Der Frauenmann. Louis Flathmann

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Der Frauenmann - Louis Flathmann

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Neugier war riesig. Genauso riesig wie die gleichzeitige Sorge um seinen Freund, die ihn zu erdrücken schien.

      „Die Polizei…“, begann Felix. „Die wollen mich in den nächsten Tagen nochmal auf dem Revier sehen und mich vernehmen…“ Die Blässe in Felix’ Gesicht war ihm anzusehen. Auch das Zittern in seinen Beinen konnte er nicht länger vor Yannick verstecken. Alles begann von Neuem. Er rutschte erneut in das dunkle Verlies ab. Der Kastrierer, der mit dem hellen Licht vor ihm stand. Das Licht, das ihn in die Hölle beförderte… Er driftete vollkommen ab.

      „Hey, hey! Felix! Felix, hörst du mich?“ Das laute Rufen seines Kumpels schien ihn langsam aus der Hölle rauszuholen… Felix realisierte, dass er weggetreten war. Es war wieder einer dieser Momente, indem die Flashbacks ihn gewaltsam packten und in die Tiefe stürzen wollten. Mit ihm zusammen. Immer und immer wieder.

      „Sorry.“, brachte Felix nach einer Weile schwer atmend heraus.

      „Ich mache mir wirklich Sorgen um dich, Alter.“, versuchte Yannick das Gespräch aufzulockern. „Willst du wirklich alleine hierbleiben?“ Er sah seinem langjährigen Freund in die Augen und sah die Leere, die sich in ihm entwickelt hat. Er nahm aber auch die Verzweiflung wahr, die sich hinter seinem Blick heimlich versteckte.

      So, als wollte sie nicht entdeckt werden. Den alten Felix gab es nicht mehr. Er ist an der Tat gestorben, regelrecht zerbrochen.

      „Du brauchst dir keine Sorgen machen“, sagte Felix ernst. „Ich brauche einfach eine Weile, bis ich mit diesen Erinnerungen klargekommen bin.“ Das war eine Lüge.

      „Er wird nie damit klarkommen. Trotzdem braucht er mich grade jetzt besonders!“, meldete sich eine Stimme in Yannick’s Unterbewusstsein.

      Kapitel 2

      Alle Versuche, Felix davon zu überzeugen, dass er besser nicht alleine sein sollte zurzeit, scheiterten. Yannick gab schließlich schwermütig auf und fuhr schweren Herzens alleine zu sich nach Hause. Auch wenn er es selber nicht mochte, wenn man sich aufdrängte, hatte er bei Felix heute eine Ausnahme gemacht.

      Auf der anderen Seite hatte Felix ihm auch verständlich klar gemacht, dass er nach all dem Stress und der langen Zeit im Krankenhaus einfach mal zur Ruhe kommen wollte. Trotzallem hatte Yannick ein komisches Gefühl dabei, seinen besten Freund in dieser Zeit alleine zu lassen.

      Er hatte niemanden wie im Krankenhaus, der sich um ihn kümmerte.Dieser Gedanke hatte gleichzeitig einen ganz bitteren Beigeschmack, wenn er daran dachte, was das kranke Miststück mit ihm gemacht hat. Was er aus ihm gemacht hat.

      Der Feierabendverkehr ging Yannick auf die Nerven und lenkte ihn in seiner Sorge um Felix etwas ab.

      Genervt steckte er sich einen Kaugummi in den Mund. Das tat er immer, wenn der Verkehr ihn anstrengte. Er konnte den Stress damit gut abbauen, indem er fest auf das scharfe Kaugummi drauf biss. Der Ärger um den Verkehr mischte sich mit dem Ärger auf das Arschloch, das ihm immer mehr seinem Freund wegnahm.

      Verdammt! Ein heftiger Schmerz durchfuhr seine Zunge und er schmeckte das Blut, das so einen metallenen Geschmack hatte, als hätte er sich lauter Kleingeld in den Rachen geschoben. Yannick hatte vor Wut rasend, immer schneller auf die mittlerweile geschmacklose Masse gebissen. Zu Schnell.

      Eine Nachricht tauchte auf seinem Handybildschirm auf und machte sich bemerkbar durch ein lautes Fiepen.

      Ist alles gut bei euch? Wie geht es Felix? Yannick las angestrengt die Nachricht, denn er richtete seinen Blick abwechselnd immer wieder auf den zäh fließenden Verkehr.

      Ich fahre jetzt nach Hause. Rufe dich später an.Tippte er unruhig in die kleine Tastatur. Nachrichten beantworten während der Autofahrt verlangte ihm einiges an Nerven ab. Das Handy saß wackelnd in der billigen Handyhalterung aus China, die provisorisch an der Scheibe babbte.

      Auch seine Freundin Merle Schaffhäuser machte sich große Sorgen um ihren gemeinsamen Freund. Sie hatte Felix durch Yannick kennengelernt und mochte ihn sofort von Anfang an.

      Manchmal hatte Yannick das Gefühl gehabt, dass sie sich zu sehr mochten, doch beide haben ihm klar gemacht, dass seine Eifersucht völlig unbegründet war.

      Okay, bis später.Yannick gelang es grade noch, die Nachricht zu lesen, als das Handy zum gefühlt hunderten Mal aus der Halterung stürzte.

      Stöhnend richtete er dem Verkehr, der sich inzwischen deutlich gebessert hatte, seine volle Aufmerksamkeit.

      Er nahm sich fest vor, dass er gleich am nächsten Morgen bei Felix vorbeikommen und ihn mit Brötchen überraschen würde.

      Alles lag stillschweigend vor ihm und um ihn herum. Das einzige was zu hören war, war das leise Ticken der Wanduhr, die über dem Türbogen zum Wohnzimmer hing. Viertel vor sieben, verriet ihm die Uhr. Zwei Stunden hatte Felix einfach auf dem Sofa gesessen. Zwei Stunden, in denen er einfach „existierte“. Zwei Stunden war es nun her, dass sein Freund nach Hause gefahren war.

      Er sah an sich herunter und konnte die leichte Wölbung sehen, die unter seiner Sweatshirtjacke zu sehen war. Die Wölbung, die seit zwei Monaten Teil seines verstümmelten Körpers war.Wütend schlug Felix auf seinen Oberkörper, doch ihm war klar, dass er dadurch nichts ändern könnte. Mit einem lauten Knurren meldete sich sein Magen. Er aß seit den zwei Monaten immer nur so viel, wie er benötigte, um zu überleben. Der Pizzakarton mit der Pizza Salami lag immer noch vor ihm. Ein Stück hatte er angenagt. Mehr hatte er noch nicht gegessen.

      Die Pizza war inzwischen kalt, doch noch genießbar. Über die Hälfte der Pizza verschwand wieder in seinem Kühlschrank.

      „Mehr bekomme ich einfach nicht runter.“ Zum Essen zwingen wollte er sich nicht. Es reichte schon, dass er sich zum weiteren existieren zwang. Der Wind rauschte gegen die Fenster im Wohnzimmer. Der Regen hatte komplett aufgehört, doch es war sehr stürmisch geworden.

      Nur mit Widerstand ließ sich die Terrassentür im Wohnzimmer öffnen.

      Felix spürte den Wind, der seine Haare zerzauste. Früher war ihm seine Frisur immer wichtig gewesen. Jedes einzelne Haar musste perfekt sitzen und wurde mit Gel zurechtgemacht. Er hat meistens einen Undercut getragen. Heute war nichts mehr übrig von seinem perfekten Haarschnitt. Die Haare an den Seiten waren nun genauso lang wie die Haare oben. Im Krankenhaus hatte man ihm einmal die Haare nachgeschnitten.

      Es war ein kalter, gleichzeitig erfrischender Wind, der ihm um die Ohren zauste. Felix versuchte, die Gedanken und Erinnerungen wortwörtlich aus seinem Kopf pusten zu lassen. Jedoch ohne Erfolg. Dennoch tat der frische Wind gut.

      Eine halbe Stunde stand er an der Terrassentür und genoss es, den starken Wind zu spüren, bis sich schließlich seine Blase bemerkbar machte. Mit ihr kamen gleichzeitig auch wieder alle verdrängten Erinnerungen hoch.

      „Nein, bitte nicht…“, schoss es ihm durch den Kopf.

      Den ganzen Tag war er nicht auf Toilette gewesen. Er versuchte jeden einzelnen Toilettengang immer soweit es ging hinauszuzögern. Im Krankenhaus hatten sie ihm einen Dauerkatheter geben wollen, doch durch den Katheter, der mehr als einen Monat in ihm drin war, hatte sich eine Entzündung in der neuen Harnröhre gebildet. Die Entzündung wurde einen Tag vor der Entlassung bemerkt und schließlich mussten sie den Katheter wieder entfernen und konnten ihn nicht mit dem Dauerkatheter nach Hause gehen lassen. Seitdem war er ein einziges Mal auf Toilette gegangen. Es war schrecklich gewesen.

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