Der Schneeball. Neo Tell

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Der Schneeball - Neo Tell

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Erfahrung der Vergewaltigung sie womöglich in ein labiles paranoides Wrack verwandelt haben könnte.

      Um kurz nach halb acht Uhr wechselte Rosa die Sicherheit und Geborgenheit des Hauses für die Dunkelheit des Wintermorgens ein. Die Banker Büsking und Griedl waren Kommilitonen ihres Vaters gewesen. Bevor Rosa mit ihrer Familie gebrochen hatte, hatte die Tochter des Hauses die beiden Freunde der Familie zu verschiedenen Anlässen gelegentlich zu Gesicht bekommen. Es half nichts. Obwohl es ihr davor graute, musste sie den eisernen Vorhang, den sie vor zwei Jahren zwischen ihrer Wohnung im Hamburger Norden und dem Neubau ihres Vaters an der Elbchaussee gezogen hatte, für einen Tag lüften. Sie musste ihren Vater einfach zu den Verhaftungen befragen. Vielleicht wusste er etwas, was ihr weiterzuhelfen vermochte.

      Rosa überquerte die Semperstraße, um zu der Bushaltestelle Goldbekplatz zu gelangen.

      Auf einmal tauchte ein schwarzer Lieferwagen direkt neben ihr wie eine jäh aus dem Boden geschossene undurchdringliche Wand auf. Alles ging furchtbar schnell. Ein Tuch wurde ihr über den Kopf gezogen. Kräftige Männerhände zerrten sie rabiat auf eine Ladefläche. Eine blecherne Tür krachte zu. Ihre Hände wurden mit etwas auf ihrem Rücken zusammengebunden, was ein Teppichbinder sein konnte. Plastik schnitt in ihre Handgelenke. Höllischer Schmerz. Sie brüllte auf, woraufhin eine schwielige Handinnenfläche so stark auf ihre rechte Gesichtshälfte niederfuhr, dass sie für mehre Sekunden einseitig taub war. Sie wurde geknebelt. Panik. Eine Entführung. Der Einstich einer Spritze in der linken Armbeuge. Schwindendes Bewusstsein.

      Als sie allmählich wieder zu sich kam, saß Rosa auf einem Stuhl, die Hände noch immer auf dem Rücken gefesselt, aber ohne Knebel im Mund. Obwohl sie noch etwas benommen war, registrierte sie schnell, dass sie sich in einem alten Schuppen befand. Durch ein Fenster konnte sie dann erkennen, dass es draußen inzwischen hell geworden war und sie irgendwo aufs Land verschleppt worden sein musste. Nichts als kahle Baumkronen vor einem fahlen Winterhimmel lagen in ihrem Sichtfeld.

      Drinnen marschierte ein massiger, komplett in Schwarz gekleideter Mann mit einer Sturmmaske vor ihr auf und ab. Sobald er merkte, dass sie wieder bei Bewusstsein war, fragte er sie grob:

      „Woher hast du die Information, dass jemand Diamanten unter geschädigten Kleinanlegern verteilt?“

      Rosa schwieg.

      „Rede schon, Miststück.“

      Der Mann schrie jetzt. Offensichtlich lief er an diesem gottverlassenen Ort keine Gefahr, von Leuten gehört zu werden, die für sie Rettung versprachen. Mithin konnte sie auf Hilferufe wohl getrost verzichten. Sie spuckte vor sich auf den Boden, um ihrer Verachtung Ausdruck zu verleihen. Niemals würde sie Deniz Güls Namen dieser verdorbenen Drachenbrut preisgeben.

      „Okay, du willst es nicht anders. Macht sie los!“

      Rosa schaute zunächst über ihre linke, dann über ihre rechte Schulter. Dort stand auf jeder Seite eine identische Kopie ihres Inquisitors. Zwei rabenschwarze Maulwürfe, die ihr gerade die Plastikfesseln lösten. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass der Schuppen allerhand Gartenwerkzeug enthielt. Während seine Komplicen sie fixierten, hielt der Inquisitor eine geöffnete verrostete alte Gartenzange an ihren linken Daumen.

      „Letzte Chance. Wer sind deine Informanten, Lügenpresse?“

      Rosas Verstand überschlug sich. Er hatte sie Lügenpresse genannt. Ein prominenter Verwender dieses Begriffs war Goebbels im Dritten Reich gewesen. Noch heutzutage wurde er bisweilen von Rechtsradikalen gebraucht, um negativ über sie Bericht erstattende Medienvertreter zu diffamieren. Wer sind diese Leute? Sicherlich würden sie nicht so weit gehen und ihr einen Finger abtrennen. Schließlich waren sie hier immer noch in Deutschland, einem Rechtsstaat, nicht in irgendeiner Dritte-Welt-Bananenrepublik.

      Sie schüttelte den Kopf.

      Dann schnappte die Zange zu.

      13 – Altes Land bei Hamburg

      Matthias Bormann war das, was man einen Profi nannte – in doppelter Hinsicht. Unter einem Vorwand hatte er gestern Nachmittag Rosa Peters Wohnadresse in der Redaktion des homo oeconomicus in Erfahrung gebracht. Dasselbe galt im Übrigen auch für die Handynummer der hübschen asiatischen Empfangsdame, mit der er dort sprach. Bei ihr zuhause hinter dem Hauptbahnhof in St. Georg verbrachte er dann schließlich den längeren Teil seiner ersten Nacht hoch im Norden.

      Um fünf Uhr des darauffolgenden Morgens fuhr Bormann mit seinem forstgrünen Land Rover Defender in der baumbestandenen Semperstraße vor. Er hatte Glück. Gegenüber dem Mehrfamilienhaus, in welchem Rosa wohnte, war noch eine einzige Parklücke unter einer haushohen Linde vakant. Jemand musste früh zur Arbeit aufgebrochen sein, da er sofort zu erkennen imstande war, dass in diesem urbanen Viertel über Nacht alle Parkplätze besetzt zu sein pflegten.

      Er drehte den Zündschlüssel um. Es war zwar kalt und die Heizung ein Segen, aber ein laufender Motor würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Bormann hatte die Haustür gut im Blick. Der Standpunkt eignete sich hervorragend für seine Observation. Er setzte sich die Kapuze seines gut gefütterten Anoraks auf, stellte die Rückenlehne zurück und schlürfte aus einem Pappbecher einen Kaffee, den er sich vorhin auf dem Weg hierher in einer rund um die Uhr geöffneten Tankstelle gekauft hatte.

      Bald schon war die Luft im Innenraum des Fahrzeugs soweit herunter gekühlt, dass Bormanns Atem kondensierte. Als er seinen Kaffee leer getrunken hatte und die Finger nicht mehr an dem mit der heißen Flüssigkeit gefüllten Becher warmhalten konnte, zog er sich seine Lederhandschuhe an. Er stellte sich auf eine lange Wartezeit ein. Fünf Uhr morgens hatte er als Ankunftszeit gewählt, weil er sich sicher war, dass die Journalistin vorher auf keinen Fall das Haus verlassen würde. Er ging davon aus, dass dies aller Voraussicht nach frühestens erst um acht, neun Uhr der Fall sein dürfte. Wenn überhaupt.

      Um 6:13 Uhr fuhr ein schwarzer Mercedes-Lieferwagen sehr langsam an ihm vorbei. Im linken Seitenspiegel hatte er ihn von hinten kommen sehen. Drei ebenfalls in Schwarz gekleidete, dem ersten Anschein nach außergewöhnlich füllige Männer mit rauschenden Vollbärten saßen in der Führerkabine.

      Bormann sank tief in Fußraum und Sitz. Er hoffte, nicht entdeckt zu werden. Als der Wagen an Peters Haustür vorbeigefahren war, beschleunigte dieser wieder. An der nächsten Kreuzung bog er nach links ab. Kaum eine Minute später erschien er erneut im Rückspiegel und hielt dort an der letzten Kreuzung vor Rosa Peters Haus. Zwar handelte es sich nicht um einen offiziellen Parkplatz, aber dort würden sie stehen bleiben können, solange jemand am Steuer blieb.

      Um 7:34 Uhr kam Rosa mit einem sehr geschäftigen Ausdruck im Gesicht aus der Haustür. Bormann erkannte sie von ihren Facebook-Photos her, welche die IT-Abteilung des BKA ihm auf sein Ersuchen hin besorgt hatte. Sie entfernte sich von ihm auf dem Bürgersteig in der dem wartenden Lieferwagen entgegengesetzten Richtung. Hinter ihm hörte er einen Motor aufheulen. Als Rosa die Straße überqueren wollte, war der Lieferwagen auf einmal neben ihr. Zwei Männer sprangen heraus, packten sie jäh, zogen ihr ein Tuch über den Kopf und hoben sie gewaltsam in den Laderaum. Dann flog die Tür des Lieferwagens wieder zu. Das ganze hatte kaum fünf Sekunden gedauert. Soweit Bormann das beurteilen konnte, hatte außer ihm niemand auf der Straße etwas davon mitbekommen.

      Er startete den Motor und begann die Verfolgung. Während er versuchte, nicht allzu dicht an der Stoßstange des Lieferwagens zu hängen, folgte er diesem zunächst am westlichen Ufer der Alster sowie dann der Elbe entlang durch Harvestehude, Rotherbaum, St. Pauli, Altona und Ottensen. Als Bormann auf der Autobahnauffahrt klar wurde, dass sie den Elbtunnel nehmen würden, stellte er sich auf eine längere Reise ein.

      Unmittelbar nachdem sie aus dem Untergrund aufgetaucht waren fuhren sie schon

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