Tod im Maisfeld. Herbert Weyand

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Tod im Maisfeld - Herbert Weyand KHK Claudia Plum

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unkoordinierte Aktion an. Wie Ameisen verschwanden Personen im Mais, um wieder herauszukommen, damit andere den Platz einnahmen. Die Prozession störte jemanden, der fluchend losbrüllte und die Polizisten vom Tatort scheuchte. In der Folge wurden zwei weitere Absperrbänder gezogen, die den zulässigen Weg zur Leiche vorgaben. Die Routine der polizeilichen Ermittlungen begann.

      Großzügig wurde die Gegend um das Maisfeld herum abgesperrt. An den Zufahrten vom Bebauungsende am Küfenweg und Buschfeld wurden Polizeifahrzeuge postiert.

      Zwei Beamtinnen nahmen die Personalien auf und sorgten für die Betreuung der beiden Jugendlichen, Ria und Dennis, die diesen Tag auf immer und ewig im Gedächtnis behalten würden.

      Die Hundefrauen standen zusammen und spekulierten, was dort wohl geschehen sein mag. Nach Aufnahme ihrer Identitäten wurden sie mit dem Hinweis entlassen, unter Umständen von der Kripo befragt zu werden.

      *

      »Solche Sauerei liebe ich.« Heinz Bauer, Oberkommissar der Aachener Kripo schüttelte angewidert den Kopf. »Wie lange liegt die Leiche hier?«, fragte er den Gerichtsmediziner.

      »Lange genug«, gab der kurz angebunden zurück.

      »Na, wieder gute Laune«, bemerkte der Beamte schnippisch.

      »Du hast gut reden. Guck dir die Schweinerei an. Meinst du es macht Spaß, Fleischfetzen zu untersuchen. Ich könnte kotzen«, er zeigt auf die Spuren der beiden Jugendlichen.

      »Ist schon gut. Ich wollte dir nicht auf die Füße treten.«

      »Da bist du ja«, Claudia Plum, seine Chefin trat zu ihm. Ungefähr ein Meter siebzig groß, mit halblangem brünetten Haar und ausdrucksstarken grauen Augen, die ihn jetzt musterten. »Du bist etwas blass um die Nase. Was ist los?«

      »Die Leiche. Tu‹ es dir nicht an. Eine unendliche Sauerei.« Fürsorglich streckte er seine einsachtundsechzig. Das ansonsten exakt über die Halbglatze gekämmtes, schütteres Haar stand in alle Richtungen. Mit dreiundsechzig Jahren sehnte er die Pension herbei. Er wusste, die Arbeit würde ihm fehlen … doch mit den Enkelkindern war er lieber zusammen.

      »Ich hab‹ über Funk mitgehört und im Auto Mentholsalbe an die Nase geschmiert. Ich möchte nicht dort hinein …, es hilft nichts, ich muss mir die Leiche ansehen. Das weißt du doch.« Sie hob in einer entwaffnenden Geste die Schultern. Er trat zur Seite und ließ die sportliche, zurzeit hagere, Gestalt seiner Chefin vorbei. Vor einigen Wochen wurde sie während der Ermittlungen zu einem Verbrechen entführt und trug die Strapazen und den Gewichtsverlust sichtbar, aber mit Gelassenheit. Die Kriminalhauptkommissarin sah zurzeit um einiges älter aus. Erst, wenn man in ihre Augen sah, bemerkte man, wie unglaublich jung sie für die Aufgaben war, die vor ihr lagen. Mit dreißig Jahren war sie die jüngste Leiterin einer Mordkommission. All das konnte den Reiz und die Ausstrahlung, die von dieser Frau ausgingen, nicht verbergen. Sie wirkte kraftvoll und war den Anforderungen ihres Berufes durchaus gewachsen. Wie immer trug sie elegante und konservative Kleidung. Das einzige Zugeständnis an die warme Witterung war, dass sie auf die Jacke ihres Kostüms verzichtete und ihre reizvollen Kurven, durch eine eng sitzende Bluse betonte. Sie wirkte eher wie die Managerin eines Unternehmens, denn einer Kriminalbeamtin. Mit einer Ausnahme. An den Füßen trug sie alte schmuddelige Sportschuhe.

      »Was ist für ein Summen in der Luft. Hört sich gruselig an«, fragte sie Heinz.

      »Ist auch gruselig.« Er zeigte zum Maisfeld in die Luft.

      Tatsächlich. Millionen von Fliegen standen in einem dunklen Knubbel über der Fundstelle der Leiche. Mit der Bewegung der Maisstauden und den Flügelschlägen der Insekten entstand eine beklemmende Hintergrundmusik. Claudia fiel auf, wie sie die Luft anhielt, um keines dieser Krabbelviecher einzuatmen. Sie überwand den ersten Schock und richtete die Aufmerksamkeit auf die Arbeit.

      Langsam, jedoch festen Schritts schritt sie zum Ort des Grauens und erspähte mit Entsetzen das Etwas, das einmal ein Mensch gewesen war. Die Leiche, oder das, was davon übrig geblieben war, lag mit dem Gesicht nach unten, soweit sie das beurteilen konnte. Sie hielt inne und richtete den Blick auf die Überreste. Mit ihrem Erfahrungswissen sah sie, dass das Gewebe im normalen Verwesungsprozess zersetzt wurde, wobei Insekten das ihre taten. Der warme Sommer hatte die Fliegenpopulation gefördert. Die abgelegten Larven konnten zu einer Zeitbestimmung herangezogen werden.

      Faules stinkendes Fleisch lag in einem Radius von etwa fünf Metern, zwischen den Maisstauden, um die Leiche verteilt. An einigen Stellen traten gelbliche Knochen hervor. Keine Kleidung. In diesem Augenblick schoss das Gedicht durch ihren Kopf.

      »Es glänzt der Himmel über dem Dach

      So blau, so stille.

      Ein Baum wiegt draußen über dem Dach

      Der Blätter Fülle.

      Eine Glocke im Himmel, den du siehst,

      Hörst sanft du klingen,

      Einen Vogel auf dem Baum, den du siehst,

      Seine Klage singen.«

      Vor Jahren hatte sie es einmal gehört. Einfach lächerlich. Blöde Gedanken. Weshalb gerade jetzt? Verlaine oder so ähnlich hieß der Dichter. Da gab es noch eine oder zwei Strophen. Ach ja …

      »Mein Gott! Mein Gott! Das Leben fließt dort

      Ohne Leiden und Härmen,

      Vom Städtchen kommt mir herüber dort

      Ein friedliches Lärmen.

      Und du dort, der weint bei Tag und Nacht

      In schmerzlicher Klage,

      O sage mir du dort, wie hast du verbracht

      Deine jungen Tage?«

      Gab ihr Unterbewusstsein einen Hinweis? Die Vögel zwitscherten aus Lebensfreude. Sie hörte keine Klage. Die Kirchenglocke schlug elfmal. Kein sanfter Klang, mehr eine Erinnerung daran, dass das Leben unbarmherzig voranschritt. Und nun dieser, unter Umständen abrupte Tod. Sie gewöhnte sich nie daran. Wer mochte die Person sein? Wie lebte sie? Dinge, die in den nächsten Tagen oder Wochen ihr Lebensinhalt bestimmten.

      Nachdenklich knipste Claudia einige Fotos mit dem Smartphone. Der erste Eindruck erschien ihr wichtig. Die Positionsmarken der Technik waren bedeutend, weil sie Aufschluss darüber gaben, was letztendlich geschehen war. Mit der praktischen Zusatzfunktion des Smartphones bannte sie die ersten Gedanken in den Speicher und konnte sie jederzeit abrufen. Eine Leiche an sich war meistens schon kein angenehmer Anblick. Doch hier, ging es an die Grenze dessen, was ein Mensch ertragen konnte. Es sei denn, er hatte Wasser anstatt Blut in den Adern.

      »Kann mir schon jemand etwas sagen?«, fragte sie mit rauer Stimme bei den Gerichtsmedizinern, die diktierten und filmten.

      »Weiblich.« Knut Svensen, der Mediziner sah aus der hockenden Haltung hoch. »Mehr kann ich bei bestem Willen nicht sagen. Normal müsste sie ausgetrocknet sein, bei dem Wetter der letzten Wochen. Oder ... noch mehr, als jetzt, von den Tieren zernagt. An dieses verfaulte Fleisch geht jedoch kein Lebewesen mehr. Irgendetwas hat die Leiche feucht gehalten, sodass sie faktisch faulte. Du kannst nichts anfassen, es zerfällt sofort. Wie bei einem Stück Fleisch, das zu lange kocht. Ich habe noch einige Stunden zu tun. Pass auf, damit mir hier niemand herumtrampelt.« Er zeigte auf die unkenntliche

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