Mit Buddha im Büro. Daniela Pielke

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Mit Buddha im Büro - Daniela Pielke

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lachte so herzlich, dass sein Bauch bebte.

      Wenn ich den ganzen Tag nur im Lotossitz auf dem Kissen herumsitzen würde, wäre ich auch entspannt und heiter. Was weiß er schon von der zermürbenden Arbeitswelt, dachte ich empört.

      „Ich sitze von neun bis sechs vor meinem PC und habe schon Rückenschmerzen! Nur wenn ich aufstehe, um aufs Klo zu gehen oder zum Kopierer, bekomme ich etwas Bewegung. Jeden Tag mache ich dasselbe. Alles wiederholt sich. Es fühlt sich an wie ein endloser, langweiliger Daseinskreislauf. Meinte der Buddha das, als er von Samsara2 sprach?“

      Mein Lama lachte. „Ja, was du erlebst, ist in der Tat Samsara. Aber du weißt ja, Samsara und Nirvana3 sind nicht voneinander getrennt.“ Er hatte ein ansteckendes Lachen. Irgendetwas in mir wusste, dass er recht hatte, auch wenn ich nicht genau verstand, was er meinte. „Ich könnte mir auch nicht vorstellen, vierzig Stunden in einem Büro am Computer zu arbeiten. Aber betrachte es als Steilwand, als Training. Dadurch wirst du viele Qualitäten entwickeln, die dir auf deinem weiteren Weg hilfreich sein werden.“

      „Welche Qualitäten meinst du? Alle Kandidaten sämtlicher Folgen von Deutschland sucht den Superstar zu kennen?“ Wir lachten wieder.

      „Du lernst Disziplin durch frühes Aufstehen. Kein Rumtütteln mehr. Du lernst das vielfältige Leiden der Wesen kennen, und dadurch können Mitgefühl und Weisheit wachsen. Schau sie dir genau an, deine Kollegen, wie viel Leid sie hinter ihren Masken tragen. Wenn du das erkennst, wirst du auch dein eigenes Leid besser verstehen und andere später besser unterstützen können.“

      „Aber was ist, wenn das der falsche Gipfel für mich ist? Ich besteige hier gerade den Gmooh-Gipfel, und wenn ich oben bin, merke ich, dass mein eigentlicher Gipfel ganz woanders steht?“

      Bei diesem Gedanken wurde mir ganz schlecht. Ich hasste es, meine Energie für falsche Dinge zu verschwenden.

      Mein Lama schaute mich mit wissendem Blick an. „Keine Sorge, Julika. Das ist der richtige Gipfel. Nur Mut! Und vergiss nicht: Der Weg beginnt immer da, wo man gerade ist.“

      Während seine Worte in meinen Geist sickerten, ließ ich mich von seinen wohlgeformten muskulösen Oberarmen ablenken. Er war aus meiner Perspektive schon ziemlich alt, Mitte fünfzig, doch er hatte eine unglaubliche Ausstrahlung und einen durchtrainierten Körper. Irgendwie wirkten alle buddhistischen Lehrer, die ich kannte, unverschämt frisch und viel jünger, als sie tatsächlich waren. So, als würde durch das Meditieren nicht nur der Geist geklärt und gereinigt, sondern auch die Haut konserviert. Eigentlich eine günstige Alternative zu Botox und Schönheitsoperationen, doch das schien sich noch nicht herumgesprochen zu haben.

      Bevor Lama Semky als buddhistischer Lehrer den Dharma4 zu lehren begonnen hatte, hatte er ein bürgerliches Leben geführt: Er war Sport- und Biologielehrer gewesen. Dann begegnete er einem großen Meditationsmeister, machte zwei traditionelle Drei-Jahres-Retreats, ließ sich zum buddhistischen Mönch ordinieren und reiste nun durch Deutschland und hielt Vorträge und Seminare. Offenbar konnte er von diesen Einnahmen auf Spendenbasis gut leben. Er war kein gewöhnlicher buddhistischer Lama, das heißt, er wirkte zumindest nicht so, wie ich mir einen vorgestellt hatte. In meiner Vorstellung lebten buddhistische Mönche fernab der Welt in ärmlichen Verhältnissen und sahen aus wie Imitate des Dalai Lama. Lama Semky sah aus wie James Dean ausgesehen hätte, wäre er in die Fünfziger gekommen. Er war modebewusst und trug die vorgeschriebenen dunkelroten und gelben Roben elegant drapiert um seinen Körper. Er hatte ein neues Handy, einen teuren Laptop und allerlei technische Gimmicks, die ich weder kannte noch verstand. Dies alles waren Geschenke seiner Schüler, die ihre Dankbarkeit und Hingabe ausdrücken wollten.

      Unsere erste Begegnung hatte ein paar Jahre zuvor in einer Altbauwohnung in Kreuzberg stattgefunden, wo er ein Wochenendseminar mit dem Titel Liebe und Mitgefühl gegeben hatte. Meine Freundin Tina, zu diesem Zeitpunkt gerade Buddhistin geworden, hatte mich mit leuchtenden Augen überredet, diesen inspirierenden Lama einmal kennenzulernen.

      „Wie spricht man denn so einen Lama an?“, fragte ich ehrfürchtig.

      „Das ist alles ganz locker. Alle duzen ihn, und du wirst sehen, er ist extrem lässig.“

      Als ich ihn sah, war ich sofort in seinem Bann. Diese strahlenden, klaren Augen, dieser offene, interessierte Blick und diese humorvolle Art trafen mich mitten ins Herz. Wir verstanden uns auf Anhieb und lachten über dieselben Dinge. Als er das nächste Mal in Berlin war, nahm ich bei ihm die buddhistischen Zufluchtsgelübde5. Und nun saß ich regelmäßig in seiner Dachgeschosswohnung und führte stundenlange Gespräche mit ihm – nicht nur über den Buddhismus, sondern über alle Themen, die uns interessierten. Ob das ein normales Lehrer-Schüler-Verhältnis war, vermochte ich nicht zu sagen, da mir der Vergleich fehlte.

      „Der Weg beginnt immer da, wo man gerade ist.“

      Seine Worte hallten in mir nach, als ich in der U-Bahn saß. Um zu beginnen, wo man ist, muss man erst mal wissen, wo man ist, dachte ich. Wo war ich bei Gmooh gelandet?

      Kapitel 4

      Gmooh war ein Acronym für „Get me out of here“. Der Name war Programm, denn Gmooh vermittelte jährlich Hunderte von Menschen in alle Welt. Wenn man einen Gmoohler fragte, was Gmooh eigentlich tat, sagte er gern mit breitem Grinsen: „Menschenhandel!“ Um dem verdutzten Fragesteller dann zu erklären, dass dieser natürlich auf Freiwilligkeit basiere.

      Jeden Morgen schritt ich unter den wachsamen Augen ehrwürdiger Stuckfiguren die mit rotem Teppich ausgelegte Treppe hinauf in den sechsten Stock eines Gründerzeithauses. Dabei hatte ich das Gefühl, vom Berlin meiner Gegenwart durch das 19. Jahrhundert zu einem völlig neuen Ort vorzudringen, der mit meinem Raum- und Zeitverständnis nichts zu tun hatte und wo eine mir unbekannte Mentalität und Kultur herrschte.

      Alle Büroräume bei Gmooh trugen die Namen von Kontinenten und Städten und waren in bunten Farben gestrichen: Raum Afrika, Raum Europa, Raum Ozeanien … Es gab zwei große Programme: Au pair und Schüleraustausch. Daneben gab es noch kleine Programme, die in der allgemeinen Wahrnehmung aber nur eine untergeordnete Rolle spielten. Bei Gmooh sprach man nicht von Abteilungen, sondern von Teams: Das Au-pair-Team vermittelte Au pairs und das Schüleraustausch-Team Austauschschüler. Und beide Teams standen miteinander in ständigem Wettkampf.

      Claudia war die Teamleiterin des Au-pair-Teams, wobei Duo-Leiterin es wohl besser getroffen hätte. Elisabeth war die Teamleiterin des Schüleraustausch-Teams und für die beiden Kundenberater Emelie und Erik verantwortlich. Sie saß mit ihren zwei Assistenten im Raum Afrika, und während sie mit den Eltern der Austauschschüler telefonierte, drehte sie mit dem Zeigefinger Spiralen in ihre silberfarbenen Locken und lachte ihr tiefes, rauchiges Lachen, das so gar nicht zu ihrer feinen Silhouette und ihrem betont gesunden Lebensstil zu passen schien.

      An je einer Zimmerwand hing ein großes Bild, das den betreffenden Kontinent oder die Stadt charakterisierte, und ein Sprichwort, das in irgendeiner Form mit Reisen zu tun hatte: Zwei Wege trennten sich im Wald. Ich wählte den weniger Ausgetretenen. Und das machte den Unterschied.

      Die bunten Farben und lockeren Sprüche machten gute Laune. Umso stärker war der Kontrast zu dem Büroraum, in dem ich saß. Er war nüchtern weiß. Er entsprach keinem Kontinent, nicht einmal ein Städtename war für ihn abgefallen. Zwischen all den bunten Räumen um mich herum wirkte er wie eine gähnend leere Wüste. War die Farbe ausgegangen? Hatte es keinen aufmunternden Sinnspruch mehr für uns gegeben? Dabei war unser Raum von allen Räumen mit fünf Mitarbeitern am dichtesten besiedelt.

      Hieß es „Die Besprechung findet

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