Alle meine Packer. Martin Renold

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Alle meine Packer - Martin Renold страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Alle meine Packer - Martin Renold

Скачать книгу

erhalten bleiben würden, ließ mich nach der Brieftasche greifen, der ich blutenden Herzens fünf Fünfzigfrankenscheine entnahm. Das überwältigende Werk meines Amateurpackers hängte ich, nachdem der erfolgreiche Kunstjünger die Einrahmung gegen entsprechenden Aufpreis übernommen hatte, im Blickfeld der Frau Melanie Knopf an die Wand, um ihr meine Dankbarkeit für die mir zuteil gewordene Verschonung vor professionellen Packern auszudrücken.

      Vierzehn Tage später saß ich nach Feierabend an einem kleinen, runden Tisch eines Boulevardcafés in der nahen Stadt. Der Abend war warm, und der Durstigen waren viele. Deshalb und weil mich ein in einem großen Topf eingepflanzter Strauch halbwegs verbarg, beachtete mich der Urheber des Ölgemäldes, dessen glücklicher Besitzer ich geworden war, nicht, als er mit einem Kollegen, der nach seinem Bart zu schließen der gleichen Gilde wie er angehörte, an einem Tischchen schräg vor mir Platz nahm. Beide bestellten ein Bier und musterten die vorübergehenden Leute. Offenbar galt aber ihre ganze Aufmerksamkeit gewissen Automobilisten. Da die Gasse hier verhältnismäßig eng war, konnten die meisten nur langsam vorbeifahren.

      „Achtung, Mercedes“, hörte ich Fringeli seinem Kollegen zuflüstern.

      „Zu jung“, gab dieser zur Antwort. „Aber da, der große Amerikaner, schreib die Nummer auf.“

      „Fringeli notierte in einem Notizblock, den er vor sich bereitgelegt hatte, die Nummer.

      „Das ist er!“, rief Fringeli plötzlich aus, als ein großer, blauer Pontiac am Straßenrand anhielt. Ein älterer, distinguierter Herr stieg aus.

      „So eine Dicksau“, hörte ich einen der beiden Musensöhne, die mir den Rücken kehrten, in seiner gewählten Ausdrucksweise dem andern zuflüstern.

      „Genau das, was wir suchen.“

      „Industrieller.“

      „Börsenmakler.“

      „Ich tippe eher auf Fabrikbesitzer.“

      „Auf jeden Fall Villa.“

      „Banause.“

      „Zehn Zimmer ohne Gemälde.“

      „Versteht überhaupt nichts von Kunst.“

      „Dafür schwerreich.“

      „Betrügt seine Frau.“

      „Muss sie mit Geschenken täuschen.“

      „Pelzmäntel und Auto besitzt sie schon.“

      „Blumen und Pralinen genügen nicht mehr.“

      „Schmuck ist nicht mehr originell.“

      „Notier rasch die Nummer!“

      Fringeli erhob sich, trat vor den blauen Pontiac und notierte sich dann am Tisch die Nummer des Wagens.

      „Achtung, da kommt das alte Schwein zurück.“

      Der ältere Herr öffnete die Wagentür, stieg ein und fuhr weg.

      „Auf Wiedersehen, Herr Mäzen.“

      „Wenn dieser Dummkopf nicht seine Wände mit unseren Bildern zu tapezieren beginnt, fresse ich einen Besen.“

      Ich zahlte und ging. Wie sagte schon Schiller? „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.“

      Dichtung und Wahrheit

      In einem der Bewerbungsschreiben, die ich auf das neue Stelleninserat erhielt, stand der bewegende Appell: „Geben Sie doch um Gottes Willen einem älteren, aber kräftigen und zuverlässigen Mann eine Chance.“

      Der Mann bewies psychologische Fähigkeiten. Er wusste mit einem Schlag das christliche Gewissen und den sozialen Sinn anzusprechen. Ich ließ den älteren Mann kommen und überzeugte mich von zwei der angegebenen Eigenschaften.

      August Binggeli war einundsechzig Jahre alt, ein Mann von mittlerer, kräftiger Statur. Er wirkte voll Energie. Seine Zuverlässigkeit war er gewillt, unter Beweis zu stellen.

      Binggeli war der vollendete Charmeur. Frau Knopf überreichte er schon am ersten Tag eine Rose aus der Rabatte der Frau Direktor Ledergerber. Dies war der willkommen Anlass, ihn über die Hausordnung aufzuklären.

      „Das ist selbstverständlich, dass die Rosen der Frau Direktor unangetastet bleiben. Hoffentlich denken Sie nie, dass ich überhaupt je an so etwas gedacht hätte Es gibt ja beim Migros so herrliche Rosen. Als ich sie heute früh im Migrosmarkt sah, konnte ich einfach nicht vorübergehen, ohne eine zu kaufen. August, habe ich mir gedacht, erinnerst du dich an die hübsche junge Dame, die dir letzte Woche, als du dich vorgestellt hast, die Tür öffnete? Diese Frau liebt Rosen, das habe ich sofort gesehen. Damit kannst du ihr eine Freude machen. Stimmt’s?“

      „Sie duftet wie die Sorte der Frau Direktor“, entgegnete Frau Knopf, die ihre Nase in die Rose gesteckt hatte.

      „Sah ein Knab ein Röslein stehn“, lachte Binggeli, zwinkerte mit den Augendeckeln und stieß die Luft zischend zwischen den paar noch verbliebenen gelblichbraunen Zähnen hindurch. Alter schützt vor Torheit nicht. Aber Binggeli war nicht so einer Auch wenn er Frau Knopf jeden Tag wie ein verliebter Schuljunge anschaute und ihr immer wieder Komplimente machte und allzu oft Röslein und andere Blumen stehen sah, zu nahe trat er unserer Frau Knopf nie.

      Es war eine richtige Freude, dem Mann bei der Arbeit zuzusehen. Er begriff leicht und tat alles, was man von ihm verlangte. Kisten voller Bücher waren für ihn kein Problem, je schwerer, desto lieber. Der Mann schien überschüssige Energie zu besitzen. Alles an ihm strotzte vor Kraft. Schon um elf Uhr war alles gepackt, was am Morgen bestellt worden war. Dann hörte ich in meinem Dachstübchen den Leiterwagen den Weg zur Straße hinunterrasseln. Wenig danach hörte ich ihn bereits über das Kopfsteinpflaster der Bahnhofstrasse zurückkommen. Das Rasseln des unbeladenen Wagens war jetzt heller. Der leere Wagen hüpfte wie ein Hase im Zickzack hinter Binggeli her. Dieser schritt aus wie ein Napoleon. Die Rocktaschen seines grauen Berufsmantels flatterten im Wind und streiften beinahe den Boden, so lang waren sie. Ein speckiger Schlapphut bedeckte den vierschrötigen Kopf mit dem unrasierten Gesicht. Im Mundwinkel zwischen den gelbbraunen Stummeln der Zähne steckte der aufgeweichte braunschwarze Stummel einer abgebrannten Toscani, der bis zum Feierabend als Schick diente. Mittags aß Binggeli in einer nahen Arbeiterwirtschaft, in der vor allem Lastwagenfahrer abstiegen, aber auch Straßenarbeiter und Arbeiter der PTT, die in der Nähe Kabel verlegen mussten. In einem Hinterstübchen saßen meist ein paar Angestellte oder Passanten, die es hierher verschlagen hatte, an gedeckten Mittagstischen. Binggeli saß immer bei seinesgleichen in der vorderen Stube. Er war es gewohnt, an rohen, ungedeckten Tischen zu essen. Hier war er schon am ersten Tag mit allen auf Du und Du. Der Serviererin wusste er den Hof zu machen. Der Wirtin schenkte der aufmerksame Gast ab und zu eine rotgelbe Rose von der Sorte der Frau Direktor.

      Nachmittags, während der Arbeitszeit, sah man Binggeli zuweilen mit langen Schritten vom „Schwanen“ die Bahnhofstraße heraufkommen. Die Zipfel seines Mantels schienen noch mehr als üblich den Boden zu berühren. Aber jetzt flatterten sie nicht, sondern wurden eher von etwas Schwerem zu Boden gezogen.

      Am Weg zum Verlag schritt er achtlos vorbei. Weitausholend steuerte er auf den Güterschuppen am Bahnhof zu. Dort verrichteten Köbi und Heiri in der brütenden Hitze des Holzbaus

Скачать книгу