grundstück. Wolfgang Sämann wurde sofort in der Klinik aufgenommen und auf die Intensivstation gebracht. Seine Schwester setzte alle Hebel in Bewegung, so dass er schon nach wenigen Minuten im Operationssaal lag und fachgerecht medizinisch betreut wurde. Es ging um Minuten, um Leben oder Tod. Allen war klar, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte. Aber dank des schnellen Eingriffs der Ärzte konnten schwere Gehirnschäden vermieden werden. Die Chancen standen gut, dass er den Anfall ohne bleibende Schäden überstehen würde.

      Isabelle hatte dem abfahrenden Wagen noch eine Weile nachdenklich nachgeblickt, bevor sie sich umwandte. Sie suchte Hinrich und fand ihn in dem Raum seiner Niederlage, wie sie es erwartet hatte. Sie sah den jungen Mann in sich zusammengesunken am Fenster sitzen, legte ihre Hand auf seine Schulter und versuchte ihn zu beruhigen: Du musst dir das nicht so zu Herzen nehmen, sagte sie. So etwas kommt vor, wenn man sich nicht gut fühlt. Das ist mir auch schon mal passiert. Wichtig ist, dass man gestärkt aus so einer kritischen Situation herauskommt. Wir wissen aus der Geschichte: Eine Niederlage kann die Grundlage für den nächsten glänzenden Sieg legen. Wie siegreiche Feldherren musst du es den anderen zeigen, dass du jemand bist, der kritische Situationen meistern und am Ende glorreich siegen kann.

      - Hoffnungslos blickte er sie an: Ach, Frau von Stephano, wenn Sie wüssten, wie es in mir aussieht. Mir ist zum Heulen zumute.

      - Ich kann es mir vorstellen, aber nun müssen wir nach vorne blicken und sehen, was zu retten ist. Noch ist nichts verloren.

      - Das Handy klingelte. Hinrich drückte ein paar Tasten: Ich habe von Ingrid eine Nachricht aus dem Krankenhaus erhalten, sagte er. Mein Vater soll schon bald operiert werden, er befindet sich in einem kritischen Zustand. Er ist nicht bei Bewusstsein. Man hat ihn in ein Tiefschlaf gelegt, weil er so unruhig war. Aber er hat eine starke Natur. Er wird die Krise überwinden. Ob er jemals wieder der Alte wird, dass können die Ärzte noch nicht sagen.

      - Ich denke, vorübergehend müssten Sie die Verantwortung für die Firma übernehmen, bis Ihr Vater wieder gesund ist, sagte Isabelle.

      - Er riss die Augen auf und blickte sie mit Entsetzen an: Ich soll jetzt die Verantwortung für die Firma übernehmen? Das kann ich nicht. Ich bin noch zu jung. Und Vater wird es nicht zulassen. Er hat kein Vertrauen zu mir, insbesondere jetzt nach der Pleite an diesem Abend schon gar nicht. Julia müsste das tun. Sie hat das Zeug dazu.

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