Die Stunde, eh' du schlafen gehst. Ханс Фаллада
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»Vorläufig danke ich dir herzlich für deinen Stuhl«, antwortete Babendererde und richtete sich auf. »Habe ich dir übrigens schon erzählt, daß ich eine wirklich große Schauspielerin entdeckt habe? Ich mache jetzt Kontrakt mit Hensel für ihren ersten Film. Singen kann die! Und jung ist sie! Wirklich jung – erinnerst du dich noch daran, wie das war, Marielen? In der nächsten Spielzeit wird sie meine Partnerin.«
Damit nickte er ihr freundlich zu, jetzt ganz sicher, sich voll gerächt zu haben.
Hensel und Meindorff saßen noch immer mit gesenkten Köpfen zusammen, als hätten sie nicht einen Augenblick hochgesehen. Aber Meindorff fragte doch gleich mit der unersättlichen Neugier der Theatermenschen: »Hast du was mit der Marielen, Babendererde?«
»Nichts!« antwortete der Schauspieler. »Ist schon alles wieder glatt. Wir haben uns eben verglichen.«
»Ist es denn wahr«, wurde er weiter gefragt, »daß sie dir einen Possen gespielt hat und daß du heute abend umgeschmissen hast?«
»Das erzählt sie wohl allen Leuten? Kein Wort davon ist wahr! Ich habe mich ein bißchen erkältet, plötzlich konnte ich nicht singen, das ist alles!« Und müde dieses fruchtlosen Geschwätzes: »Haben Sie gehört, Hensel? Ich habe einen Knödel im Halse, ich kann morgen unmöglich filmen. Und die nächsten Tage auch nicht!«
Einen Augenblick herrschte ein recht betretenes Stillschweigen. Dann sagte Meindorff begütigend. »Nun, nun, Babendererde, so tragisch darfst du es auch nicht nehmen! Wir wissen alle, die Marielen ist ein Biest …«
»Ich habe dir doch schon eben gesagt, Meindorff«, rief Babendererde wütend, »daß die Marielen nichts mit der Sache zu tun hat! Ich habe einen Luftröhrenkatarrh …«
»Ich an deiner Stelle«, meinte Meindorff ungerührt, »würde heute einmal zeitig ins Bett gehen und mich gründlich ausschlafen. Morgen früh nimmst du dann auf nüchternen Magen ein paar rohe Eier …«
»Der Teufel hole die rohen Eier!« rief Babendererde, dem seit heute abend schon das Wort Ei unausstehlich war. »Ich …«
»Einmal Rührei mit Bratkartoffeln!« ließ sich die Stimme des Kellners Julius vernehmen. »Für Sie, nicht wahr, Herr Babendererde, das stimmt doch?« Er sah mit halboffenem Mund, ungewiß lächelnd, von einem zum anderen.
»Wer …«, fragte Babendererde, zitternd vor Wut, und hatte den Arm des Kellners mit der Rühreischüssel gefaßt, »wer hat Ihnen gesagt, Sie sollten mir Rührei bringen? Die Marielen, was?«
»Setzen Sie sich jetzt hin, Babendererde!« unterbrach Hensel gebieterisch. »Regen Sie sich nicht so auf! Sie kennen doch unseren trottelhaften Julius. Nicht wahr, Julius, du bist ein Trottel?«
»Manche von den Gästen sagen es«, antwortete Julius, stolz lächelnd. »Manche meinen aber auch, ich tu’ nur so und bin extraschlau. Und das muß wahr sein: ich habe mich noch nie zu meinen Ungunsten verrechnet. Immer nur zu meinen Gunsten!«
»Ab mit dir, Julius!« befahl Hensel. »Und bringe endlich das Bier! Du kannst gleich drei bringen.«
»Und was mache ich mit dem Rührei?« fragte Julius unentschlossen.
»Iß es selber und schreib’s mir auf die Rechnung! Und nun bring uns wirklich was zu trinken!«
»Sofort!« erwiderte Julius strahlend. »Und ich dank’ auch schön für das Rührei. Ich werd’s gleich essen, solange es noch warm ist.«
»Von dem bekommen wir nie unser Bier«, meinte der Regisseur. »Ich werde selbst was von der Theke holen.« Und er verschwand.
Einen Augenblick sahen sich Produktionschef und Schauspieler schweigend an. Dann fragte Babendererde ungeduldig: »Also, wie ist es mit meinem Urlaub, Hensel? Sie sehen selbst, ich bin ein bißchen parterre.«
»Es ist Ihnen also Ernst damit?« fragte Hensel. »Aber Sie wissen doch selbst, Babendererde, es ist ganz unmöglich! Wir müssen in spätestens vierzehn Tagen mit den Aufnahmen fertig sein, sonst kriege ich eins auf den Deckel. Außerdem ist das Atelier hinterher gar nicht frei.«
»Ich kann aber nicht filmen«, sagte Babendererde hartnäckig.
Hensel versuchte es mit Überredung und Schmeichelei. »Hören Sie, Gerd, Sie werden mich doch nicht sitzenlassen? Sie wissen, der Film muß fertig werden! Von mir aus gäbe ich Ihnen gern vier Wochen Urlaub. Ich seh’ ja ein, daß Sie überarbeitet sind! Aber reißen Sie sich noch einmal zusammen, Babendererde! Ich will sehen, daß ich Ihre Aufnahmen auf die nächsten sechs Tage zusammendränge; wenn’s geht, auch auf fünf! Sie haben noch nie einen Menschen im Stich gelassen, Babendererde, dafür sind Sie doch bekannt! Sie sind der zuverlässigste Mensch im ganzen Film!«
Aber Babendererde blieb düster, keiner Schmeichelei war er zugänglich.
»Ich kann nicht singen, und ich kann auch nicht mehr spielen«, murmelte er. »Mir ist da etwas passiert …«
»Ach, denken Sie doch nicht mehr an heute abend! So was kann jedem mal passieren! Das machen Sie morgen dreimal gut! Sie werden der Marielen doch nicht den Gefallen tun und schlappmachen?!«
»Was Sie nur immer mit der Marielen haben! Die Marielen hat gar nichts damit zu tun, das ödet mich schon an! Nein, mir ist ganz was anderes passiert, ich darf nicht mehr singen, bis …« Er brach kurz ab. »Aber das versteh’ ich allein. Jedenfalls komme ich morgen nicht.«
Der Produktionschef sah besorgt auf seinen Mimen. »Sie spinnen doch nicht, Babendererde? Sie fangen doch nicht an zu spinnen?!«
Und zu Meindorff, der mit drei Gläsern Bier ankam: »Der Babendererde will partout nicht filmen! Läßt sich zureden wie ’ne kranke Kuh, hilft aber nichts. Kann man das denn überhaupt so einrichten, daß er drei, vier Tage frei ist?«
»Zehn Tage!« sagte Babendererde. »Vierzehn Tage!«
»Vierzehn Tage! Du mußt wahnsinnig sein! In vierzehn Tagen haben wir ausgedreht, oder wir sind erschossen, Hensel, du, ich, wir alle! Dann ist’s mit den Aufträgen vorbei! Nun trink erst mal, Babendererde, guter alter Flimmerstern, dann wird dir schon anders. Saazer Urstoff, aus den reinen böhmischen Wassern gebraut, eins der herrlichsten Getränke in dieser durstmachenden Welt! Prost!«
»Und ich kann doch nicht filmen!« sagte Babendererde hartnäckig und setzte das Glas ab.
Die beiden wollten gerade wieder in Protest ausbrechen, als Julius an ihrem Tisch stand.
»Ihr Bier, meine Herren!« sagte er strahlend. »Herr Direktor hat drei bestellt und Herr Babendererde zweimal eins. Und für Herrn Meindorff habe ich auch noch gleich eins mitgebracht, macht sechs Schultheiß dunkel, zwei vierzig, zwei fünfundsiebzig, drei fünf, drei achtzig – wer zahlt von den Herren?«
Sie starrten ihn entgeistert an. Dann brachen sie in ein unbändiges Gelächter aus; auch Babendererde lachte mit.
»Verschwinde, du Wurm!« rief Meindorff. »Du vertrottelst immer mehr! Siehst du nicht, daß du uns schon drei Glas gebracht hast, gerade eben? Und nun kassierst du auch schon! Hebe dich von uns, Julius, und sieh zu, daß du nicht auch deinen letzten Funken Verstand vertrinkst!«
Mit starren Fischaugen stand Julius, ein Bild des Jammers. »Ich habe wirklich schon Bier gebracht