Mit Buddha im Büro. Daniela Pielke

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Mit Buddha im Büro - Daniela Pielke

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      „Aber das ist doch nicht so schlimm, wenn die Briefmarken ein bisschen schief kleben“, sagte ich, während ich an die arme Lea dachte, die oft stundenlang Umschläge bekleben musste.

      „Das glaubst du!“ Claudia drehte sich abrupt um und kam auf mich zu. Sie stellte sich neben mich und bohrte mit ihrem Zeigefinger ein Loch in die Luft.

      „Wie eine Briefmarke aufgeklebt wird, das sagt sehr viel über die Firma aus!“

      „Aha? Wie das?“

      „Kunden, vor allem die Eltern unserer Teilnehmer, achten darauf! Natürlich unbewusst, doch eine schiefe Briefmarke zeugt von einer verlotterten Firma, das ist ganz klar.“

      „Also, ich achte da nie darauf. Hauptsache ist doch, der Brief ist ausreichend frankiert und kommt an“, sagte ich.

      Claudia ließ die Arme sinken, warf Eva-Maria einen verschwörerischen Blick zu und ließ sich resigniert auf ihren Stuhl sinken.

      „Wohin soll das noch alles führen, wenn hier jeder macht, was er will?“, fragte Eva-Maria halblaut und starrte auf ihren Bildschirm, als könnte sie die Antwort dort ablesen.

      Kapitel 5

      „Kannst du dir vorstellen, dass sie mir sagte, ich soll meine Unterschrift verkleinern?“

      Lama Semky lachte, und mein Blick fiel wieder auf seine straffen Oberarme, die unter der gelben Robe hervorlugten.

      „Und dann hab ich noch eine andere Kollegin, so eine verkappte Hobbypsychologin! Sie hält uns ständig Vorträge über die irrsten Sachen. Hast du schon gewusst, dass schief aufgeklebte Briefmarken ein Zeichen für eine verlotterte Firma sind?“

      Mein Lama amüsierte sich prächtig und wollte noch mehr Geschichten aus meinem Büro hören.

      „Was mich schockiert ist, wie engstirnig und kurzsichtig die Leute sind, die den lieben langen Tag nichts anderes predigen, als den eigenen Horizont zu erweitern! Leute, die den ganzen Tag von Offenheit und Respekt anderen Kulturen gegenüber reden!“, redete ich mich in Rage.

      „Lass sie doch einfach, wie sie sind“, meinte mein Lama.

      „Ja, du hast gut lachen! Wenn ich das jetzt erzähle, hört es sich lustig an. Wenn du aber vierzig Stunden die Woche mit solchen Leuten in einem Büro zusammen sitzt, ist es leider überhaupt nicht mehr lustig. Ich fühle mich wie ein Fremdkörper. Ich passe da einfach nicht rein.“

      „Dann mach doch was anderes. Niemand zwingt dich, bei Gmooh zu bleiben“, schlug er vor.

      Wie weltfremd mein Lama doch war! Ich hielt ihn für einen brillanten Dharmalehrer, doch vom modernen Arbeitsmarkt hatte er keine Ahnung.

      „Glaubst du, es ist so einfach, in Berlin einen neuen Job zu finden? Und wahrscheinlich sitzen in jedem Büro dieselben kleingeistigen Typen! Nein, ich muss was ganz anderes machen.“

      „Und was?“

      „Das weiß ich noch nicht.“

      „Gut, dann bleib so lange bei Gmooh, bis du weißt, was du mit deinem Leben machen willst.“

      Er umarmte mich herzlich und schickte mich aus seinem heiligen Wohnungstempel wieder hinaus in die profane Welt Berlins.

      Als ich nach Hause ging, fühlte ich mich zwar erleichtert, aber auch nachdenklich. Die letzten Monate war ich so sehr mit meinem eigenen Leid beschäftigt gewesen, dass ich meine Kollegen gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Das wollte ich jetzt ändern. Wenn ich schon nicht den weisen Blick eines Buddhas hatte, so wollte ich jetzt doch zumindest den ethnologisch distanzierten Blick auf diese mir neue und befremdliche Firmenkultur mit ihren seltsamen Angestellten anwenden. Ich hatte das Gefühl, dass mein Studium für diesen Job völlig unwichtig war. Um dem entgegenzuwirken, begann ich heimlich mit einer ethnologischen Feldforschung. Davon hatte mein Lama zwar nichts gesagt, aber wissenschaftliche Distanz konnte vielleicht dazu führen, Abstand zu gewinnen, und vielleicht würde ich dadurch nicht nur meine Kollegen, sondern auch mich selbst besser verstehen. Und vielleicht würde es mir dann auch leichter fallen, die buddhistischen Belehrungen, die ich in den letzten beiden Jahren erhalten hatte, auf meinen Alltag anzuwenden.

      „Warst du in einen Straßenkampf verwickelt?“, fragte mich der Masseur, den ich mir in regelmäßigen Abständen leistete, weil mein Nacken verspannt war und ich Rückenschmerzen hatte.

      „Wie kommst du denn darauf?“, fragte ich.

      „Dein Rücken ist so verspannt wie der von einem Boxer! Haste Stress?“

      „Nö, eigentlich nicht“, log ich.

      „Stress uff Arbeit? Mit den Kollegen? Mit deinem Freund?“, bohrte er weiter, während seine großen Hände sich in meine verspannte Nackenmuskulatur gruben.

      „Aua! Ich wollte eine Wohlfühlmassage und keine Schmerzmassage!“

      „Erst muss ich die Verspannungen lösen, dann fühlste dich auch besser“, sagte er und bohrte seine Finger weiter in mich hinein.

      Schließlich jammerte ich ihm vor, was mir alles nicht passte und dass ich jetzt glaubte, es sei von Anfang an die falsche Entscheidung gewesen, diese Stelle angenommen zu haben.

      „Dein Widerstand verbraucht eine Menge Energie. Versuch doch mal, ihn aufzugeben. Lass dich auf die Situation ein.“

      Er klang wie mein Lama, und das nervte mich. Wussten denn alle immer besser, was gut für mich war?

      „Ja, aber wenn ich mich doch nicht wohlfühle? Soll ich etwa etwas annehmen, was ich nicht gut finde?“

      „Gib doch den Widerstand auf! Du kämpfst gegen eine Situation an, und das macht dich müde. Und verspannt.“ Als wolle er seinen Worten Nachdruck verleihen, bohrte er seine Faust noch tiefer in meine Schultern.

      „Ergebe dich der Situation, und dann wird alles leichter fließen. Das ist jetzt wie Muskelaufbau.“

      Wie lange muss ich mir das noch anhören, dachte ich, während er fröhlich mit seinem Vortrag fortfuhr. „Als ich vor zwanzig Jahren angefangen habe zu massieren, war ich schon nach wenigen Massagen kaputt und dachte, ich schaffe nie mehr als zwei oder drei hintereinander. Doch mit der Zeit habe ich Power aufgebaut und konnte nach kurzer Zeit zehn bis zwölf Stunden massieren und dabei entspannt bleiben. Dein Büro ist jetzt deine Muckibude. Schon bald wird es dir nichts mehr ausmachen, so viel und lange zu arbeiten. Mach das 'ne Weile. Bau Power auf, und dann kannst du sehen, wie es für dich weitergeht.“

      Während ich auf der Massageliege lag, fragte ich mich, ob sich andere Uniabsolventen ebenso schwertaten wie ich. Den Freunden, die sich noch immer in der Bewerbungsphase befanden, konnte ich mich nicht anvertrauen, denn allein die Tatsache, dass ich eine Stelle ergattert hatte, sollte mich in ihren Augen zum glücklichsten Menschen der Welt machen. Und die anderen Freunde, die inzwischen ebenfalls arbeiteten, sah ich kaum noch. Sie verbrachten ihre Zeit im Büro, im Krankenhaus oder in der Kanzlei und fielen abends ebenso erschöpft ins Bett wie ich. Ich war also auf mich gestellt. Irgendwie machte das auch Sinn, denn ich ahnte, dass sich das Leiden in meinem eigenen Kopf abspielte. Diese Erkenntnis machte das Ganze aber nicht weniger leidvoll.

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