Tod im Maisfeld. Herbert Weyand

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Tod im Maisfeld - Herbert Weyand страница 3

Tod im Maisfeld - Herbert Weyand KHK Claudia Plum

Скачать книгу

vorn liegt die Heide.« Der Junge zeigte den Weg entlang auf die grüne Linie, die fast schnurgerade am nahen Horizont lag. Der Himmel darüber strahlte hellblau mit milchigen Schlieren.

      »Meine Eltern sagten, ich soll mich dort fernhalten.«

      »Tust du immer, was deine Eltern sagen?«

      »Meistens. Und du?«

      »Gehst du ein Stück vor?«, fragte er ihre Frage übergehend. »Ich muss mal für Jungs.«

      »Das ist gut«, sagte sie erleichtert. »ich muss auch, und zwar dringend. Du … an den Baum«, sie zeigte zur Ecke der Apfelwiese. Neben dem Baum stand so etwas wie ein Unterstand mit einer Bank darin. Eine Plakette in der kleinen, zum Weg hin offenen Hütte zeigte an, dass sie jemandem gewidmet war. Zwei Pferde grasten ruhig. Auf dem Boden lagen noch einige Äpfel. Die Tiere zeigten jedoch kein Interesse mehr daran. Kaum jemand erntete das Obst. Der Supermarkt war bequemer. »Ich geh‹ in das Maisfeld.« Schon huschte sie davon.

      Er stellte sich am Baum zurecht und hatte den Reißverschluss noch nicht geöffnet, da ertönte der gellende Schrei.

      *

      Sie trafen sich jeden Tag. Vormittags und nachmittags. Drei, vier und manchmal auch fünf oder mehr Frauen mit ihren Hunden. Dackel, Terrier, Schäferhund und Rassen, die den meisten unbekannt waren. Die Hundefrauen … teils liebevoll, teils despektierlich so genannt. Ein großes Altersspektrum wurde durch die Tiere, zu einer Einheit verschweißt. Die junge Frau von dreißig und die Urgroßmutter mit fast achtzig Jahren. Seit der Flurbereinigung Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren die Wirtschaftswege asphaltiert. Die jungen Frauen kannten es nicht anders und die älteren schwärmten von der Zeit, als noch Gras auf den Wegen wuchs.

      Die Trüppchen, die je nach Tageszeit und Wochentag unterschiedliche Besetzung besaßen, waren die, am besten informierten Personen des Dorfes. Täglich wurde der Wissensschatz vergrößert. Wer mit wem und wann; an wessen Fenster hatte das Käuzchen gerufen oder welcher Hund gerade, unter welcher Krankheit litt. Der Unterhaltungswert der Gruppe war immens.

      »Gestern hat doch die Totenglocke geläutet«, stellte eine kleine Rothaarige fest.

      »Ja. Wegen der Anne aus der Waldstraße, die war schon lange krank«, antwortete die große Brünette.

      »Ich finde das blöd. Früher wusste man, ob es die Totenglocke war oder nicht. Heute bimmeln die Glocken den ganzen Tag. Du weißt nicht mehr, woran du bist«, beschwerte sich die grau werdende Brillenträgerin.

      »Wie lange warst du eigentlich nicht mehr in der Kirche?«, fragte die Große. »Ich habe dich ewig nicht mehr gesehen.«

      »Besser überhaupt nicht, als meinen großen Auftritt zu spät haben. Oder kommt die Reni auch nicht mehr.«

      »Ja. Wo du das jetzt sagst. Die hat tatsächlich immer ihren Auftritt ein paar Minuten zu spät.« Die Große blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Dass mir das erst jetzt auffallen muss. Die Reni war schon immer etwas anders.«

      »Kenne ich die«, fragte die kleine Rothaarige.

      »Die hatten früher einen Pudel. Unten in der Corneliusstraße, nahe dem Ulweg.«

      »Ach die. Ja, bei der kann ich mir das vorstellen. Wie ist das eigentlich mit den beiden, die die große Dogge haben? Sie soll abgehauen sein.« Jetzt standen alle vier zu einem Grüppchen zusammen. Links von ihnen reckte der Mais die Stauden in die Höhe. Die Knollen auf der rechten Seite waren seit einigen Tagen geerntet. Die langen Kolonnen der Traktoren auf dem Weg zur Zuckerfabrik behinderten jedes Jahr bis in den Februar hinein den Verkehr.

      »Die ist doch schon lange weg. Mit irgendeinem Heini von der Base. »Sie steckten tuschelnd ihre Köpfe zusammen.

      »Manchmal hätte ich auch Lust einfach abzuhauen …«, die Brillenträgerin stockte. Ein verzweifelter hoher Schrei ertönte aus dem Mais. »Habt ihr das gehört? Mein Gott … wer ist das?«

      *

      »Ria. Ist etwas passiert?« Dennis stand unschlüssig am Feldrand.

      Der erneute Schrei des Mädchens wurde zu einem Wimmern. Todesmutig spurtete der Junge in die Richtung des winselnden Mädchens. Für Etikette war jetzt nicht der Zeitpunkt. Die Maisstauden brachen und fügten ihm Schnitte an den Händen und im Gesicht zu. Da hockte Ria und erbrach.

      »Was ist geschehen?«

      »Da.« Sie deutete nach links, wobei wieder ein Schwall Mageninhalt aus dem Mund schoss.

      Jetzt fiel ihm der bestialische Gestank auf. Süßlich, abscheulich und instinktiv vertraut: Aasgeruch!

      Dennis nahm Ria am Arm und führte sie auf den Weg.

      Die Hundefrauen kamen näher.

      »Was ist los mit euch«, fragte die Große besorgt.

      Würgend zeigte der Junge in das Maisfeld.

      »Da hat wohl wieder ein Schwein seine Kühltruhe entsorgt.« Die kleine Rote meckerte und befestigte Beagle und Schäferhund an einem Weidezaunpfosten. Sie ging festen Schrittes auf das Feld zu.

      »Halt«, die Grauhaarige hielt sie auf. »Du weißt nicht, was dort drin ist.«

      »Wie ich sagte, der Inhalt einer Kühltruhe oder ein totes Tier. Riecht ihr das nicht. Seit Tagen liegt der süßliche Geruch in der Luft. Ich bekomme die Hunde kaum vorbei. Sie wollen immer wieder in den Mais. Das fehlt mir, dass sich einer in Aas wälzt. Den Geruch kriegst du mit nichts weg. Noch nicht einmal mit Baden. Tage stinkt die Sauerei noch.« Sie ließ sich nicht aufhalten und verschwand resolut. Ihr Blick fiel auf eine gequollene Hand, auf der, Fliegen, Maden, Käfer und was sonst noch, krabbelte. Voller Angst wanderte ihr Blick weiter. Ein Mensch. Sie sah aufgesprungene Haut und angenagtes Fleisch. Nackt. Überall sabberte Flüssigkeit heraus, die bestialisch stank. Würgend stand sie wenige Augenblicke später leichenblass auf dem Weg. »Ruft die Polizei«, schwer und tief atmend, um den Brechreiz zu unterdrücken, kamen die Worte über die Lippen. »Dort liegt ein Mensch. Die armen Kinder. Kümmert euch um die beiden.«

      Natürlich hatte niemand ein Handy oder Smartphone dabei.

      Mutig stellte sich die Rothaarige einem Auto in den Weg, das an ihnen vorbei fahren wollte.

      »Ich möchte jemanden dort hinten besuchen.« Der Fahrer zeigte in Richtung Waldstraße. Ihm war wahrscheinlich zu Ohren gekommen, dass die Hundefrauen jeden, der mit dem Auto einen Feldweg entlang fuhr, platt machten und beschimpften.

      »Ja, ja … egal«, sagte die Rothaarige mit einem strafenden Blick. »Rufen Sie die Polizei. Dort im Feld liegt ein toter Mensch.«

      *

      zwei

      Binnen Minuten raste ein Polizeifahrzeug heran und eine halbe Stunde später sah es auf dem Weg und im Feld, wie am Drehort eines Tatorts aus.

      »Wo?«, rief der Polizist, während er die Autotür öffnete. Die Frauen zeigten in den Mais. Kalkweiß torkelte der Beamte Augenblicke später aus dem Feld. Er sprach würgend in das Funkgerät. Von einer Minute auf die andere wimmelte es von Polizei. Ohne viele Worte

Скачать книгу